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Karneval und Gemeinnützigkeit


Es et nit schön he, es et nit herrlich? Die fünfte, zumindest in Köln unbestritten schönste Jahreszeit nähert sich ihren höchsten Festtagen. Von Wieverfastelovend bis zur Nubbelverbrennung eilt die ganze Stadt von einem karnevalistischen Hochamt zum nächsten. Den vielfältigen, segensreichen Einfluss des Karnevals auf die Menschheit im Allgemeinen und die Kölner im Besonderen wird zumindest im Rheinland niemand ernsthaft bestreiten wollen. 
Karneval ist gut für die Seele und fürs Gemeinwohl - für diese Erkenntnis braucht der Kölner keine Paragraphen. 
Wer sich dennoch als Vorstand, Schatzmeister oder Berater eines Karnevalsvereins einiger rechtlicher und steuerlicher Grundlagen der Brauchtumspflege vergewissern möchte, landet im Gemeinnützigkeitsrecht. Und weil dieses Rechtsgebiet dem Steuerrecht entstammt, nach Meinung nicht weniger Karnevalisten also vum Düvel anjelacht ist, stößt man hier auf einige Schmonzetten und Fallstricke. Nachfolgend eine kleine Auswahl - und wer auf Anhieb die aufgeführten Karnevalstitel den richtigen Musikgruppen zuordnen kann, darf sich bis zum Sessionsende als heimlicher Liederprinz des Kölschen Karnevals bezeichnen.

  
„Pirate“ - der Karnevalsverein und das Finanzamt 
Wer nicht ausschließlich dem Straßenkarneval frönt, begeht die schönste Jahreszeit auf Veranstaltungen der unzähligen Karnevalsvereinen. Das Angebot ist riesig, ebenso wie die dort bewegten Summen. Vom kleinen Veedelverein bis zum großen Traditionskorps - die Jecken lassen sich den Karneval etwas kosten. Und wo Geld bewegt wird, ist das Finanzamt nicht weit.
Das Finanzamt will auch vom Karnevalsverein in regelmäßigen Abständen steuerliche Erklärungen sehen. Denn der gute deutsche Verein ist mitnichten von Haus aus steuerbegünstigt, sondern steuerpflichtig. Allerdings kann er erhebliche Vergünstigungen erlangen, sofern er zusätzliche Voraussetzungen erfüllt. Ist der Verein gemeinnützig, sind eine Vielzahl seiner Einnahmen ertragsteuerfrei, können Umsätze unter Umständen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterworfen werden. Für Spenden dürfen Zuwendungsbestätigungen ausgestellt werden.
Die Karnevalisten tun aber gut daran, den Gang in die Gemeinnützigkeit sorgsam zu abzuwägen: Denn die Steuerbegünstigung ist keine Rose ohne Dornen. Wer die Vergünstigung will, muss zusätzliche Spielregeln beachten, unterliegt Steuer– und Haftungsrisiken bei Regelverletzungen. 

  
„Wegen dem Brauchtum“ - Karneval und Gemeinnützigkeit
Der Karneval ist im Gesetzeskatalog des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts explizit als gemeinnütziger Zweck anerkannt: § 52 der Abgabenordnung normiert „die Pflege des traditionellen Brauchtums, einschließlich des Karnevals, der Fastnacht und des Faschings“ als gemeinnützig. Man beachte die Begriffsgenauigkeit und Großzügigkeit des Gesetzgebers – nicht nur der rheinische Karneval (offenbar einschließlich Düsseldorf), sondern auch die übrigen (nach hiesiger Sicht natürlich nicht vergleichbaren) Brauchtumsveranstaltungen in anderen Regionen sind begünstigungsfähig.
Die steuerbegünstigte Brauchtumspflege steht hierbei übrigens nicht nur den klassischen Karnevalsvereinen offen: Auch Stiftungen, Genossenschaften, Aktiengesellschaften oder GmbH können den Status der Gemeinnützigkeit bekommen. Ebenso können Vereine, deren Satzungszweck sich ursprünglich auf andere Zwecke erstrecken, in ihrer Satzung Brauchtumspflege öffnen. Wenn der Sportverein eine Karnevalssitzung veranstaltet, verlässt er eigentlich seinen steuerbegünstigten Bereich. Möchte er aber auch den Karneval steuerbegünstigt zelebrieren, sollte er seine Satzungszwecke erweitern und die Brauchtumspflege als (weiteren) Zweck aufnehmen. So sind im Rheinland eine Vielzahl von gemeinnützigen Vereinen (z.B. auch der 1. FC Köln) zusätzlich dem Brauchtum verpflichtet. Wir wussten es auch ohne Blick in die Satzung schon immer: Der Effzeh ist ein Karnevalsverein (und nicht nur der Autor ist stolz darauf).
„Kölsch statt Käsch“ - Spielregeln in der Gemeinnützigkeit
Nix es umesöns! Wer Steuervorteile will, muss sich ausschließlich auf die Förderung des Gemeinwohls beschränken. Die Vertretung von Individualinteressen, enge Aufnahmekriterien oder Wirtschaftsförderung sind schädlich. Die Finanzbehörde prüft den Karnevalsverein insbesondere auf

—    eine gemeinnützigkeitskonforme Satzung,
—    ausschließlich gemeinnützige Mittelverwendung,
—    unzulässige Vermögensbildungen (Rücklagen sind in bestimmten, gesetzlich geregelten Grenzen zulässig),
—     ordnungsgemäßen Umgang mit Spendengeldern. 
Bei Spenden ist zu beachten, dass diese ausschließlich für die Satzungszwecke und ohne Gegenleistung an den Spender erbracht werden dürfen. Der Verkauf von Karnevalsorden gegen zehn Euro „Spende“ ist ein Widerspruch in sich.

