Zehnt – der Steuerblog

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Unterschreiten der Mindestlohnsumme nach § 13a Abs. 3 ErbStG durch Kurzarbeit in Corona-Zeiten?

Die Corona-Pandemie führt zur Lockerung der Anforderungen an die Genehmigung von Kurzarbeit. Dies erscheint auf den ersten Blick als ein probates Mittel zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens. Die Kurzarbeit kann jedoch sowohl für abgeschlossene als auch für anstehende Unternehmensnachfolgen erbschaftsteuerliche Probleme hervorrufen.

I. Lohnsummenregelung des § 13a Abs. 3 ErbStG

Der Gesetzgeber sieht in den § 13a Abs. 1, Abs. 10 einen Verschonungsabschlag für begünstigtes (Betriebs-) Vermögen von bis zu 85 % (Regelverschonung) oder 100% (Vollverschonung) vor. Er knüpft dies ua. an die Einhaltung der Mindestlohnsumme nach § 13a Abs. 3 ErbStG.

Danach wird ein Vergleich der gezahlten Vergütungen an Beschäftigte vor und nach dem Erbfall bzw. der Schenkung vorgenommen. Die Steuerbefreiung entfällt rückwirkend anteilig, wenn im Falle der Regelverschonung die Lohnsumme nach fünf Jahren die Grenze von kumuliert 400 % der Ausgangslohnsumme unterschreitet (Mindestlohn¬summe; § 13a Abs. 3 Satz 1 ErbStG). Um die Steuerbefreiung vollständig zu erhalten, muss die Lohnsumme der fünf Folgejahre mindestens 80 % (400/500) der Ausgangs¬lohnsumme betragen. Im Falle der Vollverschonung muss verschärft in 7 Jahren die Mindestlohnsumme 700 % betragen (§ 13a Abs. 10 Satz 1 Nr. 3 ErbStG).

Befreiungen vom Erfordernis der Lohnsummenfortführung bestehen nach § 13a Abs. 3 Satz 3 ErbStG in den Fällen, in denen die Ausgangslohnsumme € 0,-- beträgt und bei Betrieben mit nicht mehr als fünf Beschäftigten. Erleichterungen gelten für Betriebe mit bis zu 15 Beschäftigten.

Die Ausgangslohnsumme ist dabei nach § 13a Abs. 3 Satz 2 ErbStG die durch-schnittliche Lohnsumme der letzten fünf Wirtschaftsjahre, die vor dem Übertragungs-zeitpunkt endeten. In die Lohnsumme werden nach § 13a Abs. 3 Satz 6 ErbStG grds. alle Vergütungen an Beschäftigte einbezogen.

II. Grundsätze zum Kurzarbeitergeld

Beantragt ein Betrieb für seine Mitarbeiter Kurzarbeitergeld, besteht die Gefahr, die nach den o.g. Grundsätzen erforderliche Mindestlohnsumme zu unterschreiten.

Kurzarbeit dient dazu, in Zeiten einer schwierigen Wirtschaftslage Entlassungen zu vermeiden (s. hierzu BIEBACK, in Gagel, SGB III, vor § 95 Rz. 7 (Okt. 2016)). Dabei kann die Arbeitszeit anteilig reduziert oder die Arbeit vollständig eingestellt werden. Da der Arbeitnehmer insofern von der Erbringung seiner Arbeitsleistung befreit wird, reduziert sich auch in entsprechendem Umfang sein Vergütungsanspruch. Das reduzierte Arbeits-entgelt kann durch das sog. Kurzarbeitergeld zumindest teilweise kompensiert werden. Umfangreiche Regelungen hierzu finden sich in den §§ 95 ff. SGB III. Aufgrund der Kurzarbeitergeldverordnung der Bundesregierung vom 25.3.2020 (BGBl. I 2020, 595) gelten befristet bis zum 31.12.2020, rückwirkend zum 1.3.2020, Erleichterungen zur Beantragung von Kurzarbeitergeld.

