Zehnt – der Steuerblog

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OVG NRW: Rückforderung von Corona-Soforthilfen war rechtswidrig

Wie bereits in unserem Blog-Beitrag vom 22.11.2022 berichtet, gibt es eine Vielzahl von verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen, die die Rechtswidrigkeit von Schlussbescheiden zur Rückforderung von Corona-Soforthilfen festgestellt und sie aufgehoben haben. Aktuell gibt es in drei Musterverfahren eine Entscheidung des OVG Münster (OVG Münster vom 17.03.2023 4 A 1986/22).

I. Entscheidung des OVG

Das OVG bestätigt im Ergebnis die Rechtswidrigkeit und hat die Berufungen zurückgewiesen. Die Schlussbescheide seien rechtswidrig und aufzuheben, weil das Land die Vorgaben der Bewilligungsbescheide nicht beachtet habe, die für die endgültige Festsetzung bindend seien. Danach habe die Soforthilfe ausschließlich zur Milderung pandemiebedingter finanzieller Notlagen, insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen gedient. Das später vom Land geforderte Rückmeldeverfahren finde in den Bewilligungsbescheiden keine Grundlage. Die darin von den Zuwendungsempfängern verlangten Angaben seien ungeeignet gewesen, um die letztlich jeweils zu belassende Fördersumme unter Berücksichtigung der bindenden Festsetzungen der Bewilligungsbescheide zu bestimmen. In welchem Umfang Fördermittel während des Bewilligungszeitraums tatsächlich im Rahmen der Zweckbindung der Förderung verwendet worden seien, habe dort nicht angegeben werden können. Denn darauf sei es nach dem Rechtsstandpunkt des Landes, das insoweit den Vorgaben des Bundes gefolgt sei, schon nicht angekommen. Zudem seien die Schlussbescheide rechtswidrig, weil sie ohne eine hierfür erforderliche Rechtsgrundlage vollständig durch automatische Einrichtungen erlassen worden seien.

II. Allerdings Rückforderungsberechtigung des Landes NRW

Das Land bleibe allerdings – so das OVG – berechtigt, die den Empfängern letztlich zustehende Soforthilfe in Form von neu zu erlassenden „Schlussbescheiden“ endgültig festzusetzen und die überzahlten Beträge zurückzufordern. Die Corona-Soforthilfe sei als Billigkeitszuschuss in Gestalt einer einmaligen Pauschale bewilligt worden. Trotz missverständlicher Formulierungen in den Bewilligungsbescheiden habe die Bewilligung angesichts der noch unbekannten Entwicklung und Dauer der pandemiebedingten Beschränkungen der Wirtschaft von Anfang an noch klar erkennbar zumindest unter dem Vorbehalt gestanden, ob und in welchem Umfang die bewilligten Finanzmittel für den ausschließlichen Zuwendungszweck benötigt würden. Jeder Empfänger einer Soforthilfezuwendung habe in Nordrhein-Westfalen zwar darauf vertrauen können, dass er keine Mittel zurückzahlen muss, die er während des Bewilligungszeitraums berechtigterweise zur Milderung der finanziellen Notlagen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie oder zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen verwendet hatte.

III. Steuerberaterhaftung wegen inzwischen eingetretener Bestandskraft?

In diesem Zusammenhang stellt sich abermals die Frage, ob ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegenüber Steuerberater:innen hergeleitet werden kann, soweit dieser/diese mit der ursprünglichen Beantragung der Corona-Soforthilfe oder der Erstellung der Schlussabrechnung beauftragt war und entsprechende Schlussbescheide, mit denen Corona-Soforthilfen zurückgefordert werden, zwischenzeitlich bestandskräftig geworden sind. 

Unsere insoweit bereits angestellten Überlegungen im og. Blog-Beitrag lassen sich angesichts der OVG-Entscheidung um eine uE positive Nuance ergänzen. Dort hatten wir ua. ausgeführt, dass selbst ein unterbliebener Hinweis nicht ohne Weiteres zu einer Einstandspflicht führt. Es bedarf eines kausalen Schadens des Mandanten. Insoweit kommt es insbesondere darauf an, wie sich der Mandant verhalten hätte, wenn ihm die Einschaltung eines Spezialisten für das Verwaltungsrecht empfohlen worden wäre. Denkbar ist, dass der Mandant insofern schlicht untätig geblieben wäre. Ein Schadensersatz würde dann an der fehlenden Kausalität scheitern. 
 
Angenommen, dass der Mandant rein vorsorglich Widerspruch gegen den Schlussbescheid eingelegt hätte, wäre dieses Verfahren noch bis zum heutigen Tage anhängig. Dies könnte im Einzelfall für eine Kausalität sprechen. Insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Land NRW nach den Feststellungen des OVG berechtigt bleiben soll, durch neu zu erlassende „Schlussbescheide“, die den Empfängern letztlich zustehende Soforthilfe in Form von neu zu erlassenden „Schlussbescheiden“ endgültig festzusetzen und die überzahlten Beträge zurückzufordern. Damit dürfte die Vermögenslage des Mandanten letztlich identisch zu derjenigen ausfallen, die sich im Falle des fristgerechten Widerspruchs gegen den ursprünglichen Rückforderungsbescheid ergeben hätte – die überzahlten Beträge wären so oder so zurückgefordert worden. Sicherlich bleibt insofern aber abzuwarten, inwiefern das Land NRW von der Rückforderungsmöglichkeit Gebrauch macht.

Sie haben Fragen? Gerne steht Ihnen das Team Steuerberaterhaftung von Streck Mack Schwedhelm zur Verfügung. 

Dr. Carina Freitag
Rechtsanwältin, Steuerberaterin
Senior Associate
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Dr. Markus Wollweber
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Partner
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