Kontaktieren Sie uns gerne!
Der Zehnt Aktuell
Mit unserem wöchentlichen Newsletter informieren wir Sie im Bereich Steuerrecht über aktuelle Themen, Entscheidungen und Kanzlei-News.
Anwendungserlass zu § 25f UStG – BMF definiert extensive „Anhaltspunkte“ für eine Versagung des Vorsteuerabzugs
Das BMF hat am 15. Juni 2022 seine grundlegende Verwaltungsanweisung zur Auslegung und Anwendung von § 25f UStG veröffentlicht, die als neuer Abschnitt zu dieser Vorschrift in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) übernommen wird.
§ 25f UStG regelt die Versagung des Vorsteuerabzugs und einiger Steuerbefreiungen (einschließlich der für ausgeführte innergemeinschaftliche Lieferungen) in den Fällen der „Einbindung“ in eine von einem anderen begangene Steuerhinterziehung. Die Vorschrift gilt für alle Besteuerungszeiträume seit dem Jahr 2020, mit ihr hat der deutsche Gesetzgeber die vorangegangene „Missbrauchsrechtsprechung“ des EuGH umgesetzt und in das UStG übernommen.
Der EuGH selbst hat unlängst in seiner Entscheidung in der Rechtssache „Finanzamt Wilmersdorf“ (Az. C-108/20 vom 14. April 2021) klargestellt, dass die „Einbeziehung“ des Steuerpflichtigen in eine Steuerhinterziehung auf vor- oder nachgelagerten Umsatzstufen nicht mehr voraussetzen soll, als das schlichte Wissen oder Wissen-Müssen von dem begangenen Rechtsverstoß. Das FG Berlin-Brandenburg hatte in dem Verfahren – das von unserer Kanzlei betreut wurde – inhaltlich überzeugend geltend gemacht, dass die steuerliche Sanktion der Versagung des Vorsteuerabzugs etc. davon abhängen müsse, dass der Steuerpflichtige die Tat des anderen aktiv unterstützt. Der EuGH ist dem aber nicht gefolgt und hat sich für eine äußerst weitreichende Interpretation des – unionsrechtlich nicht geregelten, sondern vom EuGH selbst entwickelten – „Missbrauchsverbots“ entschieden. Wenig überraschend folgt auch das BMF dieser extensiven Interpretation, stellt aber immerhin klar, dass im Verfahren die Finanzbehörde die „Feststellungslast“ für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 25f UStG trägt, mithin unabhängig von eventuellen strafrechtlichen Entscheidungen im Besteuerungsverfahren den Beweis zu erbringen hat, dass der Steuerpflichtige (oder einer seiner verantwortlichen Mitarbeiter, vgl. § 166 BGB) „bösgläubig“ war.
Eine unerfreuliche Überraschung lauert in Abs. 5 der Verwaltungsanweisung. Denn das BMF will eine Art Beweislastumkehr eintreten lassen, sobald „Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten“ vorliegen, und der Katalog der Anhaltspunkte in Abs. 5 zählt Umstände wie bspw. einen „Preis unter dem Marktpreis“ oder das Fehlen „beruflicher Erfahrungen“ bei einem Beteiligten auf, die die Finanzämter dazu einladen, aus nichtigem Anlass die Versagungsgründe ins Feld zu führen. Die Unternehmen werden sich dafür rüsten müssen, dass zunehmend Streitigkeiten über die Versagung des Vorsteuerabzugs etc. entstehen, in denen sich Prüfer und Prüferinnen durch die Vorgaben des BMF zu einer (strengen) Sichtweise motiviert fühlen werden, die aus der Sicht redlicher Kaufleute als lebensfremd geltend darf.
Das „Rüstzeug“ der Unternehmen für solche Auseinandersetzungen kann (und sollte) in der Einrichtung eines effektiven Tax-Compliance-Systems bestehen. Der Katalog der Auffälligkeiten aus dem Schreiben des BMF fungiert dann als Aufgabenliste und definiert die „Checks“, die bei der Vertragsanbahnung und -durchführung aus umsatzsteuerlicher Sicht zu integrieren sind, um den wirtschaftlich wertvollen Vorsteuerabzug zu erhalten und schmerzhafte Umsatzsteuernachforderungen aus der Versagung von Abzugsbeträgen zu vermeiden.