Zehnt – der Steuerblog

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BFH stärkt Unternehmensnachfolge an leitende Mitarbeiter

Urteil vom 20.11.2024 VI R 21/22

1. Zunehmend finden Unternehmer, insbesondere im Mittelstand, keine Nachfolger. Zum Teil sind sie kinderlos. Zum Teil eignen sich die Abkömmlinge nicht als Unternehmensnachfolger. Dennoch wollen die Unternehmer den Fortbestand des Unternehmens sichern. Sie greifen auf erfahrene Mitarbeiter in leitender Position zurück. Die leitenden Mitarbeiter erhalten das gesamte Unternehmen oder Teile hieran entweder insgesamt unentgeltlich oder für einen weit unter dem gemeinen Wert liegenden Kaufpreis.

In solchen Fällen versagt das Finanzamt oftmals die Anerkennung einer Schenkung, unterwirft den entgeltlichen Vorteil vielmehr der Einkommensteuer bei den Mitarbeitern (Lohnsteuer). Dem tritt der BFH mit seinem Urteil vom 20.11.2024 VI R 21/22, veröffentlicht am 16.1.2025, mit Argumentationspotenzial entgegen.

 

2. Dem Urteil des BFH liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Inhaber des in Rechtsform der GmbH geführten Unternehmens waren Eheleute, die das Unternehmen gründeten. Sie hatten einen Sohn. Dieser war anderweitig beruflich eingebunden (Arzt) und verfügte nicht über die notwendige unternehmerische Erfahrung. Die Eheleute übertrugen sodann auf den Sohn Geschäftsanteile im Wert von 74,61 % unter Nießbrauchsvorbehalt und die weiteren 25,39 % an in der Geschäftsleitung tätige Mitarbeiter. Ein Entgelt sahen die Übertragungsverträge nicht vor.

Zudem waren die Übertragungen weder an Bedingungen oder Beschränkungen noch an einen Fortbestand der Arbeitsverhältnisse geknüpft. Der Vertrag enthielt lediglich eine Rückfallklausel, wonach die Veräußerer berechtigt sein sollten, die Rückübertragung des Anteils zu verlangen, falls das zuständige Finanzamt die steuerliche Verschonung nach §§ 13a, 13b, 19a ErbStG nicht gewährt. 

Vor der Übertragung fand eine Gesellschafterversammlung statt. Ausweislich des Protokolls sollte die Übertragung an die leitenden Mitarbeiter die Unternehmensfortführung gesichert werden. Der Erfolg der Gesellschaft sei in Zukunft von der stärkeren persönlichen Einbindung der bisher in der Geschäftsführung tätigen Mitarbeiter abhängig, die vor diesem Hintergrund an der Gesellschaft beteiligt werden sollten.

 

3. Das Finanzamt erfasste den geldwerten Vorteil als Arbeitslohn und erhöhte insofern die bisherigen Einkünfte der Mitarbeiter aus nicht selbstständiger Arbeit. Das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt gab der Klage eines Mitarbeiters statt (Urteil vom 27.4.2022 3 K 161/21, ZEV 2022, 756).

 

4 . Die vom Finanzamt eingelegte Revision wies nun der BFH (zutreffend) als unbegründet zurück.

Zunächst bestätigt der BFH seine bisherige Rechtsprechung (Urteil vom 7.5.2014 VI R 73/12, BStBl. II 2014, 94), wonach der verbilligte Erwerb eines GmbH-Anteils zu Einnahmen aus nicht selbstständiger Arbeit führen könne, wenn der Vorteil hieraus dem Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung gewährt werde. Unerheblich sei insofern, dass die begünstigten Mitarbeiter Angestellte der GmbH, nicht der Unternehmensinhaber, waren, der Vorteil also durch Dritte eingeräumt wurde.

Jedoch sei – so der BFH – weiter - die Anteilsübertragung nicht durch das Arbeitsverhältnis maßgeblich veranlasst, selbst wenn sie mit diesem zusammenhänge. Entscheidendes Motiv sei die Regelung der Unternehmensnachfolge. Belegt werde dies zum einen durch das Protokoll der Gesellschafterversammlung, zum anderen durch die Rückfallklausel.

Schließlich stelle die schenkweise Übertragung keine Entlohnung der leitenden Mitarbeiter für in der Vergangenheit erbrachte oder in Zukunft zu erbringende Dienste dar (so bereits auch das FG Bremen vom 27.1.2022 1 K 152/21, RFamU 2022, 327). Zum einen knüpfe die Übertragung nicht an den Fortbestand der Arbeitsverhältnisse. Zum anderen falle der Vorteil im Vergleich zu den Bruttoarbeitslöhnen der Mitarbeiter deutlich aus dem Rahmen. Es sei nicht erkennbar, wieso die bisherigen Unternehmensinhaber dem Mitarbeiter für in der Vergangenheit geleistete Dienste eine solche Summe zukommen lassen sollten. Insofern unterscheide sich der Streitfall maßgeblich auch von dem Sachverhalt des BFH-Urteils vom 30.12.2004 V B 67/03, BFH/NV 2005, 702.

 

Hinweis für die Praxis

Das Urteil des BFH ist zu begrüßen. Es vermittelt Rechtssicherheit. Damit können auch leitende Mitarbeiter schenkweise oder teilunentgeltlich Unternehmensnachfolger werden, ohne dem Risiko der Einkommensteuererhebung zu unterfallen. Allerdings sollte die Vertragsgestaltung eng an den Vorgaben des BFH ausgerichtet und die Beweggründe dokumentiert werden.

Auch wenn der konkrete Vertrag den Erwerb nicht an den Erhalt der Arbeitsplätze knüpfen soll, müssen die Vertragsbeteiligten diesen Aspekt im Blick behalten: Anderenfalls fällt bei Unterschreiten der Mindestlohnsumme in Betrieben, die mehr als fünf Beschäftigte haben, (teilweise) nachträglich Schenkungsteuer an (§ 13a Abs. 3 ErbStG).

Dr. Heinz-Willi Kamps
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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