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BGH ändert Rechtsprechung zu Konkurrenzen im Steuerstrafrecht

Der BGH hat mit Beschluss vom 22.1.2018 (1 StR 535/17 nv. (juris)) seine Rechtsprechung zum Konkurrenzverhältnis bei der Abgabe mehrerer Steuererklärungen in „einer körperlichen Handlung“ geändert.

Bei der Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse von Steuerstraftaten ist der BGH bislang in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung grundsätzlich als selbständige Tat iSd. § 53 StGB zu werten ist, wenn die abgegebenen Steuererklärungen verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steuerpflichtige betreffen. Eine Ausnahme hierzu, mithin Tateinheit gem. § 52 StGB, hat der BGH angenommen, wenn mehrere Steuererklärungen durch „eine körperliche Handlung“ gleichzeitig abgegeben werden. Maßgeblich war bislang, dass die Abgabe im äußeren Vorgang zusammenfällt und in den Erklärungen übereinstimmend unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind (vgl. nur BGH vom 24.5.2017 1 StR 418/16, NStZ-RR 2017, 315; vom 28.10.2004 5 StR 276/04, wistra 2005, 30 (mwN)).

Diese Rechtsprechung hat der BGH nun ausdrücklich aufgegeben. Eine für die Begründung von Tateinheit erforderliche Teilidentität sei bei Abgabe mehrere Steuererklärungen für verschiedene Steuerarten und verschiedene Veranlagungszeiträume durch einen äußeren Akt grundsätzlich nicht gegeben. Die Tathandlung bestehe darin, dass über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht werden, dem äußeren Vorgang des Versendens und dem Eingang bei der Behörde, komme für die tatbestandliche Handlung keine Bedeutung zu. Ferner würden künftig zufällig anmutende Ergebnisse vermieden, weil es für die Konkurrenzen nicht mehr darauf ankomme, ob mehrere Erklärungen in einem oder mehreren Briefumschlägen eingereicht werden.

Auswirkung auf die Praxis: Die Entscheidung ist insbesondere für die Strafzumessung und Verjährung von großer Bedeutung. Für die Frage der Verwirklichung einer Steuerhinterziehung in großem Ausmaß gem. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ist das „Ausmaß des jeweiligen Taterfolgs zu addieren, weil eine einheitliche Handlung iSd. § 52 StGB vorliegt, die für die Strafzumessung einer einheitlichen Bewertung bedarf“ (BGH vom 27.10.2015 1 StR 373/15, NZWiSt 2016, 102). Der Taterfolg mehrerer in einem äußeren Vorgang zusammenfallender Erklärungen ist künftig für die Frage des großen Ausmaßes nicht mehr zu addieren. Dies hat unmittelbare Auswirkungen für die Verjährung: § 376 Abs. 1 AO verlängert die Verjährungsfrist in Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 - 6 AO auf 10 Jahre.

Beispiel: Der Angeklagte hat in einem Briefumschlag eine Einkommensteuererklärung und eine Gewerbesteuererklärung eingereicht. Aufgrund unrichtiger Angaben kam es zu einem Hinterziehungsbetrag von € 35.000,-- bei der Einkommensteuer und € 20.000,-- bei der Gewerbesteuer. Führten die übereinstimmend in einer Handlung abgegebenen Erklärungen bislang dazu, dass die Hinterziehungsbeträge addiert wurden und damit das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO (Grenze € 50.000,--) und damit die zehnjährige Verjährungsfrist gem. § 376 Abs. 1 AO erfüllt waren, stehen die Taten künftig in Tatmehrheit ohne die Gefahr einer Strafverschärfung für besonders schwere Fälle und einer Verlängerung der Verfolgungsverjährung, weil das Regelbeispiel bei isolierter Betrachtung der Erklärungen unter Annahme von Tatmehrheit nicht erfüllt ist.

Dr. Christian Bertrand
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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