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OnlyFans und Steuern: Worauf Models und Berater achten sollten!

Die Besteuerung von Influencern ist schon vor einiger Zeit in das Blickfeld der Finanzverwaltung gerückt (siehe unseren Blogbeitrag vom 5.1.2021). Spätestens seit der Fenix-Entscheidung des EuGH (vom 28.2.2023 C-695/20) geraten auch speziell OnlyFans-Models und ihre Marketing-Berater (Agenturen) verstärkt in den Fokus der Finanzbehörden. Damit die OnlyFans-Karriere nicht zum steuer-(straf-)rechtlichen Malheur gerät, sollten Models und Agenturbetreiber Sensibilität für bestimmte steuerliche Punkte entwickeln, auf die wir in diesem Newsletter hinweisen.

 

1. Wie funktioniert OnlyFans?

OnlyFans ist eine Internetplattform, die von der in Großbritannien ansässigen Fenix International Ltd. (Fenix) betrieben wird. Models können dort Bilder und Videos (Content) von sich hochladen, häufig mit erotischen Inhalten. Abonnenten können diese Inhalte weltweit kostenpflichtig abrufen. Daneben gibt es weitere kostenpflichtige Funktionen, zB die Möglichkeit mit dem Model zu chatten.

Fenix stellt nicht nur die Plattform zur Verfügung, sondern kümmert sich auch um den Einzug der Zahlungen der Abonnenten und die Auszahlung an die Models. Von den Zahlungen leitet Fenix 80 % an die Models weiter, 20 % behält Fenix als Gebühr ein.  

In die Vermarktung des Models bzw. ihres OnlyFans-Kanals sind häufig Beratungsagenturen eingebunden. Deren Tätigkeit besteht im Kern darin, die Reichweite des Models bzw. ihres OnlyFans-Kanals in den sozialen Medien zu erhöhen. In manchen Konstellationen erbringen die Agenturen darüber hinaus weitere Leistungen, zB das Verfassen von „Drehbüchern“ zu den Clips. Die Vergütung der Agenten beträgt in der Regel einen bestimmten Prozentsatz vom monatlichen Umsatz des Models.

 

2. Muss ich als Model im Inland Einkommensteuer bezahlen?

Hat das Model seinen Wohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) im Inland, ist es hier mit seinem Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG) – grundsätzlich also auch mit den OnlyFans-Einnahmen.

Nicht selten erliegen Models dem Irrtum, mit einer Abmeldung des (melderechtlichen) Wohnsitzes bei der Meldebehörde könne man der unbeschränkten Steuerpflicht entgehen. Dies kann leicht zur Steuerfalle werden, denn für den (steuerrechtlichen) Wohnsitz kommt es nicht auf die behördliche Abmeldung, sondern die tatsächlichen Verhältnisse an (vgl. BFH vom 14.11.1969 III R 95/68, BStBl. II 1970, 153). Entscheidend ist, ob im Inland eine – ggf. auch nur bescheidene – Bleibe vorhanden ist, die dem Steuerpflichtigen jederzeit für Wohnzwecke zur Verfügung steht. Das (ehemalige) Kinderzimmer kann hierfür unter Umständen ausreichen. Pauschal lässt sich das nicht beantworten (zur umfangreichen Kasuistik siehe GERSCH in Klein, AO, 17. Aufl., 2023, § 8 Rz. 15 ff.). Entscheidend ist immer der konkrete Einzelfall. Die Grenzen sind meist fließend und zwischen Finanzamt und Steuerpflichtigem oft streitig.

Vorsicht ist auch geboten, wenn das Model den inländischen Wohnsitz tatsächlich aufgibt und im niedrig besteuerten Ausland ansässig wird. Dann muss im Einzelfall geprüft werden, ob die sog. erweiterte beschränkte Steuerpflicht zur Anwendung kommt (§ 2 AStG). Relevant wird das vor allem dort, wo mit dem Zielstaat kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht. Das ist etwa bei Dubai (Vereinige Arabische Emirate), einem sehr beliebten Ziel für Influencer, der Fall: Das Doppelbesteuerungsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ist zum 31.12.2021 ausgelaufen. Dann ist weiter zu prüfen, ob nach dem Wegzug weiterhin wirtschaftliche Interessen im Inland bestehen. Ist dies zu bejahen, können für einen Zeitraum von zehn Jahren die ausländischen Einkünfte in die inländische Bemessungsgrundlage einbezogen und der Steuersatz unter Zugrundelegung des relevanten Welteinkommens ermittelt werden (Progressionsvorbehalt).

