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Achtung MoPeG: Änderungen in AO und AEAO

Neue Regelungen zu Bekanntgabe und Anfechtung von Bescheiden bei der Personengesellschaft!

Zum 1.1.2024 ist das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) in Kraft getreten. Mit dem MoPeG hat der Gesetzgeber das Personengesellschaftsrecht grundlegend überarbeitet. Das MoPeG hat Änderungsbedarf in den Steuergesetzen nach sich gezogen, welcher insbesondere durch das Wachstumschancengesetz umgesetzt werden sollte. Nachdem der Bundesrat dem Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetzes die Zustimmung verweigerte und den Vermittlungsausschuss angerufen hat, sind nun dringliche Änderungen aus dem Wachstumschancengesetz herausgenommen und in das Kreditzweitmarktförderungsgesetz eingefügt worden. Dieses wurde am 14.12.2023 vom Bundestag beschlossen, der Bundesrat hat zwischenzeitlich zugestimmt.

Mit dem Kreditzweitmarktförderungsgesetz vom 29.12.2023 (BGBl. I Nr. 411) ist eine Vielzahl von Regelungen in der AO angepasst worden. Im gleichen Zug wurde mit BMF-Schreiben vom 29.12.2023 (IV D-1S 0062/23/10005:001, 2023/1169456) die Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) mit Wirkung zum 1.1.2024 bekanntgegeben.

Der nachfolgende Beitrag beleuchtet auf die neuen Regelungen zur gesetzlichen Vertretung und Handlungsfähigkeit einer Personenvereinigung im Besteuerungsverfahren und insbesondere im gesonderten und einheitlichen Feststellungsverfahren.

 

I. Zivilrechtliche Änderungen

Mit dem MoPeG wurden zahlreiche zivilrechtliche Regelungen im Personengesellschaftsrecht geändert:

  • Insbesondere ist die Rechtsfähigkeit der GbR nunmehr auch im Gesetzeswortlaut verankert. Ausdrücklich wird zwischen rechtsfähigen Gesellschaften (zB GbR) und nicht rechtsfähigen Gesellschaften (zB Erbengemeinschaften) unterschieden (§ 705 Abs. 2 BGB).
  • Mit § 713 BGB wurde das Gesamthandsprinzip für Personengesellschaften abgeschafft. Rechtsfähige Personengesellschaften unterhalten zukünftig vielmehr ein „Gesellschaftsvermögen“.
  • Eingeführt worden ist zudem ein Gesellschaftsregister, in das sich die GbR eintragen lassen kann (§ 707 BGB). Die GbR hat dann als eGbR oder eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufzutreten (§ 707a BGB). Im Verhältnis zu Dritten entsteht die rechtsfähige GbR damit, sobald sie mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnimmt, spätestens mit ihrer Eintragung im Gesellschaftsregister (§ 719 Abs. 1 BGB).
  • Die eGbR wird durch ihre Registereintragung umwandlungsfähig (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG).

 

II. Anpassung der Abgabenordnung

Durch Artikel 23 des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes wurden zahlreiche Bestimmungen der AO an die Rechtslage nach Inkrafttreten des MoPeG angepasst. Ebenfalls wurde mit BMF-Schreiben vom 29.12.2023 der AEAO angepasst.

1. Gesetzliche Vertretung und Handlungsfähigkeit

Geändert wurden die Regelungen zur gesetzlichen Vertretung und Handlungsfähigkeit einer Personenvereinigung im Besteuerungsverfahren in den § 34 und 79 AO. Nunmehr haben die gesetzlichen Vertreter rechtsfähiger Personenvereinigungen, die Geschäftsführer, deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Bei nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen haben gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 AO wie bislang die Mitglieder, Gesellschafter oder Gemeinschafter die Pflichten iSd. § 34 Abs. 1 AO zu erfüllen. Zur Vornahme von Verfahrenshandlungen bei Personenvereinigungen oder Vermögensmassen sind nach § 79 Abs. 1 Nr. 3 AO die in § 34 AO bezeichneten Personen fähig.