Nach § 105 SGB III beträgt das Kurzarbeitergeld für Personen, in deren Haushalt mindestens ein Kind lebt, 67 %, für alle übrigen 60 % des ausgefallenen pauschalierten Nettoentgelts.

Der Arbeitgeber ist gemäß § 99 Abs. 1 SGB III verpflichtet, der Bundesagentur für Arbeit den Arbeitsausfall anzuzeigen, und kann so Kurzarbeitergeld für seine Arbeitnehmer beantragen. Zwar schuldet die Bundesagentur für Arbeit nach der Gesetzeskonzeption dem Arbeitnehmer das Kurzarbeitergeld; zur Zahlung an den Arbeitnehmer bleibt jedoch weiterhin der Arbeitgeber verpflichtet (HLAVA, in Gagel, SGB III, § 320 Rz. 23 (Juni 2019)). Gemäß § 320 Abs. 1 SGB III berechnet er das Kurzarbeitergeld und zahlt es an die Arbeitnehmer aus. Die Zahlung wird ihm sodann von der Bundesagentur für Arbeit erstattet (zur Stellung des Arbeitnehmers als Verfahrens- bzw. Prozessstandschafter s. auch BSG vom 29.8.1974 7 RAr 17/72, BSGE 38, 94; BIEBACK, in Gagel, SGB III, § 95 Rz. 48 (Okt. 2016)). Wirtschaftlich gesehen wird der Arbeitgeber daher durch die Zahlung des Kurzarbeitergeldes nicht belastet.

III. Auswirkungen auf die Lohnsumme

1. Berücksichtigung des Kurzarbeitergelds als Teil der Lohnsumme

Für den Teil des ursprünglichen Lohns, der in der Kurzarbeitsphase nicht durch Kurzarbeitergeld kompensiert wird (also iHv. 40 % bzw. 33 %), liegt unzweifelhaft keine Vergütung vor, die als Lohnsumme nach § 13a Abs. 3 ErbStG zu berücksichtigen ist.

Fraglich ist das Schicksal des gezahlten Kurzarbeitergelds. Nach teilweiser Literuran¬sicht verbiete sich die Einbeziehung Kurzarbeitergeld in die Lohnsumme, da es den Arbeitgeber wirtschaftlich nicht belaste (so zB KOBLENZER, ErbStB 2010, 43, 46; STILLER, ZErb 2010, 133). Die Finanzverwaltung sieht dies anders. Schon zur aF des § 13a ErbStG (Koordinierte Ländererlasse, z.B. FinMin. Baden-Württemberg vom 24.9.2009 3, S 3812a/24, DStR 2009, 2255) und in den aktuellen Richtlinien (R E 13a.5 Satz 4 ErbStR 2019), vertritt hingegen die Finanzverwaltung folgende Auffassung: Die Erstattung des Kurzarbeitergelds durch die Bundesagentur für Arbeit dürfe aufgrund des Saldierungsverbots nach § 246 Abs. 2 HGB den Lohnaufwand und damit die Lohn-summe des Arbeitgebers iSv. § 13a Abs. 3 ErbStG nicht mindern. Diese Wertung findet inzwischen überwiegende Zustimmung in der Literatur (vgl. GECK/MESSNER, ZEV 2009, 559; VON SOTHEN, in Scherer, Unternehmensnachfolge, 6. Aufl., 2020, § 27 Rz. 188; CLAUSSEN/THONEMANN-MICKER, in BeckOK ErbStG, § 13a Rz. 110 (Jan. 2020); JÜLICHER, in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13a Rz. 93 (Nov. 2017)).

