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BFH: Spenden einer Kapitalgesellschaft können eine verdeckte Gewinnausschüttung sein

Die aktuelle Entscheidung des I. Senats des BFH vom 13.7.2021 (I R 16/18) betrifft die in der Praxis höchst diffizile Abgrenzungsproblematik von verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) und Spenden. 

Im betreffenden Entscheidungsfall des I. Senats des BFH leistete eine GmbH Kunstwerke als Sachzuwendungen an eine gemeinnützige Stiftung und machte diese „Sachspenden“ gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG als abziehbare Aufwendungen steuermindernd geltend. Am Stammkapital der leistenden GmbH waren zwei Ehegatten beteiligt. Diese Ehegatten gründeten zuvor ebenso die gemeinnützige Stiftung, welche die Zuwendungen von der GmbH erhielt. Das Finanzamt qualifizierte die von der GmbH getätigten Sachzuwendungen an die gemeinnützige Stiftung als vGA an die beiden Eheleute. Nachdem der Einspruch und das Klageverfahren vor dem FG Köln (v. 21.3.2018 10 K 2146/16) erfolglos blieben, hatte auch das sich anschließende Revisionsverfahren keinen Erfolg.

Der I. Senat des BFH hat in seinem Beschluss vom 13.7.2021 (I R 16/18) entschieden, dass eine gemeinnützige Stiftung im Verhältnis zu einem Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft eine nahestehende Person sein kann. Ausgehend davon kann es sich bei Zuwendungen der Kapitalgesellschaft an die gemeinnützige Stiftung als Zuwendungsempfängerin um vGA iSv. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG handeln.

Gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG können Aufwendungen einer Kapitalgesellschaft zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke iSd. §§ 52 bis 54 AO zwar einkommensmindernd abziehbar sein. Diese steuerliche Abzugsmöglichkeit steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass die Aufwendungen nicht zugleich vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG sind.

Eine VGA liegt nach ständiger Rechtsprechung vor (BFH I R 16/18, Rz. 15 mwN.), bei

  • Vermögensminderungen (oder verhinderten Vermögensmehrungen), 
  • die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst sind, 
  • sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG iVm. § 8 Abs. 1 KStG auswirken 
  • und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung stehen. 
  • Zudem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen sonstigen Bezug iSd. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (Vorteilseignung)

Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis wird insbesondere für den Fall angenommen, dass die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person – im Entscheidungsfall der gemeinnützigen Stiftung – einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (BFH I R 16/18, Rz. 15, 17). Der BFH hält in seinem Beschluss vom 13.7.2021 (I R 16/18, Rz. 18) daran fest, dass dieselben Maßstäbe entscheidend sind, wenn es um die steuerrechtliche Beurteilung von Zuwendungen (Spenden und Mitgliedsbeiträge) geht, die eine Kapitalgesellschaft einer gemeinnützigen Organisation gewährt.

Für die Annahme eines Näheverhältnisses bzw. einer Veranlassung einer Spende durch das Gesellschaftsverhältnis genügt es nicht, dass sich ein Gesellschafter mit den Zielen des Begünstigten identifiziert. Vielmehr ist eine Spende dann als vGA zu werten, wenn sie durch ein besonderes Näheverhältnis zwischen dem Empfänger und dem Gesellschafter der spendenden Kapitalgesellschaft veranlasst ist. Ein besonderes Näheverhältnis und damit eine vGA wird regelmäßig nur bei entsprechenden Indizien bejaht werden können (BGH I R 16/18, Rz. 19-20). Ob das Handeln einer Kapitalgesellschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst ist, muss im gerichtlichen Verfahren in erster Linie das FG anhand aller Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilen.

Der I. Senat des BFH ließ die folgenden – vom FG Köln festgestellten – Umstände als Indizien gelten, um ein „besonderes Näheverhältnis“ anzunehmen:

  • Die Eheleute als Gründer (einzige Stifter) und Vorstandsmitglieder der gemeinnützigen Stiftung (Rz. 28).
  • Eigene Spendenaktivität der Eheleute zugunsten der gemeinnützigen Stiftung (Rz. 29).
  • Umfang der Spendentätigkeit und einseitige Ausrichtung des Spendenverhaltens der leistenden Kapitalgesellschaft an die gemeinnützige Stiftung (Rz. 30).

Schließlich ist ein Vorgang bereits dann geeignet, einen sonstigen Bezug bei einem Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft iSv. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen, wenn eine dem Anteilseigner nahestehende Person – wie hier die gemeinnützige Stiftung – aus einer Vermögensverlagerung einen Nutzen bzw. Vorteil zieht. Bei einer gemeinnützigen Stiftung liegt ein solcher Nutzen ua. vor, wenn sie durch eine zuvor erfolgte Vermögensverlagerung in die Lage versetzt wird, ihrem steuerbegünstigten Satzungszweck nachzugehen (BFH I R 16/18, Rz. 34-37).

Praxishinweis:
Die Entscheidung des I. Senats des BFH überzeugt nicht und liefert keine praxistauglichen Abgrenzungskriterien. Nach wie vor soll der Fremdspendenvergleich ein geeigneter Maßstab für die Prüfung sein, inwieweit der Spendenaufwand durch das Verhältnis zum Gewährträger verursacht ist (BFH I R 16/18, Rz. 30). Dies führt zu dem – widersinnigen – Ergebnis, dass – wie der BFH selber konstatiert – eine vGA uU nur dadurch vermieden werden könne, dass neben den – überwiegend altruistisch motivierten – Spenden an den Gewährträger noch weitere Beträge an andere Einrichtungen gespendet werden. Im Rahmen der Entscheidung des BFH wird nach wie vor der Umstand ignoriert, dass es in der Praxis typischerweise eine gewisse ideelle Nähe des Spenders zum Empfänger gibt. Außeracht gelassen wird ferner auch im Rahmen der Prüfung der „Vorteilsgeeignetheit“, dass die gemeinnützige Stiftung dem Grundsatz der gemeinnützigen Mittelbindung gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AO verpflichtet ist (Siehe allgemein zur Kritik, HÜTTEMANN, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 5. Aufl. 2021, Rz. 8.91 ff.). Hilfreich wären für die Praxis – sofern man § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG nicht aus dem Tatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG streichen mag – klare Vorgaben zur Abgrenzung von vGA und Spenden und insbesondere eine Abkehr vom Fremdspendenvergleich. Nach wie vor ist bei der Abgrenzung von Spenden und vGA absolute Vorsicht geboten. 

Dr. Jörg Alvermann
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Sportrecht
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