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Steuerfalle „Eigenheim“

Eigenheime, dh. zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnungen oder Häuser, sind seit jeher Gegenstand von An- und Verkauf. Die Motive hierfür sind unterschiedlich. Eigentümer ziehen um, werden geschieden, sterben oder möchten eine Wertsteigerung realisieren.

Werden im Privatvermögen gehaltene Immobilien verkauft, greift grundsätzlich die zehnjährige Spekulationsfrist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG. Für Eigenheime gibt es, erfreulicherweise in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG eine Rückausnahme von dieser Steuerpflicht: Danach sind von der Spekulationsbesteuerung solche Immobilien ausgenommen, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.

Ausgehend von dieser Rückausnahme hat sich bei Mandanten zuweilen die Wahrnehmung verfestigt, zu eigenen Wohnzwecken genutzte Immobilien könnten stets einkommensteuerfrei veräußert werden. Tatsächlich existiert eine Vielzahl von Gefahren, die zu einer teilweisen oder auch vollständigen Versteuerung führen können:

1. Risiko: Drittnutzung

Die steuerfreie Veräußerung eines Eigenheims kann entfallen, wenn die Wohnung nicht nur dem Steuerpflichtigen als Wohnung dient, sondern (auch) von einem Dritten zu Wohnzwecken genutzt wird und der Steuerpflichtige sich dort nur gelegentlich besuchsweise aufhält (BFH vom 29.5.2018 IX B 106/17, BFH/NV 2018, 951).

Risiken drohen auch in Fällen, in denen neben dem Steuerpflichtigen weitere Personen im Haushalt leben.

Beispiel: Das von der Familie A zu Wohnzwecken genutzte Eigenheim steht im Bruchteilseigentum der beiden Eheleute A. Zugleich leben in dem Haus die beiden minderjährigen Kinder und seit mehreren Jahren die Mutter der Frau A. 

Die Wohnnutzung durch die Mutter kann die Voraussetzung für die Befreiung von der Spekulationsfrist entfallen lassen. Allerdings wird das regelmäßig nicht der Fall sein. Wie so oft kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Unschädlich dürfte nach Ansicht der Finanzverwaltung und des BFH ein „gemeinsames“ Bewohnen sein. Das setzt voraus, dass der Steuerpflichtige im vorstehenden Beispiel die Mutter in die Wohnung aufnimmt, die Räume selbst mitbenutzt und ihm die Räume ständig zur Verfügung stehen (BFH vom 27.6.2017 IX R 37/16, BStBl. II 2017, 1192 unter Verweis auf die Rechtsprechung zu § 10e EStG, zB BFH vom 23.7.1997 X R 143/94, BFH/NV 1998, 160; BMF-Schreiben vom 5.10.2000 IV C 3-S 2256-263/00, BStBl. I 2000, 1383, Rz. 22). 

Anders dürfte der Sachverhalt zu bewerten sein, wenn die Mutter im vorstehenden Beispiel in einem abgetrennten Wohnbereich lebt. Jedenfalls die Nutzung einer eigenen Wohnung im Sinne des BewG (bauliche Abgrenzung, selbständiger Zugang, Küche, Bad, Toilette, Wohnfläche von mindestens 23 m², vgl. § 181 Abs. 9 BewG) wäre schädlich (FG Berlin-Brandenburg vom 15.2.2018 4 K 4295/16, EFG 2018, 834). Bei einer solchen, auch baulichen, Abgrenzung wären die Wohneinheiten in einen steuerbefreiten und einen nicht befreiten Teil zu trennen (so im Falle eines Haupt- und eines Nebengebäudes BFH vom 3.9.2019 IX R 8/18, BStBl. II 2020, 122).

Abwandlung: Nicht die Mutter, sondern ein guter Freund des Herrn A, der seit zwei Jahren in Trennung lebt, nutzt das Haus mit. Ihm ist für diesen Zeitraum von zwei Jahren hierzu dauerhaft ein eigenes Zimmer überlassen. Eine Miete zahlt er nicht. 

Auch in diesen Fällen gilt das Vorstehende. Weder BFH noch Finanzverwaltung differenzieren zwischen Angehörigen und Dritten (vgl. BMF-Schreiben vom 5.10.2000 IV C 3-S 2256-263/00, BStBl. I 2000, 1383, Rz. 22; BFH 27.6.2017 IX R 37/16, BStBl. II 2017, 1192). Explizit ist aus Sicht der Finanzverwaltung die teilweise, unentgeltliche Überlassung der Wohnung an einen Dritten jedenfalls solange unschädlich, wie die dem Steuerpflichtigen selbst zur Verfügung stehenden Räume noch den Wohnungsbegriff erfüllen und die Führung eines selbständigen Haushalts ermöglichen (BMF-Schreiben vom 5.10.2000 IV C 3-S 2256-263/00, BStBl. I 2000, 1383, Rz. 22). Hinsichtlich des Wohnungsbegriffs, dürften die vorstehenden Kriterien des BewG herangezogen werden können.

 

2. Entwarnung: Ausschließlich eigengenutzte Zweit- und Ferienhäuser sind begünstigungsfähig

Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken iSd. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt auch für den Fall einer Zweit- oder Ferienwohnung vor (vgl. hierzu BFH vom 27.6.2017 IX R 37/16, BStBl. 2017 II, 1192; vom 29.5.2018 IX B 106/17, BFH/NV 2018, 951).

