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Neues zu CumEx

Entscheidung des FG Hessen nährt Zweifel an der Konstruktion der herrschenden Meinung

Das FG Hessen als das für den Börsenplatz Frankfurt zuständige Finanzgericht hat in der Vergangenheit bereits durch einige Entscheidungen zu sog. Cum/Ex-Geschäften die Entwicklung der Rechtsprechung maßgeblich beeinflusst. In dem jüngst veröffentlichten Beschluss vom 26.7.2023 beschäftigt sich das Gericht eingehend mit Aktienerwerben, die über die Börse unter Zwischenschaltung eines zentralen Kontrahenten getätigt wurden. Die Entscheidung ist bemerkenswert, da sie sehr deutlich die logischen Brüche in der Argumentation des Gerichts und damit die Unzulänglichen der Konstruktion erkennen lässt, auf die sich die herrschende Meinung bislang stützt.

 

I. Sachverhalt

Die Antragstellerin, ein Finanzunternehmen in der Rechtsform einer GmbH, erwarb in der Dividendensaison 2011 wiederholt Aktien über den Dividendenstichtag. Die Transaktionen erfolgten an der Börse unter Einsatz des zentralen Kontrahenten. Unter Vorlage entsprechender Steuerbescheinigungen ihrer Depotbank begehrte die Antragstellerin in der Körperschaftsteuererklärung 2011 die Anrechnung der Kapitalertragsteuer, die antragsgemäß gewährt wurde.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung legte das Finanzamt stichprobenweise Anhaltspunkte dafür dar, dass die Geschäfte allein deshalb getätigt worden seien, um durch die Anrechnung der zuvor nicht abgeführten Kapitalertragsteuer wirtschaftliche Vorteile zu erlangen. Neben weiteren Indizien verwies das Finanzamt darauf, dass die in eine sog. GUTS-Strategie eingebetteten Geschäfte einerseits marktrisikobefreit und andererseits ohne den Vorteil einer doppelten Kapitalertragsteuererstattung wirtschaftlich sinnlos seien. Auf entsprechenden Antrag stellte das Finanzamt per Abrechnungsbescheid fest, dass die Kapitalertragsteuer nicht anzurechnen sei und ein entsprechender Rückforderungsanspruch des Fiskus bestehe. Daraufhin wandte sich die Antragsstellerin im einstweiligen Rechtsschutz an das FG Hessen.

 

II. Entscheidungsgründe

Dieses sah die Voraussetzungen für die Anrechnung der Kapitalertragssteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG iVm. § 8 Abs. 1 KStG als nicht gegeben an und folgte damit der Argumentation des Finanzamts. Die beantragte AdV wurde versagt, allerdings ließ das FG die Beschwerde zu, so dass das Verfahren jetzt dem BFH zur Entscheidung vorliegt (Az. VIII B 121/23).

Das Finanzgericht stützt seine Entscheidung auf die steuerliche Feststellungslast. Die Kernaussage der Begründung lautet: „Im Kern scheitert die Anrechnung vorliegend jedoch daran, dass die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht hat, dass die Kapitalertragsteuer einbehalten worden ist.“

Nach Auffassung des FG könne nicht auf den Einbehalt der Kapitalertragsteuer durch den Emittenten abgestellt werden, da der Erwerber im Falle eines Cum/Ex-Geschäftes keine Dividenden, sondern eine Dividendenkompensationszahlung erhalte. Ein zwar vor dem Dividendenstichtag erwerbender, aber erst nach diesem belieferter Handelsteilnehmer könne mangels wirtschaftlichen Eigentums zum Ausschüttungszeitpunkt nicht als Gläubiger der eigentlichen Dividende angesehen werden (in diesem Sinne auch BFH vom 2.2.2022 I R 22/20, BStBl II 2022, 324).

In Betracht komme nur die Anrechnung der Kapitalertragsteuer aus dem Bezug der Dividendenkompensationszahlung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG. Nach Auffassung des FG setzt dies aber voraus, dass für diese Zahlung ein Steuereinbehalt durch die Depotbank des Aktienveräußerers nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG aF stattgefunden hat. Die diesbezügliche Feststellungslast obliege dem die Anrechnung begehrenden Aktienkäufer. Sie entfalle auch im Streitfall nicht etwa deshalb, weil die Geschäfte anonym über die Börse getätigt wurden.

Dies klingt zunächst überzeugend – stellt sich aber als ein Trick heraus, wenn man hinter die Kulisse schaut und sieht, dass es objektiv (unzweifelhaft) niemandem möglich ist, diesen Beweis zu erbringen. Das FG selbst hebt dies wenige Rz. nach seiner eben zitierten Kernaussage hervor und verweist zur Begründung (zutreffend) auf die Struktur von Börsengeschäften bei der Abwicklung über den zentralen Kontrahenten:

„Das ist hier bereits deshalb augenfällig, weil die G als ausstellende Depotbank aufgrund der Anonymität der Börsengeschäfte in der Regel nicht überprüfen kann, ob die Depotbank des Veräußerers tatsächlich die Kapitalertragsteuer einbehalten hat.“

Im Ergebnis versagt das FG der Antragstellerin die Anrechnung der Kapitalertragsteuer unter Hinweis auf den fehlenden „Beweis“ einer Tatsache, von der das FG selbst annimmt, dass sie von niemandem bewiesen werden kann.

 

III. Ergebnis

Man mag das Ergebnis teilen und zu Lasten des Fiskus vorgenommene Cum/Ex-Leerverkaufsgestaltungen als unmoralisch einstufen. Gerichte, die über diese Frage urteilen, müssen das Ergebnis aber aus dem Gesetz ableiten können. Die Entscheidung des FG zeigt, dass es bislang nicht gelungen ist, hierfür eine Argumentation zu entwickeln, die ohne logische Brüche auskommt.

Dr. Martin Wulf
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Dr. Jonas Joosten
Rechtsanwalt
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