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Corona-Soforthilfezuschüsse: Strafgerichte bejahen Subventionsbetrug (§ 264 StGB)

Im Mai vergangenen Jahres haben wir erstmals auf die strafrechtlichen Risiken im Zusammenhang mit Corona-Soforthilfeanträgen hingewiesen. Mittlerweile gewinnt das Thema an praktischer Bedeutung, nicht nur weil die Auszahlungen wegen möglicher Betrugsfälle unlängst vorläufig gestoppt wurden, sondern auch weil erste strafgerichtliche Entscheidungen vorliegen. 

Besondere Aufmerksamkeit verdient eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg aus dem Januar 2021, denn in diesem Beschluss hat sich ein Strafgericht erstmals ausführlich mit den Problemen der Anwendung von § 264 StGB (Subventionsbetrug) befasst. Im Ergebnis hat das Landgericht die Anwendbarkeit der Vorschrift bejaht (LG Hamburg vom 18.1.2021 608 Qs 18/20, juris). 

Schon die Ausgangslage dieses Verfahrens war ungewöhnlich. Denn die Staatsanwaltschaft sah die Sondervorschrift nicht als erfüllt an und wollte nur wegen einer „regulären“ Betrugstat (§ 263 StGB) anklagen. Dies führte zu einem Zuständigkeitsstreit, in dem sich das Landgericht mit den besonderen Voraussetzungen des Subventionsbetrugs auseinandersetzten musste. Die Kammer stufte die Corona-Soforthilfen nicht nur als Subventionen iSd. § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB ein, sondern hielt auch die subventionserheblichen Tatsachen auf Grundlage des § 2 SubvG für hinreichend konkret bezeichnet (§ 264 Abs. 9 Nr. 1 Var. 2 StGB). Dabei genügte dem Landgericht, dass hinsichtlich der einzelnen subventionserheblichen Tatsachen auf konkret aufgeführte Textziffern des Antragsformulars verwiesen wurde, obwohl in diesem „Katalog“ auch Positionen enthalten waren, die eindeutig keine Subventionsvoraussetzungen enthielten (wie zB die Kontoverbindung). Diese Fehlverweise seien unschädlich.

Diese Auslegung des § 264 Abs. 9 Var. 2 StGB erscheint problematisch. Die Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen ist das eigentlich strafbarkeitsbegründende Merkmal der Norm, auf das sich die Tathandlungen von § 264 Abs. 1 Nr. 1 und 3 StGB beziehen (vgl. BGH vom 22.8.2018 3 StR 357/17, BeckRS 2018, 37937 Rz. 14). Die Subventionserheblichkeit muss hinreichend klar und unmissverständlich bezeichnet werden. Da die Strafbarkeit mit der Erstreckung auf leichtfertiges Handeln weit nach vorne verlagert ist, fordert der BGH zu Recht einen strengen Maßstab ein (vgl. BGH vom 11.11.1998 3 StR 101/98, wistra 1999, 142). Im konkreten Fall enthielt das Formular so viele Ungenauigkeiten, dass es überzeugender gewesen wäre, mit der Auffassung der Staatsanwaltschaft von einer Anwendung von § 264 StGB abzusehen und allenfalls auf den allgemeinen Betrugsparagraphen zurückzugreifen.

Die Entscheidung des LG wirft ein Schlaglicht auf die Rechtsfragen, die bei der Anwendung von § 264 StGB zu diskutieren sind und dürfte nur den Ausgangspunkt für eine Vielzahl von weiteren Gerichtsentscheidungen bilden. Wie eine erste Entscheidung aus Berlin zeigt, können die verhängten Strafen für die Antragsteller durchaus empfindlich ausfallen (vgl. AG Tiergarten vom 17.7.2020 – Az. 328 Js 4/20: bei beantragen Zuschüssen iHv. € 77.500,-- wurde eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verhängt). Andere Gerichte scheinen die formellen Fragen des Subventionsstrafrechts abweichend zu bewerten. So hat das AG Magdeburg ein Verfahren gem. § 153 Abs. 2 StPO mit dem Argument eingestellt, die Antragsbelehrung sei für den Betroffenen kaum verständlich und intransparent gewesen (Meldung vom 18.11.2020, FD-StrafR 2020, 433903).

Sollten andere Strafgerichte der strengen Auslegung des Landgerichts Hamburg zur Anwendung von § 264 StGB folgen, so hätte dies auch Auswirkungen auf ein mögliches Haftungsrisiko der Steuerberater, die an der Antragstellung für ihre Mandanten mitgewirkt haben. Denn wenn der Straftatbestand des § 264 StGB (Subventionsbetrugs) mit seinen gegenüber § 263 StGB (Betrug) herabgesetzten Strafbarkeitsanforderungen einschlägig ist, dann steigt damit zugleich auch das Risiko von Beteiligungsvorwürfen gegen den mitwirkenden Berater – das dann wiederum die Basis für eine zivilrechtliche Inanspruchnahme auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB bilden kann.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Verfolgungs- und Sanktionspraxis entwickelt. Ob § 264 StGB eingreift wird stets (auch) eine Frage des Einzelfalles bleiben und ua. davon abhängen, in welchem Bundesland der Antrag gestellt, welche Förderrichtlinien etc. zum Zeitpunkt der Einreichung veröffentlicht waren und welche konkreten Angaben sich in den Augen der Strafverfolgungsbehörden als falsch erweisen.

Michael Görlich
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Counsel
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Dr. Martin Wulf
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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