Zehnt – der Steuerblog

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Update zu BgA: Keine einfache Kettenzusammenfassung mehr

Der BFH hat im Verfahren V R 43/21 ein weitreichendes Grundsatzurteil zur Besteuerung der öffentlichen Hand erlassen. Er hält die sog. Kettenzusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art (BgA) nach der sog. Mitschlepptheorie für unzulässig.

 

Was ist eine Kettenzusammenfassung?

Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind mit ihren BgA körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG). Gewinnermittlungssubjekt ist grundsätzlich jeder BgA für sich. BgA können aber nach § 4 Abs. 6 KStG zusammengefasst werden. Dies erlaubt es vor allem, Gewinne eines BgA mit Verlusten eines anderen zu verrechnen. Die Kettenzusammenfassung betrifft nun die Zusammenfassung von mehr als zwei BgA. Dabei stellt sich die (vereinfachte) Frage, ob

  • die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 KStG zwischen allen Beteiligten BgA untereinander erfüllt sein müssen oder
  • ob es genügt, zunächst zwei BgA zusammenzufassen und in einem nächsten Schritt ein weiterer BgA „angehängt“ werden kann, wenn er nur mit einem „Teil-BgA“ des zusammengefassten BgA zusammenfassbar ist.

Teile der Literatur und auch das BMF (vom 12.11.2009, BStBl. I 2009, 1303, Rz. 5) sprechen sich für die zweite Option aus, die für die Steuerpflichtigen weit niedrigschwelliger ist. Jedoch hatte der Senat hieran in einer Beitrittsaufforderung an das BMF, die er Anfang dieses Jahres veröffentlicht hat (vgl. unser Newsletter vom 5.9.2024), Zweifel geäußert.

Im Urteil hat sich der BFH nun – mit ausführlicher Begründung – der strengeren Auffassung angeschlossen. Derzeit ist noch abzuwarten, wie die Finanzverwaltung sich zu dem Urteil positionieren wird. Wenn das Urteil im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird, dann wird der öffentlichen Hand die Verlustnutzung erheblich erschwert.

 

Bemerkenswert: Was der Senat offenlässt

Im Streitfall war die Klage allein abzuweisen, weil die vereinfachte Kettenzusammenfassung nicht zulässig war. Darüber hinaus hat der Senat auf zwei Punkte hingewiesen, die nicht mehr entscheidungserheblich waren. Hiermit verrät der Senat auch, welche weiteren Themen bei der Besteuerung von BgA er noch für besprechenswert hält. Es sind folgende Fragen:

  • Ergibt sich aus dem Begriff der "Zusammenfassung" ein eigenständiges Erfordernis der organisatorischen Verflechtung zwischen den zusammenzufassenden BgA (siehe dazu bereits unser Newsletter vom 5.9.2024)?
  • Ist § 4 Abs. 6 KStG eine europarechtlich verbotene staatliche Beihilfe (Art. 107 Abs. 1, 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) oder eine "bestehende" Beihilferegelung (vgl. Art. 108 Abs. 1 Satz 1 AEUV)?

 

Praxishinweis

Zunächst ist abzuwarten, ob die Finanzverwaltung sich dem Urteil anschließt. Falls ja, werden sich juristische Personen des öffentlichen Rechts auf Umstrukturierungen oder höhere Belastungen ihres Haushalts einstellen müssen. Angesichts der traditionell starken Gemeindelobby ist jedoch auch nicht ausgeschlossen, dass es zeitnah zu einer gesetzlichen Anpassung von § 4 Abs. 6 KStG kommt.

Dr. Dr. Norbert Mückl
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater
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