2. Gesondertes und einheitliches Feststellungsverfahren

Nach dem Prinzip der transparenten Besteuerung unterliegen – vorbehaltlich einer Optionsausübung zur Körperschaftsteuer nach § 1a KStG - die auf der Ebene einer Personenvereinigung erzielten Einnahmen und Einkünfte nicht auf Ebene der Gesellschaft der Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Ausgehend von der durch das MoPeG gesetzlich bestätigten zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit der am Rechtsverkehr teilnehmenden Personengesellschaften erlangen diese nunmehr auch im Abgabenrecht eine gestärkte Stellung: 

a) Während bis zum Jahr 2023 jeder Feststellungsbeteiligte, dem ein Anteil an den einkommensteuerpflichtigen oder körperschaftsteuerpflichtigen Einkünften zuzurechnen ist, nach § 181 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO (aF) erklärungspflichtig war, ist nunmehr vorrangig die rechtsfähige Personenvereinigung erklärungspflichtig und erst nachrangig der Feststellungsbeteiligte (§ 181 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a) AO nF). Bei den nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen bleibt es dabei, dass der Feststellungsbeteiligte erklärungspflichtig ist.

Fraglich ist, in welchem Verhältnis die primäre Abgabepflicht der Gesellschaft und die nachrangige Pflicht der Gesellschafter stehen. Der Wortlaut des § 181 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a AO differenziert zwischen Vorrangig- und Nachrangigkeit. Kommt die Gesellschaft der Erklärungspflicht nach, wird zugleich jeder Feststellungsbeteiligte nach § 181 Abs. 2 Satz 3 AO von der Erklärungspflicht befreit. Es stellt sich aber weiterhin die Frage, in welchen Fällen jeder Feststellungsbeteiligte „nachrangig“ erklärungspflichtig ist oder wird. Aufgrund der Formulierung „vorrangig die Personenvereinigung und nachrangig jeder Feststellungsbeteiligte“ kann jedenfalls ein Alternativverhältnis oder gar ein Wahlrecht ausgeschlossen werden. Vielmehr lässt der Begriff „und“ auf ein gestuftes Gesamtschuldverhältnis betreffend die Erklärungspflicht schließen. Dies hätte zur Folge, dass jeder Feststellungsbeteiligte zwar die Möglichkeit hat, die Erklärung abzugeben, zugleich aber darauf achten müsste, selbst mit seiner Erklärungspflicht nicht in Verzug zu geraten, wenn vonseiten der Gesellschaft keine Erklärung abgegeben wird. Zudem könnte die Finanzbehörde für den Regelfall gehalten sein, bei Nichteinhaltung der Erklärungsfristen die Erklärung zunächst bei der Gesellschaft und erst danach bei den Gesellschaftern anzufordern.

b) Parallel dazu wurde bei Feststellungserklärungspflichten § 152 Abs. 4 Satz 3 AO angepasst.

 

3. Bekanntgabe von Feststellungsbescheiden bei gesonderten und einheitlichen Feststellungen

Auch im Hinblick auf § 183 AO werden rechtsfähige Personengesellschaften intensiver eingebunden. Hierzu sind die Bekanntgabeerleichterungen geregelt:

a) Während nach der bisherigen Fassung die Bekanntgabe an einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten der Feststellungsbeteiligten erfolgen konnte, ist der Feststellungsbescheid nunmehr gegenüber der rechtsfähigen Personenvereinigung bekanntzugeben (§ 183 Abs. 1 Satz 1 AO nF). Nach Ansicht der Finanzverwaltung gemäß AEAO zu § 122 Nr. 2.5.2.4 ist § 183 AO ab dem 1.1.2024 in allen offenen Fällen (dh. auch für zurückliegende Feststellungszeiträume) anzuwenden. Nach Art. 97 § 39 Abs. 3 EGAO können die in § 183 Abs. 1 AO genannten Verwaltungsakte und Mitteilungen in den Kalenderjahren 2024 und 2025 allerdings auch noch dem bisher bestellten Empfangsbevollmächtigten (§ 183 AO aF) wirksam bekannt gegeben werden.

b) Neu eingefügt wurde § 183a AO für die Bekanntgabe von Feststellungsbescheiden bei nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen.
 

