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Steuerfalle Eigenheim

Wann liegt eine selbstgenutzte Wohnimmobilie vor?

Der BFH hat in der vergangenen Woche drei Entscheidungen zum Tatbestandsmerkmal „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ veröffentlicht, die

1. erwartbar (BFH vom 14.11.2023 IX R 13/23),
2. diskussionswürdig (BFH vom 14.11.2023 IX R 10/22) und 
3. überraschend (BFH vom 26.9.2023 IX R 14/22)

waren.

Den entschiedenen Fallgestaltungen ist gemein, dass Grundstücke innerhalb der 10-Jahresfrist angeschafft und veräußert wurden, die Steuerpflichtigen jedoch davon ausgingen, dass es sich um selbstgenutzte Wohnimmobilien handele und die Veräußerung daher nicht steuerbar sei. Letzteres bezieht sich auf § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Danach ist die Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden, nicht steuerbar.

 

1. Nutzungsüberlassung an die (Schwieger-)Mutter

Die erste Entscheidung des BFH vom 14.11.2023 (IX R 13/23) ist nachvollziehbar und reiht sich in die bisherige Rechtsprechung ein. Der Entscheidung lag folgender vereinfachter Sachverhalt zugrunde:
Eheleute hielten eine Wohnung in hälftigem Miteigentum und überließen diese seit der Fertigstellung unentgeltlich an die Mutter der Ehefrau. Nach deren Tod veräußerten sie die Wohnung. Die Eheleute gingen davon aus, dass die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch dann vorliege, wenn eine Wohnung durch Familienangehörige genutzt werde.
Der BFH folgte der Sichtweise der Steuerpflichtigen nicht. Zwar gelte die Überlassung einer Wohnung an ein einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigendes Kind als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, dies gelte jedoch nicht für sonstige Familienangehörige. Die Überlassung an die (Schwieger-)Mutter ist mithin nicht begünstigt.

 

2. Nutzungsüberlassung an Kind oder Kindsmutter

Das zweite Urteil vom 14.11.2023 (IX R 10/22) ist ebenfalls nachvollziehbar, der Sachverhalt bietet jedoch Raum für Diskussionen. Folgender vereinfachter Sachverhalt:
Im Rahmen einer Vermögensauseinandersetzung in Folge einer Scheidung wurde dem Steuerpflichtigen das Alleineigentum an einer Immobilie übertragen. Durch eine Scheidungsfolgenvereinbarung wurde der betreuenden Kindsmutter ein unentgeltliches Wohnrecht bis zum Ende des Jahres eingeräumt, in welchem das betreute Kind die Volljährigkeit erreichte. Der Steuerpflichtige lebte in der Vorstellung, dass diese Gestaltung im Interesse des Kindes gewählt worden sei und deshalb eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vorgelegen habe.
Der BFH entschied anders. Er verwies auf sein Urteil vom 14.2.2023 (IX R 11/21, BStBl. II 2023, 642), danach liege keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor, wenn eine Nutzungsüberlassung an den geschiedenen Ehegatten erfolge, selbst wenn dort (auch) ein unterhaltsberechtigtes Kind wohnt. Diese Sichtweise ergab sich im Februarurteil auch aus der Tatsache, dass es keine Scheidungsfolgenvereinbarung oder ähnliche Abrede zwischen den Kindseltern gab, sondern das Kind gleichsam zufällig bei der geschiedenen Ehefrau wohnte. Mit dieser Begründung war die Februar-Entscheidung durchaus nachvollziehbar.
Fraglich ist jedoch, ob der Sachverhalt aus der neuen Entscheidung damit vergleichbar ist. Im aktuellen Fall schien doch die Überlassung der Immobilie an das unterhaltsberechtigte Kind im Vordergrund zu stehen, weshalb die Veräußerung der Immobilie erst erfolgte, nachdem es das 18. Lebensjahr vollendete. Man könnte somit auch argumentieren, dass das unterhaltsberechtigte Kind die Immobilie nutzte und die „Mitnutzung“ der Kindsmutter unschädlich sein müsste.

 

3. Abtrennung und Veräußerung eines unbebauten Teils eines Wohngrundstücks

Die dritte Entscheidung (BFH vom 26.9.2023 IX R 14/22) überrascht, da sich der BFH über den Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG hinwegsetzt. Der Entscheidung lag dieser vereinfachte Sachverhalt zugrunde:

Die Steuerpflichtigen bewohnten ein mit einem Wohngebäude bebautes Grundstück. Von diesem Grundstück teilten sie einen Teil ab und veräußerten diesen noch im Jahr der Teilung. Unstreitig hatten die Steuerpflichtigen das gesamte Grundstück in dem Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt.
Der BFH sieht in der Teilung des Grundstücks eine Zäsur. Er weist darauf hin, dass begrifflich nur Wohngebäude zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden können, die gesetzliche Regelung sich jedoch auch auf das übrige Grundstück beziehe, soweit ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang bestehe. Durch die Teilung des Grundstücks in einen bebauten und einen unbebauten Teil sei dieser Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen der Nutzung des Gebäudes und der Nutzung des Grundstücks entfallen und im Zeitpunkt der Veräußerung, die erst nach der Teilung erfolgte, ein unbebautes (und nicht selbst bewohntes) Grundstück verkauft worden. 
Im Hinblick auf den Wortlaut überzeugt diese Begründung uE nicht. Auch wenn durch die Teilung der Nutzungs- und Funktionszusammenhang entfällt, bleibt der Wortlaut des Gesetzes maßgeblich. Im Jahr der Teilung und Veräußerung sowie in den beiden vorangegangen Jahren hatten die Steuerpflichtigen das gesamte Wohngrundstück selbst zu Wohnzwecken genutzt und damit die Voraussetzungen der Begünstigung erfüllt. Die vom BFH konstruierte Gegenausnahme ist im Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen.

 

4. Ausblick

Die Veräußerung von Wohnimmobilien bleibt streitanfällig (siehe auch unseren Newsletter vom 2.5.2022 „Steuerfalle Eigenheim“ und den Steuerblog vom 26.1.2024). Insbesondere der letzte Fall verdeutlicht, dass Überraschungen in der Gesetzesauslegung lauern, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind. Diese Fallgestaltung wird auch zukünftig noch relevant bleiben. Gerade in städtischen Gebieten, in denen der Wohnraum knapp und Bauland begehrt ist. Dort bietet es sich an, größere Grundstücke zu teilen. Bei einem flüchtigen Blick ins Gesetz kann man so in die „Steuerfalle“ tappen.
Wir stehen Ihnen bei der Planung des Verkaufs einer eigenen Immobilie oder der Immobilien Ihrer Mandanten gerne beratend zur Seite. Sollte bereits ein Besteuerungsverfahren eingeleitet sein, streiten wir gerne für Sie und Ihre Mandanten. Die Fallgestaltungen sind mannigfaltig und die Diskussionen noch nicht abschließend geführt!
 

Dr. Martin Wulf
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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