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Nach der Reform ist vor der Reform

Die Umsatzsteuer unterliegt einem stetigen Wandel. Dieser Beitrag skizziert die aktuell beschlossenen und geplanten Gesetzesänderungen: Im Fokus stehen die neuen Hürden für den Vorsteuerabzug durch die Pflicht zum Empfang von E-Rechnungen ab dem 1.1.2025 und durch die geplanten Pflichtangaben in Rechnungen von Ist-Versteuerern. Hinzukommen u.a. wichtige Neuerungen im NPO-Bereich.

 

I. Rechnung und Vorsteuerabzug

Im Grundsatz gilt weiterhin: Ohne Rechnung besteht kein Recht auf Vorsteuerabzug nach § 15 UStG; Fehler bei Rechnungsangaben können zwar mit Rückwirkung korrigiert werden, hierfür müssen aber Mindestangaben vorliegen (vgl. zB Abschn. 15.2a UStAE; BFH v. 15.10.2019 – V R 14/18, BStBl. II 2020, 596; BFH v. 12.3.2020 – V R 48/17, BStBl. II 2020, 604; EuGH v. 21.10.2021 – C-80/20 „Wilo Salmson France“, DStRE 2021, 1443). 

§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG verweist zu den Angaben und Formen einer ordnungsgemäßen Rechnung für den Vorsteuerabzug auf die §§ 14, 14a UStG, die jüngst durch das Wachstumschancengesetz mit Wirkung ab dem 1.1.2025 weitreichend geändert wurden: Es besteht ab dem 1.1.2025 im sog. inländischen B2B-Bereich grundsätzlich die Pflicht, elektronische Rechnungen (sog. E-Rechnungen) zu empfangen und zu verarbeiten. Lediglich für Rechnungsaussteller bestehen weitergehende Übergangsfristen mit gestuften Wahlrechten bis zum 31.12.2027. Der Bundesrat konnte im Vermittlungsausschuss zum Wachstumschancengesetz die von ihm gewollte Verlängerung für die Empfangspflicht nicht durchsetzen. E-Rechnung heißt nicht einfach „Rechnung per PDF im E-Mailversand“, sondern mittels Datensatz, d.h. einem strukturierten elektronischen Format nach der gesetzlich bestimmten Norm. Es bestehen Ausnahmen, teils sehr kleinteilige Regelungen und zahlreiche offene Fragen zu Einzelheiten der E-Rechnung.

Unternehmern i.S.d. § 2 UStG, die ab dem 1.1.2025 nicht entsprechend empfangsbereit sind, droht daher der Verlust des Vorsteuerabzugs, falls der Rechnungsaussteller sich entschließt, nur per E-Rechnung abzurechnen. Einer Zustimmung des Rechnungsempfängers im betroffenen inländischen B2B-Bereich bedarf es ab dem 1.1.2025 hierfür nicht. 

Ab dem 1.1.2026 sollen nach dem jetzt vorliegenden (inoffiziellen) Referentenentwurf des Jahressteuergesetzes (JStG) 2024 dann weitere Pflichtangaben für Rechnungen eines Ist-Versteuerers hinzukommen. Dies dient der Umsetzung der jüngsten EuGH-/BFH-Rechtsprechung: Denn der EuGH hat entschieden, dass die MwStSystRL einen Gleichlauf zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs eines Leistungsempfängers und der Umsatzbesteuerung des Leistungserbringers fordert, und zwar auch bei einer Leistungserbringung durch einen sog. Ist-Versteuerer iSd. § 20 UStG, der die Umsätze nach vereinnahmten Entgelten zu versteuern hat (vgl. EuGH v. 10.2.2022 - C-9/20 „Grundstücksgemeinschaft Kollaustr. 136“, DStR 2022, 255). Der BFH folgt dem in einem jüngst von STRECK MACK SCHWEDHELM erstrittenen Grundsatzurteil zur Ist-Besteuerung (vgl. BFH v. 12.7.2023 – XI R 5/21, DStR 2023, 2724; zu Einzelheiten s. Beitrag von Esteves Gomes, UR 2024, 41-46). Nach dem (inoffiziellen) Referentenentwurf des JStG 2024 sollen daher ab 2026 Unternehmer, die der Ist-Besteuerung unterliegen, in ihren Ausgangsrechnungen einen dahingehenden Hinweis aufnehmen müssen („Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten“). Der Leistungsempfänger soll erst mit der Zahlung des Entgelts zum Vorsteuerabzug berechtigt sein.

 

II. Neuregelungen im NPO-Bereich

Mit dem Wachstumschancengesetz wurden die lang ersehnten Erleichterungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 und 4 UStG für Zweckbetriebe von Körperschaften, die gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke i.S.d. §§ 51-68 AO verfolgen (zB gemeinnützigen Vereinen), eingeführt. Danach gilt jetzt u.a.: Leistungen im Rahmen eines allgemeinen Zweckbetriebs nach § 65 AO führen ausnahmslos zur Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes, sofern diese Leistungen nicht bereits nach § 4 UStG umsatzsteuerfrei sein sollten.

Die Umsatzsteuerbefreiungen im Bereich Sport und Bildung sollen nach dem Referentenentwurf des JStG 2024 an die Vorgaben des EU-Rechts und an die hierzu ergangene EuGH- und BFH-Rechtsprechung angepasst werden. Erfreulich ist u.a., dass das bisherige streitanfällige Bescheinigungsverfahren nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG wegfallen soll sowie dass der Umfang der Steuerbefreiung im Bereich Sport unionsrechtskonform erweitert werden soll als Reaktion auf den jüngsten Wegfall der Berufungsfähigkeit auf das EU-Recht (vgl. im Einzelnen Alvermann/Esteves Gomes, MwStR 2024, 287-288).

 

III. Weitere Änderungen 

Zahlreiche weitere praxisrelevante Änderungen wurden durch das Wachstumschancengesetz und das Zukunftsfinanzierungsgesetz beschlossen, nach dem (inoffiziellen) Referentenentwurf zum JStG 2024 sollen weitere bedeutsame Änderungen hinzukommen. Betroffen sind z.B. neue Regelungen für Kleinunternehmer (die zukünftig als Umsatzsteuerbefreiung gestaltet sein sollen mit einem besonderen Meldeverfahren nebst einer neuen Kleinunternehmer-Identifikationsnummer), für Landwirte, für Körperschaften des öffentlichen Rechts, für Online-Streamingdienste sowie z.B. für Verwaltungsleistungen von alternativen Investmentfonds.

Die Vielzahl und die Einzelheiten der beschlossenen und geplanten Änderungen würden den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Erfahren Sie daher mehr in unseren Webinaren und Präsenzseminaren, zB am 5./7. Juni in der zweiteiligen Webinarreihe „Umsatzsteuer – Gestaltungspraxis 2024“ mit unseren Partnern Dr. Jörg Alvermann und Cristian Esteves Gomes. Details und weitere Termine finden Sie hier auf unserer Homepage. Wir freuen uns auf Sie.

Cristian Esteves Gomes
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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