Zehnt – der Steuerblog

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Dauerbrenner: Ermäßigter Umsatzsteuersatz für gemeinnützige Organisationen

Für Leistungen im Rahmen von Zweckbetrieben von Körperschaften, die gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke i.S.d. §§ 51-68 AO verfolgen (im Folgenden: gemeinnützige Organisationen), sieht das Umsatzsteuerrecht zwar den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 und 4 UStG vor, sofern diese Leistungen nicht bereits nach § 4 UStG oder der MwStSystRL umsatzsteuerfrei sein sollten. Gleichwohl bleibt dieser ermäßigte Steuersatz weiterhin ein bedeutender steuerlicher Streitpunkt. Die jüngsten BFH-Entscheidungen hierzu belegen dies.

Zwar hat der nationale Gesetzgeber mit dem Wachstumschancengesetz vom 27.3.2024 lang ersehnte Erleichterungen eingeführt: Leistungen im Rahmen eines allgemeinen Zweckbetriebs nach § 65 AO führen nunmehr ausnahmslos zur Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes. Für spezialgesetzliche Zweckbetriebe nach §§ 66 bis 68 AO ist neuerdings ferner vorgesehen, dass Körperschaften ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklichen, wenn die Leistungsempfänger oder an der Leistungserbringung beteiligte Personen vom steuerbegünstigten Zweck der Einrichtung erfasst werden. Auch der jüngst veröffentlichte BFH-Beschluss vom 18.10.2023 (Az.: XI R 4/20, DStR 2024, 554) bringt begrüßenswerte Klarstellungen zur „Wettbewerbsklausel“ nach § 65 Nr. 3 AO (s. unseren Newsletter vom 14.3.2024: Ermäßigter Umsatzsteuersatz bei gemeinnützigen Tierschutzvereinen | Streck Mack Schwedhelm (steueranwalt.de)).

Der ermäßigte Steuersatz für gemeinnützige Organisationen bleibt dennoch weiter durch die BFH-Rechtsprechung unter Druck und in Gefahr, nicht nur materiell-rechtlich, sondern nun auch verfahrensrechtlich. Denn mit dem jüngst veröffentlichten BFH-Beschluss vom 29.5.2024 (Az.: V S 15/22, DStR 2024, 1504) geht der BFH von Folgendem aus:

  1. Im Rahmen einer Konkurrentenklage eines Wettbewerbers, der dem Regelsteuersatz unterliegt und der mit seiner Klage bezweckt, dass auch die gemeinnützige Organisation im konkreten Einzelfall mit ihrem konkurrierenden Zweckbetrieb dem Regelsteuersatz unterworfen wird, hat der Wettbewerber einen Anspruch auf Einsicht in Teile der Steuerakten der gemeinnützigen Organisation, wenn auch nicht ausnahms- und einschränkungslos. Der Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der gemeinnützigen Organisation in Bezug auf deren Umsätze und Aufwandsstruktur ist hierbei allerdings zu wahren und nicht zu offenbaren.
  2. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes zugunsten der gemeinnützigen Organisation kann ferner rechtswidrig sein, wenn der ermäßigte Steuersatz als Werbemittel zur Anbahnung von Geschäftsverbindungen zu solchen Leistungsempfängern genutzt wird, die nicht (voll) zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Insoweit bestätigt der BFH die einschränkende Verwaltungsansicht gemäß Abschn. 12.9. Abs. 13 Satz 4 UStAE.

 

Fazit

Gemeinnützige Organisationen müssen mitunter weiterhin hart um ihre steuerlichen Begünstigungen kämpfen, wobei sie weder den steuerlichen Streit mit dem Finanzamt noch den mit dem Wettbewerber im Rahmen von Konkurrentenklagen zu scheuen brauchen. Auch bei Konkurrentenklagen ist daher eine aktive Verfolgung der Interessen der gemeinnützigen Organisation als Beigeladene in einem solchen Klageverfahren regelmäßig durch geeignete Berater zu empfehlen.

Erfahren Sie mehr zu diesen Themen in den kommenden Webinaren von den Mitgliedern des Kompetenzteams Umsatzsteuer bei Streck Mack Schwedhelm Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaft mbB , u.a. von Herrn Dr. Jörg Alvermann, Herrn Dr. Dr. Norbert Mückl und mir. Die Termine finden Sie hier > 

Cristian Esteves Gomes
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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