Zehnt – der Steuerblog "Unternehmens­kauf"

In unserer neuen Blog-Beitragsserie werden wir uns in mehreren Teilen mit wichtigen zivil-, gesellschaftsrechtlichen, aber auch steuerlichen Fragen im Zusammenhang mit dem mittelständigen Unternehmensan- und -verkauf im gewerblichen und freiberuflichen Bereich auseinandersetzen.

 

Unternehmensverkauf für den Mittelstand und Freiberufler - Teil 3: Baustelle Gewinnbezugsrecht

- Was Sie dazu wissen sollten, aber noch nie gefragt haben -

In unserer Blog-Beitragsserie setzen wir uns mit wichtigen zivil-, gesellschafts-, aber auch steuerrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem mittelständigen Unternehmensan- und -verkauf im gewerblichen und freiberuflichen Bereich auseinander.

Die beleuchteten Fragen nehmen wir direkt von unserem Schreibtisch. Das Team M&A von Streck Mack Schwedhelm beschäftigt sich seit vielen Jahren ganzheitlich, das heißt sowohl steuerrechtlich, aber insbesondere auch zivil-, gesellschafts-, miet-, arbeits- und kartellrechtlich mit Transaktionen und begleitet die Mandanten und Unternehmen als anwaltliche Vertretung in der Anbahnung, Verhandlung und Umsetzung von Transaktionen.

Nachfolgender 3. Teil befasst sich mit zivil- wie steuerlichen Grundfragen des Gewinnbezugsrechts im Unternehmenskauf.

Nicht selten wird hier von den Beratern allein zivilrechtlich gedacht, ohne die Frage zu beantworten, welche steuerlichen Voraussetzungen greifen und ob und in welchem Umfang überhaupt das Gewinnbezugsrecht rückwirkend mit steuerlicher Anerkennung dem Käufer zugewandt werden kann.

1. Zivilrechtliche Grundlagen

Ist jemand berechtigt, die Früchte einer Sache oder eines Rechts bis zu einer bestimmten Zeit oder von einer bestimmten Zeit an zu beziehen, stehen ihm gem. § 101 Nr. 2 BGB, sofern vertraglich nichts anderes geregelt ist, die Gewinnanteile und regelmäßig wiederkehrenden Erträge für die Dauer des seiner Berechtigung entsprechenden Teils zu.

Nicht selten ziehen sich Verhandlungen über den Unternehmensverkauf über Monate. Nicht selten wird ein wirtschaftlicher Bezugspunkt definiert, auf den der Kaufpreis berechnet und die kaufpreisrelevanten Parameter definiert werden. Ab diesem Zeitpunkt, auf den die Chancen und Risiken von Wertveränderungen auf den Käufer übergehen, ist es dessen natürliches Verständnis, ab diesem Zeitpunkt zugleich gewinnbezugsberechtigt zu sein. Umgekehrt wird es ab diesem Zeitpunkt das Verständnis des Verkäufers sein, eine Verzinsung oder eine vergleichbare Kompensation im Hinblick auf die Kaufpreiszahlung, die mitunter erst Monate später fällig wird, zu erhalten.

§ 101 Nr. 2 BGB erlaubt sowohl im Hinblick auf die Personengesellschaft als auch die Kapitalgesellschaft eine vertragliche Abweichung, wonach zivilrechtlich eine rückwirkende unterjährige Zuweisung des Gewinnbezugsrechts an den Käufer erfolgen kann. Im Rahmen der Personengesellschaft wird dies zugleich damit einhergehen, dass der Verkäufer ab diesem Zeitpunkt keine weitergehenden Gewinnentnahmen mehr tätigen darf.

2. Steuerliche Betrachtung: Personengesellschaft

Grundsätzlich ist im Steuerrecht eine anzuerkennende Rückwirkung nur dann möglich, wenn dies durch eine entsprechende steuerliche Sondervorschrift erlaubt wird. Hieran fehlt es im Hinblick auf die rückwirkende Zuweisung des Gewinnbezugsrechts. Demgemäß kann nach ständiger BFH-Rechtsprechung das Gewinnbezugsrecht dem Käufer frühestens mit Abschluss des schuldrechtlichen Unternehmenskaufvertrags zugewiesen werden.

Eine steuerlich anzuerkennende, rückwirkende Zuweisung des Gewinnbezugsrechts an den Käufer ist – vorbehaltlich einer Billigkeits-Rspr. für wenige Wochen - nicht möglich (vgl. BFH vom 7.7.1983 IV R 209/80, BStBl. II 1984, 53; differenzierend für die vermögensverwaltende GbR: BFH vom 25.9.2018 IX R 35/17, BStBl. II 2019, 167). Wird bspw. der Anteilskaufvertrag Ende April 2023 geschlossen, wird es steuerlich nicht anerkannt, wenn die Parteien sich darauf einigen, dass der ab dem 1.1.2023 entstehende Gewinn bereits dem Käufer zuzurechnen ist.