Dies überzeugt. Ausgangspunkt der Wertung stellt die Legaldefinition der zu erfass-enden Bezüge nach § 13a Abs. 3 Satz 6, 8 ErbStG dar. Gem. § 13a Abs. 3 Satz 6 ErbStG umfasst die Lohnsumme „alle Vergütungen (Löhne und Gehälter sowie andere Bezüge und Vorteile), die im maßgeblichen Wirtschaftsjahr an die auf den Lohn- und Gehalts-listen erfassten Beschäftigten gezahlt werden.“ Eine solche Vergütung liegt unstreitig vor. Der Arbeitgeber ist weiterhin Verpflichteter der Lohnzahlung, auch wenn diese in Form von Kurzarbeitergeld geleistet wird (siehe oben). Verstärkt wird diese Wertung durch § 13a Abs. 3 Satz 8 ErbStG. Er konkretisiert die Vergütung dahingehend, dass zu den Vergütungen alle Geld- oder Sachleistungen für die von den Beschäftigten erbrachte Arbeit zählen, unabhängig davon, wie diese Leistungen bezeichnet sind und ob es sich um regelmäßige oder unregelmäßige Zahlungen handelt. Darüber hinaus ist zu be-rücksichtigen, dass der Arbeitgeber ggf. für die Auszahlung des Kurzarbeitergelds in Vorlage tritt (hierzu iE HLAVA, in Gagel, SGB III, § 320 Rz. 24 (Juni 2019)). Ihn trifft damit eine zumindest vorübergehende wirtschaftliche Belastung.

Schließlich spricht für die hier vertretene Ansicht das gesetzlich normierte Regel-Ausnahme-Verhältnis. Gem. § 13a Abs. 3 Satz 7 ErbStG bleiben Vergütungen an solche Beschäftigte außer Ansatz, die sich in Mutterschutz oder in einem Ausbildungsverhältnis befinden, oder die Krankengeld oder Elterngeld beziehen. Gleiches gilt für Saisonar-beiter. Die Aufzählung in § 13a Abs. 3 Satz 7 ErbStG ist enumerativ; es handelt es sich um abschließend geregelte Ausnahmefälle (so wohl auch BT-Drs. 18/5923, S. 22; HANNES/HOLTZ, in Meincke/Hannes/ Holtz, ErbStG, 17. Aufl., 2018, § 13a Rz. 20; CLAUSSEN/THONEMANN-MICKER, in BeckOK ErbStG, § 13a Rz. 94, (Jan. 2020)). Weitere Ausnahmen, insbesondere für das Kurzar¬beitergeld, sieht der Gesetzgeber gerade nicht vor. Die gebotene restriktive Auslegung von Ausnahmetatbeständen (hier § 13a Abs. 3 Satz 7 ErbStG) verbietet die Erfassung des Kurzarbeitergelds.

2.Verbleibende Lücke

Die zwischen Kurzarbeitergeld und üblichem Lohn verbleibende Lücke kann jedoch für sich genommen zur Unterschreitung der erforderlichen Lohnsumme führen. Äußerungen der Finanzverwaltung, wie mit diesem Umstand in Anbetracht der Corona-Krise um-zugehen ist, oder entsprechende Reaktionen des Gesetzgebers, sind bislang nicht ersichtlich. Im Ergebnis darf jedoch die Anmeldung von Kurzarbeit in Fällen wirtschaftlicher Rezession nicht zur Unterschreitung der Lohnsumme führen. Zumindest sollte die Finanzverwaltung in Anbetracht der derzeit gewährten allgemeinen Billigkeitsmaß-nahmen (s. hierzu im Zusammenhang mit der Corona-Pandmie zB das BMF-Schreiben vom 19.3.2020, IV A 3 - S 0336/19/10007, DStR 2020, 663) auch in diesen Fällen Billigkeitserwägungen anstellen.

