Zehnt – der Steuerblog

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Lehrstunde BFH: Dummheit schützt nicht vor Geschäftsführerhaftung

Der BFH hat sich aktuell nochmals zu den Voraussetzungen der steuerlichen Geschäftsführerhaftung nach § 69 AO mit Entscheidung vom 15.11.2022 (VII R 23/19) geäußert: 

Danach entlastet es den Geschäftsführer nicht, wenn die Geschäfte der GmbH tatsächlich durch seinen Sohn geführt wurden. Auch ein fortgeschrittenes Alter des Geschäftsführers und der Einwand, dass er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sei, Geschäftsvorfälle in der Firmen-EDV nachzuvollziehen, stehe der Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung nicht entgegen.

Denn der Geschäftsführer einer GmbH kann sich – so der BFH – gegenüber der Haftungsinanspruchnahme nicht darauf berufen, dass er aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sei, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen. Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss von der Übernahme der Geschäftsführung absehen bzw. das Amt niederlegen.

So weit – so bekannt. Die Entscheidung zeigt aber auch, wie vergleichbare Streitigkeiten erfolgversprechender geführt werden können. Denn maßgeblich kommt es in solchen Konstellationen darauf an, zu zeigen, dass der formelle Geschäftsführer auf die Abgabe zutreffender Steuererklärungen durch den faktischen Geschäftsführer vertraut hat. So hat der 1. Strafsenat des BGH unlängst die Verurteilung einer als Unternehmensträgerin eingeschalteten Tochter unter diesem Gesichtspunkt aufgehoben (BGH vom 11.2.2020 1 StR 119/19). 

Existieren Ansatzpunkte für einen solchen Sachvortrag, dann müssen entsprechende Beweisanträge gestellt werden. Die Entscheidung des BFH vom 15.11.2022 taugt auch zu diesem prozessualen Aspekt als Lehrbeispiel. Denn kommt das FG den schriftsätzlichen Beweisanträgen nicht nach, so muss der Berater dies „protokollfest“ rügen. Anderenfalls tappt er mit seinem Mandanten in die Falle, die der VII. Senat in seiner Entscheidung aus dem November 2022 ein weiteres Mal zuschnappen lässt: Die unterlassene Rüge wird als Verzicht auf die beantragte Beweiserhebung gewertet. 

 

Dr. Martin Wulf
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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