 
„Mer sin eins“ - Geschlechtergleichheit im Karneval
Für Aufregung nicht nur im Karneval sorgte vor gut zwei Jahren eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Geschlechtergleichheit in gemeinnützigen Organisationen. Einer Freimaurerloge wurde die Gemeinnützigkeit versagt, weil sie ausschließlich Männern den Zutritt gewährte. Eine solche gleichheitswidrige Behandlung ohne sachlichen Grund sei – so die höchsten Steuerrichter – mit der Gemeinnützigkeit unvereinbar.
Nun gibt es im Brauchtum traditionell eine ganze Reihe von Karnevalsorganisationen, die die Mitgliedschaft oder zumindest Teilbereiche der Vereinstätigkeit ausschließlich Männern oder ausschließlich Frauen eröffnen. Auf den ersten Blick fällt es schwer, dies mit der Rechtsprechung zu vereinbaren. Auf den zweiten Blick ist die Finanzverwaltung aber noch aus gutem Grund zurückhaltend, das Urteil ohne weiteres auf den Karneval zu übertragen. Denn zum einen könnte das Brauchtum schon gesetzlich einen besonderen Schutz genießen. Zum anderen hat der BFH eine Hintertür für die Gemeinnützigkeit offen gelassen, wenn ein besonderer sachlicher Grund besteht. Auch hier könnten über Jahrzehnte gepflegte Traditionen schützenswert sein, sofern sie nicht diskriminieren. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl von Frauen– oder Männervereinen ihre Tätigkeit nicht nur den Mitgliedern zu Gute kommen lassen, sondern zum Beispiel die im Karneval gesammelten Gelder zum Wohle der Allgemeinheit einsetzen und spenden. 

 
„Tschingderassabum“ - was ist Brauchtum, was ist Party?
Beschränkt sich der gemeinnützige Karnevalsverein nicht nur auf die Verfolgung seiner ideellen Zwecke und die Vermögensverwaltung, sondern erschließt er sich durch Sitzungen, Bälle, Speisen- und Getränkeverkauf, Sponsoring oder sonstige wirtschaftliche Aktivitäten neue Geldmittel, begründet er einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Dieser Bereich ist im Verein wie ein normaler Gewerbebetrieb steuerpflichtig, sofern er nicht untrennbar mit der Verfolgung der gemeinnützigen Zwecke verbunden ist. Im letzteren Falle spricht die Finanzbehörde von einem Zweckbetrieb, dessen Gewinne ertragsteuerfrei sind und die dem Umsatzsteuersatz unterworfen werden können. Dies ist z.B. bei einer klassischen Karnevalssitzung anerkannt.
Aber was ist „klassisch“? Nix bliev, wie et es. Die Abgrenzung zwischen dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und dem steuerbegünstigten Zweckbetrieb raubt manchem jecken Schatzmeister den Schlaf. Die Grenzen sind fließend und auch in der Rechtsprechung uneinheitlich: Während das Finanzgericht Köln (!) In einer lesenswerten Entscheidung die rauschende Karnevalsparty  („Nacht der Nächte“) eines Karnevalsvereins während der Karnevalstage natürlich vollkommen zu Recht als steuerbegünstigten Zweckbetrieb ansah, waren die hohen Richter des Bundesfinanzhofs in München (!) unnachgiebig: Eine vorwiegend im Stehen abgehaltene Karnevalsparty mit Bandauftritten und Karnevalsmusik vom Band sei nicht mehr der klassischen Brauchtumspflege zu zu rechnen. Eine nicht nur für Rheinländer schwer nachvollziehbare Begründung – eine Sitzverlegung des Bundesfinanzhofs nach Köln scheint zur Sicherstellung einer geordneten Rechtsprechung zwingend erforderlich.

 
„Drink doch ene met“ - Karneval im Finanzamt 
Sollte dem ein oder anderen Schatzmeister nach der Lektüre der vorstehenden Zeilen nun bereits jetzt nach Aschermittwoch zu mute sein, dürfen zum Abschluss ein paar beruhigende Worte nicht fehlen: Auch und gerade die rheinischen Finanzämter zeigen in der Praxis ein hohes Verständnis für das Brauchtum. Der staubtrockende Finanzbeamte mit fehlendem Verständnis für die Besonderheiten und Auswüchse des Karnevals ist eine seltene Ausnahme. Auch im Finanzamt wird der Karneval ausgiebig gefeiert. In den Finanzämtern werden zum Teil legendäre Feiern abgehalten, aus den Behördenfenstern dem Zoch zugejubelt, die Brauchtumstage sind keine Arbeitstage. Und ab Aschermittwoch ist der Krankenstand eben so hoch wie in allen anderen Kölner Betrieben.

Auch Finanzbeamte sind Jecke. Nicht nur darauf dreimol vun Hätze Kölle Alaaf!

Dr. Jörg Alvermann
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Sportrecht
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