Zehnt – der Steuerblog

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Der Streit um die steuerlichen Säumniszuschläge geht in die nächste Runde

Bekanntermaßen sind der V. und der VII. Senat des BFH – in Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes – der Auffassung, dass ernstliche Zweifel an der Verfassungsgemäßheit der Höhe der Säumniszuschläge (§ 240 AO) bestehen, jedenfalls soweit sie nach dem 31.12.2018 entstanden sind. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass in den Säumniszuschlägen ein Zinsanteil für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern enthalten sei. Insoweit bestehe eine Vergleichbarkeit mit den steuerlichen Nachzahlungszinsen, die vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 8.7.2021 ab dem 1.1.2019 als verfassungswidrig angesehen wurden. Da man den Zinsanteil von den übrigen Funktionen des Säumniszuschlags (Anhalten zur rechtzeitigen Zahlung, Abgeltung von Verwaltungsaufwendungen) nicht trennen könne, bestünde insgesamt ein Aussetzungsbedürfnis.

Mit gleich sechs Beschlüssen vom 28.10.2022 hält der VI. Senat des BFH – ebenfalls in Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes – nun dagegen (VI B 15/22; VI B 27/22; VI B 31/22; VI B 35/22; VI B 38/22; VI B 48/22 – kleine Randnotiz: die Vorinstanz war in allen Fällen das FG Münster). Eine solche Vergleichbarkeit bestehe nicht. Der Umstand, dass es sich beim Säumniszuschlag um ein Druckmittel eigener Art handele, stehe einem Vergleich mit der steuerlichen Vollverzinsung entgegen, zumal der Steuerpflichtige eine Wahl habe, ob er säumig ist oder nicht. Zwar enthalte der Säumniszuschlag auch einen Zinsanteil. Dieser sei indes aufgrund der multifunktionalen Zielsetzung des Säumniszuschlags der Höhe nach unklar. Die gesetzlichen 1 % für jeden angefangenen Monat der Säumnis wären nach Auffassung des Senats in den entschiedenen Fällen auch allein zur Erzwingung der rechtzeitigen Zahlung und zur Abgeltung des Verwaltungsaufwands verhältnismäßig und daher verfassungsrechtlich auch unter Berücksichtigung des seit 2014 währenden strukturellen Niedrigzinsniveaus unbedenklich. Da man nicht aufteilen könne, komme eine (teilweise) Aussetzung der Vollziehung nicht in Betracht. Unbilligkeiten könnten angemessen im Erlasswege berücksichtigt werden.

In der Argumentation liegen die BFH-Senate eigentlich nicht weit auseinander. Sie kommen jedoch zu völlig gegensätzlichen Ergebnissen. 

Das letzte Wort ist hier freilich noch nicht gesprochen. Soweit ersichtlich ist bisher beim VII. Senat (VII R 55/20) ein Klageverfahren hierzu anhängig. Weitere Verfahren werden sicher folgen. Wir werden dies weiter beobachten. Solange gilt: Ggf. Abrechnungsbescheide beantragen und die Verfahren offen halten.

Dr. Peter Talaska
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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