Wird in der Praxis gleichwohl mit einer Rückwirkung gearbeitet, ergibt sich folgendes Bild: Zivilrechtlich wird dem Käufer das Gewinnbezugsrecht bereits ab dem Stichtag, beispielsweise 1.1.2023, eines Jahres zugewiesen. Steuerlich hat diesen anteiligen Gewinn des Jahres 2023 gleichwohl noch der Verkäufer bis zum Zeitpunkt des Abschlusses des Unternehmenskaufvertrags seiner persönlichen Einkommensteuer zu unterwerfen. Andererseits steigt in selbiger Höhe sein steuerliches Eigenkapitalkonto. Da er diesen Gewinn im Hinblick auf die Zuweisung des Gewinnbezugsrechts an den Käufer nicht mehr entnehmen darf, bleibt dieser Mehrbetrag auf dem Eigenkapitalkonto des Verkäufers erhalten. Zur Berechnung des Veräußerungsgewinns nach § 16 EStG ist vom erhaltenen Veräußerungserlös das auf den Verkäufer entfallende steuerliche Eigenkapitalkonto abzuziehen. Demgemäß wirkt sich hier die Erhöhung des Kapitalkontos gewinnmindernd und steuermindernd aus.

Beraterhinweis: Gleichwohl kann für den Verkäufer eine steuerliche Mehrbelastung verbleiben, wenn er für den Veräußerungsgewinn nach § 34 Abs. 3 EStG den halben Steuersatz in Anspruch nimmt. Hier wirkt sich die Steuerminderung infolge des erhöhten Eigenkapitalkontos nur mit dem halben Steuersatz aus. Dieser Punkt muss ggf. vom Verkäufer in die Verhandlungen über die Kaufpreishöhe einbezogen werden.

3. Steuerliche Betrachtung: Kapitalgesellschaft

Aufgabenstellung im Hinblick auf die Zuweisung des Gewinnbezugsrechts beim Verkauf von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ergeben sich aus § 20 Abs. 5 EStG. Grundsätzlich entsteht der konkrete Anspruch auf Ausschüttung nach § 27 GmbHG erst mit der Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses. § 20 Abs. 5 EStG rechnet für steuerliche Zwecke aber allein demjenigen, der im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses Anteilseigner ist, die Ausschüttung zu, die dieser dann auch zu versteuern hat. Dies kann nicht selten, sofern das Problem nicht richtig bearbeitet wird, zu Problemen führen.

Beispiel: V ist alleiniger Inhaber der Anteile an der V GmbH. Er verkauft alle Anteile mit dinglicher Wirkung auf den 31.12.2022 an den K. Der zugehörige Anteilskaufvertrag (Verpflichtungsgeschäft) wird im Oktober 2022 geschlossen. Im Anteilskaufvertrag ist geregelt: „Die Gewinne bis 31.12.2022 stehen (noch) dem V zu.“ Weitere Regelungen im Hinblick auf das Gewinnbezugsrechts sind nicht getroffen.

Folge: Typischerweise wird der Gewinnverteilungsbeschluss erst mit Feststellung des Jahresabschlusses getroffen. Im Beispielsfall wird Jahresabschluss für das Jahr 2022 im Jahr 2023 festgestellt. Zu diesem Zeitpunkt ist K schon Anteilseigner. Würde daher der erstmalige Gewinnverteilungsbeschluss erst im Jahr 2023 gefasst, wäre die Ausschüttung des Gewinns 2022, obgleich sie zivilrechtlich an den V auszukehren ist, dem K zuzurechnen, die dieser der Abgeltungssteuer zugrunde zu legen hätte. Zugleich würde die Finanzverwaltung wohl zu dem Ergebnis gelangen, dass die tatsächliche Auskehrung des Ausschüttungs-Nettobetrags an den V zusätzliche Kaufpreiszahlung ist, die der V nach Maßgabe des § 17 EStG dem Teileinkünfteverfahren zu unterwerfen hat. Es droht die doppelte Versteuerung.

Um dies zu vermeiden, muss, ggf. noch im Unternehmenskaufvertrag, der Gewinnverteilungsbeschluss zu einem Zeitpunkt gefasst werden, zu dem der V noch wirtschaftliche Inhaber der Anteile ist, im Beispielfalls noch im Jahr 2022.

Ein solcher Beschluss kann wirksam bereits vor Ablauf des Kalenderjahres, für den der Gewinn zu verteilen ist, und auch vor Feststellung des Jahresabschlusses getroffen werden.

Beraterhinweis: Im Einzelfall kann allerdings die im Beispielsfall verwendete Klausel („Der Gewinn des Jahres 2022 steht dem V zu“) in einen Gewinnverteilungsbeschluss umgedeutet werden, so im Ergebnis: FG Köln vom 21.9.2016 14 K 3263/13, EFG 2016, 1949; nichtbeanstandet durch BFH vom 13.3.2008 lX R 35/16, DStR 2018, 1756.

Ob eine solche Umdeutung in jedem Fall möglich ist, erscheint zweifelhaft. Im Mindestmaß Voraussetzung für die Umdeutung einer solchen Vertragsklauseln in einen Gesellschafterbeschluss wäre, dass alle Alt- und Neugesellschafter an der Urkunde mitwirken, was beispielsweise dann ggf. nicht der Fall ist, wenn nur einer von mehreren Gesellschaftern seine Anteile verkauft und die übrigen Altgesellschafter keine Vertragsparteien des Unternehmenskaufvertrags sind.

Dr. Markus Wollweber
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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