Fehlt es im Inland an einem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt und kommt auch die erweitert beschränkte Steuerpflicht nicht zur Anwendung, kann gleichwohl eine beschränkte Steuerpflicht im Inland bestehen. § 49 Abs. 1 EStG unterwirft bestimmte Einnahmequellen, die im Inland unter die Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) oder selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG) fallen, der beschränkten Steuerpflicht. Das gilt zB, wenn im Inland eine feste Einrichtung bzw. Betriebsstätte unterhalten wird oder die Tätigkeit als künstlerische, unterhaltende oder ähnliche Darbietung einzuordnen ist, die (zeitweise) im Inland ausgeübt oder verwertet wird. Hier sind noch viele Fragen offen, ua. ob die Inhalte auf dem OnlyFans-Kanal ggf. als künstlerische Darbietung eingestuft werden können.   

 

3.  Muss ich als Model auf die Gutschriften von OnlyFans Umsatzsteuer bezahlen?

Dazu müsste das Model zunächst als Unternehmer iSd. § 2 Abs. 1 UStG anzusehen sein. Diese Schwelle ist regelmäßig niedrig. Verkürzt gesagt reicht hier aus, dass die Tätigkeit mit Wiederholungs- und Einnahmenerzielungsabsicht ausgeübt wird.

Soweit nach diesen Kriterien die Unternehmereigenschaft des Models zu bejahen ist, ist weiter zu fragen, wem gegenüber das Model eine Leistung erbringt. Danach richtet sich der Leistungsort und damit die Frage, wer die Umsatzsteuer schuldet. Der EuGH geht in seiner Fenix-Entscheidung vom 28.3.2023 von einer Leistungskommission aus. Das heißt, die Models erbringen eine B2B-Dienstleistung gegenüber Fenix (§ 3a Abs. 2 UStG). Fenix wiederum erbringt eine Dienstleistung gegenüber den Abonnenten. Dies führt dazu, dass Models aus Kontinentaleuropa in der Regel ohne Umsatzsteuer ggü. Fenix abrechnen und sich in der Vergangenheit gezahlte Umsatzsteuer ggf. erstatten lassen können. Die EuGH-Vorgaben sollten allerdings nicht unkritisch übernommen werden. Im Einzelfall ist stets zu prüfen, welche Leistungen konkret in Rede stehen und wie diese vertraglich ausgestaltet sind.

Ergänzung: Zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Online-Veranstaltungsdienstleistungen im Verhältnis B2C hat das BMF mit Schreiben vom 29.4.2024 kürzlich Stellung genommen.

Für Fenix führt die EuGH-Entscheidung zu weitreichenden Deklarations- und Aufzeichnungspflichten. Die Geschäftsbesorgungs- bzw. Vermittlungsleistung an die Models wird umsatzsteuerlich negiert. Erbringt Fenix elektronisch Dienstleistungen an den Abonnenten, so richtet sich der Leistungsort nach dem jeweiligen Wohnsitz des Abonnenten, wenn dieser eine Privatperson ist.    

 

4. Muss ich als Agenturbetreiber im Inland Einkommensteuer bezahlen?

Hier gilt im Prinzip das gleiche wie bei den Models (oben 2.). Üben die Agenturbetreiber ihre Tätigkeit als Einzel- oder Mitunternehmer aus und haben sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, unterliegen die Einnahmen in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht. 

Häufig treten Agenten unter Einschaltung einer ausländischen Gesellschaft auf. Beliebt ist die US-amerikanischen Limited Liability Company (LLC), weil sei vergleichsweise einfach gegründet werden kann und die gesellschaftsrechtlichen Charakteristika einer US-Kapitalgesellschaft (Corporation) mit denen einer US-Personengesellschaft (Partnership) verbindet. Hauptanreiz dürfte hier vielfach der Ausschluss der persönlichen Haftung der Gesellschafter sein.

Nach US-Steuerrecht besteht ein Wahlrecht, ob die LLC als Corporation oder als Partnership besteuert werden soll. Für das deutsche Steuerrecht ist dieses Wahlrecht allerdings nicht bindend. Da es die Rechtsform der LLC im deutschen Gesellschaftsrecht nicht gibt, erfolgt die steuerliche Einordnung in Deutschland anhand eines Rechtstypenvergleichs, abhängig von der konkreten gesellschaftsvertraglichen Ausgestaltung und deren tatsächlicher Durchführung. Eine häufige Steuerfalle besteht hier darin, dass die Geschäftsführung durch Geschäftsleitungsorgane erfolgt, die ihren Wohnort nicht im Sitz-Staat der LLC haben, sondern zB im Inland. Dann besteht das Risiko, dass im Inland eine Geschäftsleiterbetriebsstätte begründet oder gar der Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) nach Deutschland verlagert wird. Konsequenz: Die Gesellschaft unterliegt als sog. doppelansässige Gesellschaft im Inland der unbeschränkten Steuerpflicht.