4. Einspruchs- und Klagebefugnis im gesonderten und einheitlichen Feststellungsverfahren 
(§ 352 AO, § 48 FGO)

a) Die bisherige Fassung des § 352 Abs. 1 AO beschränkte die Personengruppe der Anfechtungsberechtigten für Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung. Dieser richtete sich an alle Feststellungsbeteiligten. Wegen der Einschränkung in § 352 AO waren gerade nicht alle Feststellungsbeteiligten rechtsbehelfsbefugt, obwohl sich der Feststellungsbescheid an alle richtete und Rechtswirkungen ihnen gegenüber entfaltete. Befugt zur Einlegung von Einsprüchen waren vorrangig die zur Vertretung berufenen Geschäftsführer, aber auch Empfangsbevollmächtigte iSd. § 183 Abs. 1 AO.

b) Aufgrund der zum 1.1.2024 in Kraft getretenen Neufassung in § 352 Abs. 1 Nr. 1a) AO ist nunmehr nur noch die rechtsfähige Personenvereinigung selbst einspruchsbefugt. Dies entspricht im Ergebnis der bisherigen Rechtslage, für die die Prozessstandschaft von der Rechtsprechung angenommen wurde. Die rechtsfähige Personenvereinigung tritt damit an die Stelle ihres zur Vertretung berufenen Geschäftsführers. Parallel wurde entsprechend die Klagebefugnis in § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO neugefasst.

c) Bei nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen ist nur der Empfangsbevollmächtigte nach Maßgabe der neugefassten § 183a AO einspruchsbefugt. Eine ebenfalls gleichlautende, die Klagebefugnis betreffende, Regelung wurde in § 48 Abs. 1 Nr. 2 iVm. § 48 Abs. 2 FGO gefasst.

d) Fraglich ist allerdings, welche Fassung des § 352 AO jeweils anzuwenden ist, wenn der Feststellungsbescheid noch in 2023 wirksam bekanntgegeben wird, der Einspruch allerdings in 2024 eingelegt wird. Gleiche Fragestellungen ergeben sich, wenn die Einspruchsentscheidung noch in 2023 erlassen wurde und Klage nunmehr in 2024 zu erheben ist.

Nach Art. 97 § 39 Abs. 4 Satz 1 EGAO bestimmt sich die Einspruchsbefugnis nach § 352 AO in der Fassung 2023, wenn gegen einen vor dem 1.1.2024 wirksam gewordenen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen Einspruch eingelegt wurde.

Ist über den Einspruch gegen einen vor dem 1.1.2024 wirksam gewordenen Bescheid nach dem 31.12.2023 zu entscheiden, richtet sich gem. Art. 97 § 39 Abs. 4 Satz 1 EGAO das weitere Verfahren nach den ab dem 1.1.2024 geltenden Vorschriften der AO.

Offen bleibt jedoch, welche Fassung des § 48 FGO im Falle der Erhebung einer Klage in 2024 gegen eine Einspruchsentscheidung in 2023 anzuwenden ist. Eine dem  Art. 97 § 39 EGAO entsprechende Übergangsvorschrift ist nicht vorhanden.


Beraterhinweis

In den Übergangsfällen 2023/2024 sollte genau geprüft werden, ob der Feststellungsbescheid oder die Einspruchsentscheidung wirksam und an den richtigen Adressaten bekanntgegeben worden ist. 
 

Dr. Markus Wollweber
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Giuseppe Vitale
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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