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BFH: Mündliche Verhandlung zur Besteuerung von Kryptowährungen

Wir hatten uns bereits in unserem Blog und in einem Beitrag (BINNEWIES/VITALE, AG 2022, 158) mit dem beim BFH anhängigen Revisionsverfahren zur Besteuerung von Kryptowährungen befasst (Az. IX R 3/22). Am 14.2.2023 fand vor dem IX. Senat die mündliche Verhandlung statt.

1. Hintergrund  

Zur steuerlichen Behandlung von Geschäften mit Kryptowährungen existiert bislang keine BFH-Entscheidung. Für Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen als Spekulationsgeschäft kann eine Steuerpflicht iSv. § 22 iVm. § 23 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG bestehen. Hierzu muss eine Kryptowährung begrifflich unter das Tatbestandsmerkmal eines „anderen Wirtschaftsguts“ iSv. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG und damit in den Anwendungsbereich der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften fallen. 

Die Finanzgerichte vertreten überwiegend die Ansicht, Kryptowährungen seien als immaterielle Wirtschaftsgüter zur qualifizieren, die bei Veräußerung mit Gewinnen zu Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften iSd. §§ 22 Nr. 2, 23 EStG führen (FG Berlin-Brandenburg vom 20.6.2019 13 V 13100/19, DStRK 2019, 279; FG Baden-Württemberg vom 11.6.2021 5 K 1996/19, DStR 2022, 143; FG Köln vom 25.11.2021 14 K 1178/20, DStR 2022, 667). Zweifel an der Wirtschaftsgutsqualität von Kryptowährungen äußerte lediglich das FG Nürnberg in seinem AdV-Beschluss vom 8.4.2020 (3 V 1239/19, DStR 2020, 1243 zu sogenannten „Altcoins“).  

Mit BMF-Schreiben vom 10.5.2022 hat die Finanzverwaltung erstmals eingehend Stellung zur Thematik Kryptowährungen genommen (BStBl. I 2022, 668). Sie gelangt ebenfalls zu der Auffassung, dass Kryptowährungen als Wirtschaftsgüter anzusehen seien. 

Auch in der Literatur wird überwiegend vertreten, dass es sich bei Kryptowährungen um immaterielle Wirtschaftsgüter und damit um andere Wirtschaftsgüter iSd. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG handle (LEVEDAG in Schmidt, EStG, 41. Aufl., 2022, § 23 Rz. 26; RATSCHOW in Brandis/Heuermann, EStG, 164. EL (Nov. 2022), § 23 Rz. 66; KUBE in Kirchhof/Seer, EStG, 21. Aufl., 2022, § 23 Rz. 7; HEY in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl., 2021, Rz. 8.553).

2. Sachverhalt 

Der Kläger und Revisionskläger hatte über eine Handelsplattform zunächst Bitcoin erworben, diese dann sukzessiv gegen andere Kryptowährungen (Ethereum  Monero  Bitcoin) getauscht und schließlich veräußert; an der Erzeugung von Kryptowährungen („Mining“, „Forging“) hat er nicht teilgenommen. Das Finanzamt unterwarf die Spekulationsgewinne im VZ 2017 der Besteuerung. Gegen den Einkommensteuerbescheid legte der Kläger erfolglos Einspruch ein und erhob Klage zum FG Köln.

Im Klageverfahren trugen die Kläger vor, dass Bitcoin-Einheiten kein „Wirtschaftsgut“ im steuerrechtlichen Sinne seien, sowie in Deutschland ein verfassungswidriges strukturelles Vollzugsdefizit bei der Erfassung von Kryptogewinnen bestehe. Da der Handel sich zumeist auf ausländischen Plattformen und über anonymisierte Konten abspiele, deren Daten nach kurzer Zeit gelöscht würden, und es der deutsche Steuergesetzgeber versäumt habe, geeignete Instrumente zu schaffen, um bei den Plattformbetreibern für die Besteuerung relevante Informationen in Erfahrung zu bringen, hänge eine Versteuerung letztlich von der eigenen Bereitschaft ab, Einkünfte aus Kryptogeschäften in der Einkommensteuererklärung anzugeben. Im Übrigen sei unklar, wie die Finanzverwaltung Gewinne nach Maßgabe des Amtsermittlungsgrundsatzes und des Grundsatzes der gleichmäßen Besteuerung konkret berechnen wolle.
 
Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Das FG Köln bejahte die Wirtschaftsgutseigenschaft von Kryptowährungen und lehnte ein strukturelles Vollzugsdefizit ab.  

Kryptowährungen fielen unter den Begriff des Wirtschaftsguts iSd. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG. Der Begriff sei weit auszulegen (vgl. BFH vom 2.3.1970 GrS 1/69, BStBl. II 1970, 382) und umfasse neben Sachen und Rechten auch sonstige Vorteile, also tatsächliche Zustände sowie konkrete Möglichkeiten und Vorteile, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lasse und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich seien. Kryptowerte vermittelten eine klar definierte Geschäftschance, die Kryptowährung wieder mit Gewinn veräußern zu können, und stellten damit einen konkreten vermögenswerten Vorteil dar. Dass Kryptowerte auf Kryptobörsen gegen Entgelt gehandelt würden, belege deren Verkehrsfähigkeit und selbstständige Bewertbarkeit. Der Einstufung als Wirtschaftsgut stehe nicht entgegen, dass Kryptowährungen nur virtuell existierten. Auch virtuelle Vorgänge könnten auf Datenträgern erzeugt, gespeichert und verändert werden. Nichts anderes könne für Kryptowährungen gelten, die als Signaturketten elektronisch gespeicherte und auslesbare Vorgänge seien. 

