Zehnt – der Steuerblog

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Keine weitergehende Einziehung bei tatsächlicher Verständigung?

Worum geht es?

Neben einer Bestrafung wegen Steuerhinterziehung erfolgt regelmäßig die sog. Einziehung, meist in der Form von Wertersatz. Verbrechen, oder genau genommen Vergehen sollen sich nicht lohnen.

Im Steuerstrafrecht tritt nicht selten die Konstellation auf, dass mit der Finanzbehörde eine steuerlich günstigere tatsächliche Verständigung geschlossen wird. Die Frage, die sich dann stellt, ist, ob die Staatsanwaltschaft und das Gericht für den Fall der Verurteilungen einen höheren als aus der tatsächlichen Verständigung resultierenden Steuerschaden in strafrechtlicher Hinsicht einziehen können.

 

Die Lösung?

Ist der Steueranspruch erloschen, ist eine Einziehung unzulässig (§ 73e StGB). Dies gilt nicht für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind (§ 73e Abs. 1 Satz 2 StGB). Das Erlöschen iSv. § 73e StGB ist auch dann gegeben, wenn die Finanzbehörde aus verfahrens- oder prozessrechtlichen Gründen einen (vermeintlichen) Steueranspruch nicht (mehr) verwirklichen kann. Dies gilt insb. dann, wenn bereits ein finanzgerichtliches Urteil vorliegt.

Ungeklärt ist, ob eine tatsächliche Verständigung ein Erlöschen iSv. § 73e StGB bewirkt.

Nach hier vertretener Ansicht muss das Gleiche gelten, was auch sonst für das Bestehen, Erlöschen oder die Durchsetzbarkeit von Steueransprüchen insb. der Höhe nach gilt. Findet bspw. eine tatsächliche Verständigung über € 500.000,-- statt, kann keine strafrechtliche Vermögensabschöpfung darüber hinaus erfolgen, auch wenn die Staatsanwaltschaft oder das  Gericht von einem höheren Schaden ausgehen. Immerhin soll die Regelung des § 73e StGB „vergleichsfreundlich“ wirken.

Für die Frage des Erlöschens sind die steuerlichen Regelungen maßgeblich. Auch der Wortlaut des § 73e Abs. 1 StGB, der von „soweit“ spricht, legt die Annahme nahe, dass entsprechend der alten Rechtslage die Anordnung des Verfalls bzw. des Verfalls von Wertersatz ausgeschlossen sein sollte, soweit Verletzten aus der Tat Ansprüche erwachsen sind, deren Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würden.

Etwas anderes kann indes gelten, wenn der Beschuldigte im Rahmen der tatsächlichen Verständigung dolos falsche Angaben macht, mithin ggf. eine neue Steuerhinterziehung begeht und von Anfang an nicht willens und in der Lage war, die entsprechenden Steuern zu entrichten, bspw., um im Hauptverfahren eine mildere Bestrafung zu erreichen.

 

Was sagt die Rechtsprechung?

Über eine ähnliche Konstellation entschied nun der BGH am 15.8.2024 (5 StR 435/23). Dort führte in einem Verfahren wegen des Vorwurfs des Betrugs der mit der geschädigten Versicherung geschlossene Vergleich zu einem Erlöschen nach § 73e StGB.  Eine weitergehende Einziehung lehnte der BGH ab.

Es bleibt abzuwarten, ob der für Steuerstrafsachen zuständige 1. Strafsenat sich dieser Sichtweise für die Steuerhinterziehung anschließen wird. Das KG Berlin vom 26.5.2023 (4 Ws 31/23, wistra 2023, 301) verneinte dies; indes in Fällen des Vorenthaltens von Arbeitnehmerentgelt.

Spannend bleibt in diesem Zusammenhang die Frage, ob der so geschlossene Vergleich ggf. Drittwirkung entfaltet und ob Tatbeteiligte, die keinen entsprechenden Vergleich geschlossen haben, auf die volle Summe in Anspruch genommen werden können.

In jedem Fall bietet die Entscheidung des BGH dem mit entsprechenden Fällen befassten Praktiker neues Argumentationspotenzial.

Dr. Sebastian Peters
Rechtsanwalt
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