
Zehnt – der Steuerblog
Bleiben Sie informiert über aktuelle Entwicklungen in steuer- und steuerstrafrechtlicher Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur.
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Steht die turnusmäßig abzuhaltende ordentliche Mitgliederversammlung an, sind wichtige Beschlüsse zu treffen oder Vereinsgremien neu zu wählen, wird dies während der Corona-Pandemie zur rechtlichen und technischen Herausforderung.
Nach der bisherigen Rechtslage ist eine Beschlussfassung außerhalb einer (Präsenz-)Mitgliederversammlung nach § 32 BGB nur dann möglich, wenn die Satzung des Vereins die virtuelle Variante der Mitgliederversammlung ausdrücklich vorsieht oder ein Beschluss im Umlaufverfahren gefasst wird, zu dem alle Mitglieder ihre Zustimmung in Schriftform erklären. In der Praxis scheitert Letzteres in der Regel an der Allzustimmung und Ersteres an einer fehlenden Satzungsgrundlage. Um Vereinen, deren Satzung die Möglichkeit nicht vorsieht, eine virtuelle Mitgliederversammlung oder eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren ohne Allzustimmung zu ermöglichen, sieht Art. 2 § 5 des COVID-19-Gesetzes Abweichungen zur Regelung des § 32 BGB vor. Dort heißt es in Abs. 2 und 3:
(2) Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung Vereinsmitgliedern ermöglichen,
(3) Abweichend von § 32 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.
Die Vorschrift gilt nach Art. 2 § 7 Abs. 5 des COVID-19-Gesetzes nur für im Jahr 2020 stattfindende Mitgliederversammlungen. Eine Verlängerung durch Rechtsverordnung bis Ende 2021 ist jedoch möglich.
Beschlussfassung im Umlaufverfahren
Die Beschlussfassung im Umlaufverfahren dient der schnellen Fassung dringender Beschlüsse, ersetzt jedoch nicht die ordentliche Mitgliederversammlung. Art. 2 § 5 III des COVID-19-Gesetzes verringert nur das für einen wirksamen Beschluss erforderliche Beteiligungsquorum des § 32 Abs. 2 BGB und lässt statt der Schriftform auch Erklärungen in Textform genügen.
Durchgeführt werden kann das Umlaufverfahren folgendermaßen:
Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung
(Insbesondere technisch) aufwändiger ist die Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung. Sie hat jedoch den Vorteil, dass sie zumindest in gewissem Maße eine Diskussion vor der Beschlussfassung ermöglicht. Hierfür bieten sich unterschiedliche Durchführungswege an:
Am nächsten kommt der herkömmlichen Präsenzveranstaltung eine Telefon- oder Videokonferenz, bei der alle Teilnehmer gleichzeitig sprechen und hören können. Den Mitgliedern müssen mit Einberufung der Mitgliederversammlung nur die Einwahldaten und ggf. ihr persönliches Passwort mitgeteilt werden. Abstimmungen können innerhalb der Konferenz erfolgen, sodass die Anforderungen des § 32 Abs. 2 BGB nicht gelten.
Daneben ist eine Diskussion in Online-Chat-Räumen möglich. Über einen bestimmten Zeitraum – einen Tag oder bei komplexeren Themen und einer Vielzahl von Teilnehmern eine Woche – kann eine moderierte Diskussion über das Netz betrieben werden. Gegebenenfalls können zu unterschiedlichen Themenkomplexen Untergruppen gebildet werden. IT-Dienstleister bieten hierzu verschiedene Modelle an, in denen bspw. die Chat-Foren moderiert, d.h. Beiträge sortiert und ggf. vorgefiltert werden können. Auch hier müssten den Mitgliedern die Einwahlnummern und Einwahlcodes sowie ggf. ihr individuelles Passwort mitgeteilt werden. Erfolgt die Abstimmung während der Mitgliederversammlung, zB im Chat-Raum selbst oder über einen hinterlegten Online-Abstimmungszettel, sind die Vorgaben des § 32 Abs. 2 BGB nicht einzuhalten. Wird die Online-Versammlung dagegen geschlossen und erfolgt die Abstimmung danach über einen online hinterlegten Stimmzettel oder per E-Mail, ist diese uE nicht mehr Teil der Mitgliederversammlung. Hierfür finden die Grundsätze für die Beschlussfassung im Umlaufverfahren Anwendung.
Beraterhinweis:Ob Umlaufverfahren oder virtuelle Versammlung – mit den neuen Formen der Beschlussfassung betreten viele Vereine und Registergerichte Neuland. In der Praxis empfiehlt es sich daher, vor der Durchführung einer der neuen Beschluss- und Versammlungsformen das Registergericht zu kontaktieren. Leider sind in der Praxis nicht alle Gerichte zur Vorabstimmung bereit. Wer aber die Entwürfe zur Beschlussfassung und/oder virtuellen Versammlung vorab dem Registergericht zur Kenntnis bringt und um Mitteilung etwaiger Bedenken oder Ergänzungen bittet, erlebt mitunter positive Überraschungen. Verweigert sich das Registergericht einer Vorabstimmung, werden an etwaige nachfolgende Eintragungshindernisse entsprechend hohe Anforderungen zu stellen sein.
Fazit: Der Gesetzgeber hat mit Art. 2 § 5 des COVID-19-Gesetzes wichtige Erleichterungen für die Beschlussfassung in und außerhalb von Mitgliederversammlungen getroffen. Welchen Durchführungsweg ein Verein wählt, hängt maßgeblich von dessen Mitgliederstruktur, insbesondere von Anzahl und Technikaffinität der Mitglieder, ab. Bewährt sich die virtuelle Beschlussfassung für einen Verein, muss sie nach der Corona-Pandemie nicht von der Bildfläche verschwinden. Die Vereine haben es selbst in der Hand, durch Satzungsänderungen virtuelle Versammlungen auch für die Zeit nach Corona zu ermöglichen.