Ein strukturelles Vollzugsdefizit läge nicht vor. Hierfür müssten Besteuerungslücken auf einer bewusst hingenommenen normativen Ineffizienz beruhen. Dies sei bei Kryptowährungen nicht der Fall. Die Schwierigkeiten einer steuerlichen Kontrolle seien rein faktischer Natur und würden sich nicht von Vollzugsmängeln unterscheiden, wie sie in vergleichbarer Weise auch bei bargeldintensiven Betrieben bestünden. Zudem gäbe es ausreichende Kontrollmöglichkeiten, bspw. durch Sammelauskunftsersuchen oder das Auslesen der Hash-Werte aus der Blockchain.   

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. 

3. Mündliche Verhandlung beim BFH am 14.2.2023  

Mit Blick auf die aus Klägersicht fehlende Wirtschaftsgutsqualität hob der Klägervertreter hervor, dass es sich bei Kryptowährungen um bloße Nummernfolgen („Signaturketten“) ohne intrinsischen Wert handle. Auch finde keine „Übertragung“ von Kryptowerten im rechtlichen Sinne statt; vielmehr würde nur eine Nummernfolge durch eine andere ersetzt. Deshalb könne der Tausch einer Kryptowährung in eine andere keinen steuerlichen Veräußerungsvorgang auslösen. Die Blockchain selbst, aus der heraus die Kryptowährungen „entstünden“, sei nicht objektiv werthaltig. Würde man Kryptowährungen gleichwohl unter den Begriff des Wirtschaftsguts fassen, müsste man konsequenterweise auch virtuelle Gegenstände in Computerspielen als Wirtschaftsgut erfassen und deren Veräußerung der Besteuerung unterwerfen, da sich dahinter letztlich ebenfalls bloße Nummernfolge verbärgen (argumentum ad absurdum). 

Weiter bestehe das Problem der Zurechnung. Es fehle schon an einer zivilrechtlichen Eigentumsposition iSd. § 39 Abs. 1 AO. Die Signaturketten verschafften lediglich eine Zugriffsmöglichkeit, welche aber jederzeit wegfallen könne, zumal die Zuweisung der Coins dezentral durch Konsens der Blockchain-Teilnehmer erfolge. Mangels zivilrechtlicher Eigentumsposition könne auch keine davon abweichende Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums erfolgen. 

Jedenfalls im Streitjahr 2017 habe auch ein strukturelles Vollzugsdefizit bestanden. Damals sei das Thema „Kryptowährungen“ vollkommen neu und der Finanzverwaltung weitgehend unbekannt gewesen. Ohne die Mitwirkung der Steuerpflichtigen wäre eine Erhebung der Steuer nicht möglich. 

Das beklagte Finanzamt betonte demgegenüber die Weite des Wirtschaftsgutsbegriffs und stellte vor allem auf die objektive Werthaltigkeit ab, die sich daran erkennen lasse, dass sich für Kryptowährungen ein Markt herausgebildet habe.

Hinsichtlich des Vorliegens eines strukturellen Vollzugsdefizits verwies das Finanzamt auf die Möglichkeit von Sammelauskunftsersuchen, die eine „angemessenes“ Entdeckungsrisiko begründen würden. Das dem Verfahren beigetretene BMF ergänzte, dass man hinsichtlich verbesserter Kontrollmechanismen mit den internationalen Partnern im Austausch stünde.   

4. Ausblick 

Auf die Entscheidung des BFH darf man gespannt sein. 

Er wird nicht nur die Frage zu klären haben, ob eine Kryptowährung begrifflich als anderes Wirtschaftsgut iSv. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG anzusehen ist, sondern sich auch mit der steuerlichen Zurechnung auseinandersetzen müssen. 

Die Konstellation in Revisionsverfahren könnte dem BFH zudem Anlass zur Klärung der Frage geben, ob Tauschvorgänge von einer Kryptowährung in eine andere einen steuerliche relevanten Realisationsvorgang darstellen. Dies wäre auch für die Bestimmung der Spekulationsfrist relevant. 

Schließlich ist die Frage zu beantworten, ob in der Aufdeckung von diesbezüglichen Geschäften mit seiner Vielzahl von sich im Ausland befindlichen Plattformanbietern ein strukturelles Vollzugsdefizit vorliegt. Der BFH muss daher aufklären, ob (und falls ja, seit wann) es der deutschen Finanzverwaltung möglich ist, erklärte bzw. nicht-erklärte Veräußerungsgewinne aus Kryptowährungsgeschäften systematisch zu erfassen und zu überprüfen.  

5. Praxishinweis 

Für die Praxis bedeutet dies Folgendes:

  • Die Gewinne sind – aufgrund der Ansicht von Finanzverwaltung und Rechtsprechung – als Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach § 22 iVm. § 23 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG zu erklären. 
  • Andernfalls wird der Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verwirklicht.
  • Gegen die hierzu ergehenden Einkommenssteuerbescheide sollte Einspruch eingelegt und 
  • das Ruhen des Verfahrens wegen der Anhängigkeit beim BFH beantragt werden.

Über die Entscheidung des BFH informieren wir Sie in einem weiteren Newsletter. Mehr zum Thema Kryptowährungen erfahren Sie demnächst auch in einem Steuertalk. 

Michael Görlich
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Counsel
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Giuseppe Vitale
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Senior Associate
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