Der Zehnt Aktuell

Mit unserem wöchentlichen Newsletter informieren wir Sie im Bereich Steuerrecht über aktuelle Themen, Entscheidungen und Kanzlei-News.

Newsletter abonnieren >

 

Neues zur grenzüberschreitenden Sicherstellung und Einziehung von Vermögenswerten

Die Europäische Ermittlungsanordnung (EEA) traf bislang keine explizite Aussage darüber, was die Vollstreckung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen im Ausland betrifft. Grenzüberschreitende Arrestbeschlüsse oder Einziehungsentscheidungen hinsichtlich im Ausland belegender Vermögenswerte wurden bislang im Wege der klassischen Rechtshilfe vollstreckt.

Zum 19.12.2020 trat die Verordnung (EU) 2018/1805 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.11.2018 über die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen in Kraft (ABL. EU 2018 Nr. L 303, 1, PETERS in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht 2. Aufl., 2021, Rz. 6.537 ff.). Die Verordnung wird die grenzüberschreitende Abschöpfung von Vermögenswerten für die Strafverfolgungsbehörden sowohl im Ermittlungsverfahren (Sicherstellungsentscheidungen), als auch im Vollstreckungsverfahren (Einziehungsentscheidungen) erheblich erleichtern.

Auch wenn in der Verordnung EU 2018/1805 neben den Katalogtaten lediglich Betrugsdelikte, einschließlich des Betrugs und anderer Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union, ausdrücklich erwähnt sind, kann nach Artikel 3 Abs. 2 der Verordnung auch bei anderen Straftaten der Vollstreckungsstaat die Anerkennung und Vollstreckung einer Sicherstellung und Einziehungsentscheidung unabhängig von den Tatbestandsmerkmalen oder der Klassifizierung der Straftat nach dem Recht des Entscheidungsstaates davon abhängig machen, dass die Handlungen die zu der Sicherstellung oder Einziehungsentscheidung geführt haben, eine Straftat nach dem Recht des Vollstreckungsstaats darstellen.

Der formelle Ablauf einer grenzüberschreitenden Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidung wird sich wie bei der EEA am Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung orientieren. Voraussetzung ist daher zunächst eine inländische Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung. Die inländische Sicherstellungs- oder Einziehungsentscheidung wird sodann weitestgehend automatisiert den entsprechenden betroffenen Mitgliedstaat(en) übersandt.

Organisatorisch erfolgt dabei das Aufspüren entsprechender im Ausland belegender Vermögenswerte auf europäischer Ebene neben den nationalen Stellen durch die Asset Recovery Offices. Jeder Mitgliedsstaat errichtet und benennt insoweit eine nationale Vermögensabschöpfungsstelle zur Unterstützung des Aufspürens und der Ermittlung von Erträgen auf Straftaten und anderen Vermögensgegenständen im Zusammenhang mit Straftaten. Die Verordnung EU 2018/1805 normiert erstmals einen Fristenkatalog für die Erledigung des Ersuchens.

Neu und hervorhebenswert ist, dass die Betroffenen das Recht haben, gegen den Beschluss über die Anerkennung und Vollstreckung von Sicherstellungsentscheidungen und Einziehungsentscheidungen auch im Vollstreckungsstaat einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Ebenfalls neu ist, dass der Rechtsbehelf im Falle von Einziehungsentscheidungen aufschiebende Wirkung für den Fall haben kann, sofern dies nach dem Recht des Vollstreckungsstaates vorgesehen ist. 

Die Praxis wird zukünftig zeigen, inwiefern Mandanten sich einer möglichen massiven Übersicherung erwehren können, wenn sich die Mitgliedsstaaten bei einer zeitgleichen Vollstreckung nicht abstimmen. Gleichsam spannend wird die Frage, inwiefern die ersuchten Mitgliedsstaaten von ihrer zumindest (eingeschränkten) Prüfungskompetenz Gebrauch machen.

Dr. Sebastian Peters
Rechtsanwalt
Partner
LinkedIn