 

5. Unterliegen die Agenturvergütungen der Umsatzsteuer?

Die Fenix-Rechtsprechung des EuGH (oben 3.) gilt hier nicht. Ob im Inland Umsatzsteuer anfällt und wer sie schuldet, hängt ua. davon ab, wo die Leistung erbracht wird bzw. wo Models und Agenturen ihren Sitz haben. Ein paar typische Fallkonstellationen lassen sich wie folgt skizzieren:

  • Hat die Agentur ihren Sitz in einem EU-Mitgliedsstaat, kommt in der Regel das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung, wenn das Model seinen Sitz im Inland hat (§ 13b Abs. 1 UStG). Dann ist das Model als Leistungsempfänger verpflichtet, die Umsatzsteuer anzumelden. Gleichzeitig ist die Umsatzsteuer als Vorsteuer abzugsfähig (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG).
  • Gleiches gilt, wenn die Agentur ihren Sitz in einem Drittland hat (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 UStG).
  • Hat die Agentur ihren Sitz im Inland, kommt das Reverse-Charge-Verfahren nicht zur Anwendung; dann schuldet die Agentur die Umsatzsteuer.

Das Vorstehende lässt sich jedoch nicht verallgemeinern. Maßgeblich ist auch hier stets die Betrachtung der konkreten Leistung und der vertraglichen Regelungen.      

 

6. Kann ich mich wegen Steuerhinterziehung strafbar machen?

Models und Agenturbetreiber sind meist sehr jung und in steuerlichen Angelegenheiten oft unerfahren. Das schützt aber nicht automatisch vor Strafe, wenn die OnlyFans-Einnahmen nicht oder nicht vollständig erklärt werden. Dann kann eine Steuerhinterziehung vorliegen (§ 370 AO).

Kommt es zu einem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren, ist die Anwendbarkeit von Jugendstrafrecht zu prüfen. Das Jugendstrafrecht ist vom Erziehungsgedanken geprägt. Abweichend vom allgemeinen Erwachsenenstrafrecht sieht das Jugendstrafrecht anstelle von Geld- und Freiheitsstrafen besondere Rechtsfolgen vor, zB Weisungen, Verwarnungen, Auflagen und Arrest. In schweren Fällen ist aber auch die Verhängung einer Jugendstrafe zulässig.  Primär kommt Jugendstrafrecht bei Jugendlichen, also Personen zwischen 14 und 18 Jahren, zur Anwendung (§ 1 Abs. 2 JGG). Der Anwendungsbereich kann allerdings auf Heranwachsende, also Personen zwischen 18 und 21 Jahren, erweitert werden, wenn der Täter bei Tatbegehung nach seiner sittlichen oder geistigen Entwicklung einem Jugendlichen gleichstand oder es sich um eine (typische) Jugendverfehlung handelt (§ 105 JGG). Werden Straftaten sowohl vor als auch nach Vollendung des 21. Lebensjahres begangen, kommt es für die Anwendung von Jugendstrafrecht darauf an, ob das Schwergewicht bei den Taten liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen wären (§ 32 JGG).

Sofern allgemeines Strafrecht Anwendung findet, orientieren sich Art und Höhe der Strafe vornehmlich an der Höhe der Steuerverkürzung. Als Faustformel gilt: Je höher der Hinterziehungsbetrag, desto höher die Strafe. Der BGH hat hier einige Schwellen vorgegeben (BGH vom 2.12.2008 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 84 ff.):

  • Bei einem Hinterziehungsbetrag von mehr als € 100.000,-- soll nach Ansicht des BGH in der Regel eine Freiheitsstrafe verhängt werden, die zur Bewährung auszusetzen ist. In der Praxis kommt es in diesem Bereich oft zu einer Kombination aus Geld- und Freiheitsstrafe zur Bewährung.
  • Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe zieht der BGH eine Bewährungsstrafe nur noch bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe in Betracht. Die Praxis zeigt, dass in einzelnen Fällen aber auch schon bei Hinterziehungsbeträgen von weniger als € 1 Mio. Vollzugsstrafen verhängt werden.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann durch eine strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 AO) eine Bestrafung verhindert werden. Die Hürden sind hoch. Eine wirksame Selbstanzeige setzt nicht nur voraus, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraums alle Angaben vollständig korrigiert werden. Es dürfen auch keine Sperrgründe vorliegen. Zu den Sperrgründen gehören ua. die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung, die Entdeckung der Tat (auch durch Dritte möglich) oder die Bekanntgabe eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens.

Vor diesem Hintergrund sollten Models und Berater prüfen, ob ggf. steuer-(straf-)rechtlicher Handlungsbedarf besteht. Unsere Fachanwälte für Steuerrecht beraten Sie hier gerne.   

Michael Görlich
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Counsel
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