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Gefährdet der AdV-Antrag die Wirksamkeit der Selbstanzeige?

In der Finanzverwaltung wird die Auffassung vertreten, dass ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung dazu führen könne, dass die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige (§ 371 AO) entfällt (vgl. ROLLETSCHKE, wistra 2018, 460). Von besonderer Praxisrelevanz ist dies derzeit deshalb, weil die Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe nach § 238 AO vom BFH angezweifelt wird. Die Finanzverwaltung gewährt daher die Aussetzung der Vollziehung für Verzinsungszeiträume ab dem 1.4.2012 (BMF vom 14.12.2018, BStBl. I 2018, 1393). Dies betrifft auch die Hinterziehungs¬zinsen, die im Rahmen einer Selbstanzeige – trotz der strafbefreienden Wirkung – zu zahlen sind, und deren fristgerechte Zahlung Voraussetzung für die strafbefreiende Wirkung ist (§ 371 Abs. 3 AO).

UE ist zu differenzieren:

  1. Unkritisch ist der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, solange die Strafverfolgungsbehörde noch keine Frist zur Zahlung iSv. § 371 Abs. 3 AO gesetzt hat. Die Zahlungsfrist, die die Finanzbehörde im Steuerbescheid setzt, ist für die Wirksamkeit der Selbstanzeige nicht maßgeblich.
  2. Ferner kann der Aussetzungsantrag die Wirksamkeit der Selbstanzeige dann nicht gefährden, wenn sich später herausstellt, dass der angefochtene Bescheid tatsächlich rechtswidrig war. Von der Zahlung rechtswidrig festgesetzter Steuern hängt die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige nicht ab.
  3. Aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden kann der Aussetzungsantrag mithin allenfalls dann problematisch sein, wenn aufgrund der Aussetzung der Vollziehung – trotz Fristsetzung durch die Strafverfolgungsbehörde – nicht gezahlt wird und sich später die Rechtmäßigkeit des Bescheids herausstellt. Auch in diesem Fall wäre die Selbstanzeige uE jedoch wirksam. Eine Frist, die zu einem Zeitpunkt endet, an dem die Aussetzung der Vollziehung noch fortbesteht, ist nicht im Sinne von § 371 Abs. 3 AO angemessen. Die Straffreiheit kann uE nicht von der Zahlung rechtlich ernstlich zweifelhafter Beträge abhängig gemacht werden. Andernfalls würden die Rechtsschutzmöglichkeiten des Steuerpflichtigen in nicht gerechtigter Weise eingeschränkt.

Für die Beratungspraxis gilt gleichwohl der Grundsatz, dass Steuern und Zinsen fristgerecht gezahlt werden sollten, um die Wirksamkeit der Selbstanzeige nicht zu gefährden. Stellt die Zahlung den Selbstanzeiger jedoch vor wirtschaftliche Probleme und bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide, sollte ein Aussetzungsantrag – möglichst noch bevor die Fristsetzung nach § 371 Abs. 3 Satz 1 AO erfolgt – mit der Strafverfolgungsbehörde abgestimmt werden. Kommt die Strafverfolgungsbehörde der Fristverlängerungsbitte nicht nach, kann dagegen der ordentliche Rechtsweg beschritten werden.

Weiterführende Hinweise: STENERT/WULF, Stbg 2019, 124.

Dr. Jens Stenert
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater
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