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Zehnt – der Steuerblog
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Die juristische Sekunde des „Wegzugs“ bei Änderung eines Doppelbesteuerungsabkommens
Mit der sog. Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG will sich der Fiskus die stillen Reserven in Beteiligung an Kapitalgesellschaften sichern. Die Steuer greift aber nicht nur bei Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht infolge der Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland. Auch der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands gilt als „Wegzug“ und unterliegt als Entstrickungsgewinn einer entsprechenden Besteuerung.
Diese Tatbestandvariante wurde zum Jahreswechsel 2012/2013 für das damals gängige „Mallorca-Modell“ relevant. (Ferien-)Immobilien in Spanien wurden von Deutschen oftmals über eine dort ansässige Kapitalgesellschaft (S.L.) erworben. Nach dem ursprünglichen Doppelbesteuerungsabkommen („DBA“) zwischen Spanien und Deutschland unterlagen Gewinne aus der Veräußerung spanischer Kapitalgesellschaften grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters (also Deutschland). Das DBA wurde Ende 2011 dahingehend revidiert, dass Kapitalgesellschaften, deren Vermögen überwiegend aus Immobilien bestehen, abweichend im Belegenheitsstaat (also in Spanien) besteuert werden und die ausländische Steuer in Deutschland angerechnet wird.
Die Änderung des DBA trat am 1.1.2013 in Kraft und veranlasste das Finanzamt in einem nun vom BFH entschiedenen Fall (BFH vom 16.4.2024 IX R 38/21) im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung eines inländischen Gesellschafters einer solchen Immobilien-S.L. einen Entstrickungsgewinn für 2013 festzusetzen.
Ob eine solche sog. passive Entstrickung den Tatbestand der Wegzugbesteuerung auslösen kann, ist umstritten. Der Steuerpflichtige wandte sich gegen die Steuerfestsetzung und bekam Recht. Die Streitfrage konnte der BFH dabei allerdings aufgrund der juristischen Sekunde der Entstrickung offen lassen: Das revidierte DBA ist mit Wirkung zum 1.1.2013 (00:00 Uhr) in Kraft getreten, sodass das uneingeschränkte Besteuerungsrecht Deutschlands bis zum 31.12.2012 (24:00 Uhr) bestand. Da nach dem damaligen Gesetzeswortlaut auf den Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht abzustellen war, erfolgte die Entstrickung noch im Veranlagungszeitraum 2012 und das Finanzamt war mit der Festsetzung für 2013 zu spät dran.
Beraterhinweis
Durch das ATAD-Umsetzungsgesetz vom 25.6.2021 (BGBl I 2021, 2035) wurde für Fälle des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG (jetzt § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AStG) mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2022 inzwischen ausdrücklich geregelt, dass die Besteuerung unmittelbar vor dem Zeitpunkt, zu dem der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts eintritt, erfolgt. Die gegenteilige Verwaltungsauffassung hat sich damit überholt. Für Altfälle kann sich eine Prüfung der juristischen Sekunde aber noch auszahlen.