Nach dem Zweck der Lohnsummenregelung ist die steuerliche Verschonung von Betriebs¬vermögen an die Fortführung des Unternehmens und den Erhalt von Arbeits-plätzen gekoppelt. In Fällen wirtschaftlicher Rezession stellt der Gesetzgeber den Unternehmen insbesondere die Kurzarbeit als Mittel zur Sicherung von Arbeitsplätzen zur Verfügung. Der Unternehmer kommt also mit der Beantragung von Kurzarbeitergeld dem vom Gesetzgeber gewollten Lenkungsziel nach. Dass ihm Regel- oder Vollver-schonung des § 13 a Abs. 1 oder 10 ErbStG aufgrund Unterschreitens der Mindest-lohnsumme (ggf. teilweise) verwehrt wird, steht damit nicht im Einklang.

In der Literatur wird zur Lösung eine teleologische Reduktion vorgeschlagen (JEBENS, DStZ 2009, 573, 574 f.): Die vorgeschriebenen Mindestlohnsummen seien im Einzelfall zu reduzieren. Maßstäbe für den Umfang der Reduktion sollen die tatsächliche Beein-trächtigung des Unternehmens durch eine Konjunkturkrise sowie deren Auswirkungen im Rahmen der Ausgangslohnsumme bilden. Diese Vorgehensweise ist komplex und stark einzelfallbezogen. Es steht daher nicht zu erwarten, dass sie sich vor Finanzbe-hörden und Finanzgerichten durchsetzt. Dies gilt insbesondere vor der dem Hintergrund, dass der II. Senats des BFH im Falle der Insolvenz einen Verstoß gegen die Behaltens¬frist des § 13 a Abs. 2 Satz 2 ErbStG (Vorgängervorschrift des § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 ErbStG) sieht (BFH vom 16.2.2005 II R 39/03, BFH/NV 2005, 1449) und dies in¬zwischen von den Finanzgerichten für die aktuelle Fassung so gesehen wird (vgl. zB FG Nürnberg vom 26.4.2028 4 K 571/16, EFG 2018, 1276).

In Fällen von Kurzarbeit ist vielmehr eine gesetzliche Fiktion zu fordern, nach der die ursprüngliche Zahlungsverpflichtung auch nach Anmeldung von Kurzarbeit als fort-bestehend angesehen wird. Dazu könnte folgender neuer Satz 11 in § 13a Abs. 3 ErbStG eingefügt werden:
„Meldet der Unternehmer für seine nach Satz 6 und 7 zu erfassenden Beschäftigten Kurzarbeit an, ist als Vergütung weiterhin der Nettoentgeltbetrag zu erfassen, aus dem sich das Kurzarbeitergeld berechnet.“

3.Rechtsbehelfe und Anträge

Sofern einem Erwerber von nach § 13 a ErbStG begünstigtem Vermögen zur Gänze oder zum Teil die Regelverschonung oder die Vollverschonung wegen Verstoßes gegen die Lohnsummenregelung verweigert wird und der Verstoß auf der Anmeldung von Kurz-arbeit beruht, sollten der Schenkung- oder Erbschaftsteuerbescheid mit dem Einspruch angefochten werden. Zudem empfehlen wir einen Billigkeitsantrag nach § 163 AO bzw. § 227 AO zu stellen.

4.Gestaltung bei vorweggenommener Erbfolge

Planen Unternehmensinhaber, die derzeit Kurzarbeit durchführen, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, Betriebsvermögen oder Anteile an Kapitalgesellschaften zu übertragen, ist das Augenmerk auf den Übertragungszeitpunkt zu richten. Maßgebend für die Ausgangslohnsumme ist die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf vor der Übertragung endenden Wirtschaftsjahre (§ 13a Abs. 3 Satz 2 ErbStG). Bei nicht abweichenden Wirtschaftsjahren könnte es sinnvoll sein, die durch die Corona-Krise verursachte Kurzarbeit und damit die einhergehende reduzierte Lohnsumme im Jahr 2020 einzupreisen und in Folge dessen die geplante Übertragung auf einen Zeitpunkt nach dem 31.12.2020 oder 31.12.2021 zu verschieben.

Dr. Heinz-Willi Kamps
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Ref. Dr. Isabel Leinenbach
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