Zehnt – der Steuerblog

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Wenn dem Steuerberater unerwartete Post zugeht

Bescheid oder Einspruchsentscheidung für gelöschte Gesellschaft?

Viele Berater haben es schon erlebt: Das Mandat ist viele Jahre für eine Gesellschaft beendet, die Gesellschaft längst gelöscht. Nun wird dem Steuerberater ein Bescheid oder eine Einspruchsentscheidung zugestellt. Unsicherheit greift um sich: Was nun?

Wem kann - oder gar muss - ich den Bescheid noch zur Kenntnis weiterleiten? Mit wem kann ich abstimmen, ob der Bescheid mit dem Einspruch oder die Einspruchsentscheidung mit der Klage angegriffen werden soll? Gehe ich ein Haftungsrisiko ein, wenn ich die Frist hierzu einfach verstreichen lasse? Muss ich insofern gegebenenfalls vorsorglich Einspruch oder Klage einlegen und eine Nachtragsliquidation beantragen? 

Zu einem Teilbereich dieser dringenden Fragen hat der BFH in seinem jüngsten Beschluss vom 18.7.2024 (V B 68/23) betreffend einen Bevollmächtigten einer zwischenzeitlich im Handelsregister gelöschten GmbH nochmals bestätigt: Die Neubestellung eines Liquidators ist zur Bekanntgabe eines Bescheides nicht erforderlich, wenn eine gelöschte Kapitalgesellschaft durch einen Bevollmächtigten vertreten wird, der bereits vor Löschung bestellt wurde und dessen Bevollmächtigung die Entgegennahme von Entscheidungen der Finanzbehörde umfasst. Eine vor Löschung erteilte Vollmacht wirkt insoweit fort. 

Dies gilt sowohl zu Lasten auch zu Gunsten einer gelöschten Kapitalgesellschaft. Denn steuerrechtlich wird eine gelöschte Kapitalgesellschaft, so der BFH, als fortbestehend angesehen, solange sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat oder gegen sie ergangene Steuerbescheide oder Haftungsbescheide angreift, mit der weiteren Folge, dass eine erteilte Vollmacht über den Zeitpunkt der Löschung der GmbH und des Verlustes der gesetzlichen Vertretungsmacht ihres Geschäftsführers fortdauert und dies (auch) für die Prozess- und Postulationsfähigkeit in einem finanzgerichtlichen Klageverfahren genügt. 

Im konkret vom BFH entschiedenen Fall wirkte sich das zu Gunsten der gelöschten GmbH aus: Der Steuerberater machte den Fortbestand seiner Vollmacht geltend. Der BFH bestätigte dies für den Streitfall, so dass nach der Ansicht des BFH wegen der fortbestehenden Vollmacht trotz Löschung der GmbH der Steuerberater noch wirksam einen Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids nach § 218 Abs. 2 AO stellen konnte hinsichtlich des Streits mit dem Finanzamt über das Bestehen von Steuerschulden der gelöschten GmbH. Nach Ansicht des BFH konnte sich hier der Steuerberater auf die alte, seinerzeit vom gesetzlichen Vertreter erteilte Vollmacht berufen, die mit Beendigung der Nachtragsliquidation nicht erloschen sei.

Umgekehrt sollte der Steuerberater stets für Klarheit sorgen: Im Zweifelsfall sollte das Mandat am Ende der Liquidationsphase gegenüber der Gesellschaft niedergelegt und dies unter Widerruf der bisherigen Vollmacht dem Finanzamt mitgeteilt werden, um andernfalls unnötige Verfahrensunklarheiten und Haftungsgefahren zu vermeiden.

Dr. Markus Wollweber
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Cristian Esteves Gomes
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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