Auch hier gilt, dass die Begünstigung nur dann greift, wenn die Zweit- und Ferienwohnung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken durch die Eigentümer genutzt wird. Werden beispielsweise Freunde und Verwandte ebenfalls zur unentgeltlichen oder entgeltlichen Nutzung berechtigt, unterliegt die Immobilie der normalen Spekulationsbesteuerung.

 

3. Scheidungsfalle: Getrenntes Leben vor Veräußerung 

„Brandgefährlich“ können scheidungsbedingte Trennungsfälle sein. Mit einem solchen Sachverhalt hatte sich das FG München (Urteil vom 11.3.2021 11 K 2405/19, EFG 2021, 1625) auseinanderzusetzen. Die Eheleute hatten ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Einfamilienhaus Ende 2008 zu Bruchteilseigentum hälftig erworben. Seit Mitte 2015 lebten die Eheleute endgültig getrennt. Der Ehemann zog aus dem gemeinsamen Einfamilienhaus ebenfalls Mitte 2015 endgültig aus. Im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung übertrug der Mann nun zwei Jahre später, Mitte 2017, seinen hälftigen Miteigentumsanteil an die Ehefrau vollentgeltlich. 

Das Finanzgericht entschied

Zieht ein Steuerpflichtiger trennungsbedingt aus dem Familienheim aus und bewohnen die (später geschiedene) Ehefrau und das gemeinsame neunjährige Kind das Einfamilienhaus alleine weiter, so kann der Steuerpflichtige nicht mit Erfolg vortragen, nach seinem Auszug habe eine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ iSd. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG deswegen vorgelegen, weil er seinen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Einfamilienhaus seinem neunjährigen Kind zur alleinigen Nutzung überlassen habe (FG München vom 11.3.2021 11 K 2405/19, EFG 2021, 1625). 

Der hieraus erzielte Überschuss war daher nach der Entscheidung des FG steuerpflichtig und unterfiel der Spekulationsbesteuerung. Das Revisionsverfahren hierzu ist anhängig (BFH IX R 11/21).

 

4. Risiko: Großer Garten

Grundsätzlich ist, sofern ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Gebäude vorliegt, auch eine für die entsprechende Gebäudenutzung erforderliche und ggfs. übliche anteilige Grund- und Bodenfläche von der Begünstigung umfasst; hingegen soll dies nicht für ein unbebautes, bislang als Garten eines benachbarten Wohngrundstück genutztes Grundstück gelten, sofern dieses unbebaute Grundstück veräußert wird, ohne dass der Steuerpflichtige seine Wohnung aufgibt (BFH vom 25.5.2011 IX R 48/10, BStBl 2011 II, 868). Ebenso gefährlich sind „überdimensionierte“ Gärten, insbesondere dann, wenn Flächen parzelliert oder parzellierbar sind und zukünftig zur Errichtung eines Gebäudes genutzt werden könnten. 

 

5. Entwarnung: Arbeitszimmer bei den privaten Überschusseinkünften

Wird eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Eigentumswohnung innerhalb der zehnjährigen Haltefrist veräußert, ist der Veräußerungsgewinn auch insoweit gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen, als er auf ein zur Erzielung von Überschusseinkünften genutztes häusliches Arbeitszimmer entfällt (BFH vom 1.3.2021 IX R 27/19, BStBl. II 2021, 680). Hiermit stellt sich der BFH ausdrücklich gegen die Ansicht der Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben vom 5.10.2000 IV C 3-S 2256-263/00, BStBl. I 2000, 1383, Rz. 21).

 

6. Risiko: Arbeitszimmer als Betriebsvermögen

Es bleibt hingegen das Risiko, wenn ein Arbeitszimmer wesentlich im Rahmen von Gewinneinkünften (insbesondere: Gewerbliche Einkünfte, Freiberufliche Einkünfte) genutzt wird. Dann kann das Arbeitszimmer als notwendiges Betriebsvermögen dauerhaft steuerverstrickt sein. Der auf das Arbeitszimmer anteilig entfallende Veräußerungsgewinn ist dann selbst nach Ablauf der Zehn-Jahresfrist steuerpflichtig. Zusätzlich kann die Gefahr der Begründung einer Betriebsaufspaltung bestehen. 

 

7. Risiko: Unbedingte Weiterveräußerungswille bereits bei Anschaffung

Gefährlich kann es für die Steuerbefreiung schließlich sein, wenn bereits bei Anschaffung des zu eigenen Wohnzwecken genutzten Hauses der Wille erkennbar wird, dass zeitnah, ggf. unter Generierung eines entsprechenden Gewinns, weiterverkauft wird.

Beispiel: Der handwerklich begabte A hat folgendes Lebensmodell: In einem Zyklus von zwei bis drei Jahren schafft er jeweils ein Eigenheim an und bezieht dieses Eigenheim. Er verwendet dann in den folgenden eineinhalb Jahren seine Arbeitskraft auf die Renovierung und den Ausbau der Immobilie, um diese dann, mit entsprechender Wertsteigerung, weiterverkaufen zu können.

Diese Vorgehensweise hat A innerhalb der letzten 10 Jahre bereits bei drei Objekten verwirklicht. 

Für diesen Fall sprechen Argumente für die Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels. A wird nachhaltig am Markt tätig. Seine Tätigkeit richtet sich darauf, einen Gewinn aus der Umschichtung seines Vermögens, konkret aus dem An- und Verkauf von Immobilien zu generieren. Obgleich die Drei-Objekt-Grenze im Beispielsfall nicht überschritten ist, dürften Anhaltspunkte für die Annahme eines unbedingten Weiterveräußerungswillens bereits im Zeitpunkt der Anschaffung der Immobilien erkennbar werden.
 

Dr. Markus Wollweber
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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