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Zehnt – der Steuerblog
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BFH: Persönliche Steuerhaftung eines vorläufigen Sachwalters
Der VII. Senat des Bundesfinanzhofs hat sich in seinem jüngst veröffentlichten Urteil (BFH vom 20.2.20224 VII R 16/21) mit den Anforderungen an die steuerliche Haftung eines vorläufigen Sachwalters auseinandergesetzt.
Grundsätzlich haften die gesetzlichen Vertreter (§ 34 AO) sowie die Verfügungsberechtigten (§ 35 AO) nach § 69 AO für eine Steuer, soweit diese Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis jedenfalls grob fahrlässig verletzt haben und die Steuer dadurch nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt wird oder soweit infolgedessen Steuervergütungen / Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Schutzschirmverfahren aus dem Jahr 2014 hat der BFH zu einer besonderen Konstellation im Insolvenzrecht Stellung genommen. Im Rahmen einer Eigenverwaltung wurde kein Zustimmungsvorbehalt zugunsten des vorläufigen Sachwalters ausgesprochen. Dieser hatte aber nach § 275 Abs. 2 InsO die Kassenführung an sich gezogen. Sämtliche eingehenden und ausgehenden Zahlungen wurden daraufhin über ein hierfür auf seinen Namen eingerichtetes Anderkonto realisiert. Der Schuldner hatte dazu sämtliche Bankguthaben auf das Anderkonto transferiert. In der Folgezeit erfolgen zwar noch die Lohnsteueranmeldungen aber keine Lohnsteuerzahlungen mehr, weshalb diese vom Finanzamt zur Insolvenztabelle angemeldet wurden.
Das Finanzamt hatte den vorläufigen Sachwalter später als Verfügungsberechtigten in Haftung genommen, was durch die Vorinstanz (FG Düsseldorf, Urteil vom 12.3.2021 14 K 3658/16, ZIP 2021, 1410) zunächst verworfen wurde. Demnach sei der vorläufige Sachwalter kein Verfügungsberechtigter, da die Kassenführung nur ein Instrument zur Überwachung des Schuldners sei. Überweisungen werden nur auf Veranlassung des Schuldners getätigt, damit fehle die für § 35 AO zusätzlich erforderliche rechtliche Verfügungsbefugnis, mit Wirksamkeit nach außen das Vermögen des Schuldners zu mindern.
Dieser Argumentation ist der BFH nun jedenfalls für den Einzelfall entgegengetreten. Aus der Besonderheit der Einrichtung eines Anderkontos auf Namen des vorläufigen Sachwalters, habe dieser eine dem Treuhänder vergleichbare Stellung erlangt. Da sämtliche ein- und ausgehenden Zahlungen über das Konto abgewickelt wurden, habe dieser die rechtliche wie auch wirtschaftliche Verfügungsmacht innegehabt, welche die Pflichtenstellung des § 35 AO begründen.
Die Entscheidung zeigt einmal mehr die Gefahrgeneigtheit der insolvenzrechtlichen Tätigkeit auf, zugleich wird aber die aus Sicht des Sachwalters maßgebliche rote Linie des Einzelfalls herausgearbeitet. Schädlich ist demnach die Einrichtung eines auf eigenen Namen geführten Anderkontos. Dies ist zwischenzeitlich ohnehin insolvenzrechtlich nicht mehr zulässig (BGH vom 7.2.2019 IX ZR 47/18, BGHZ 221, 87, Rz. 31 ff.), sodass die konkrete Haftungsgefahr nur Altfälle betreffen dürfte. Wenn vom vorläufigen Sachwalter nur die Kassenführung übernommen wurde, ergibt sich aus der Argumentation des BFH keine Verfügungsberechtigung im Sinne von § 35 AO, sodass eine steuerrechtliche Haftung nach § 69 AO ausscheidet.
Beraterhinweis
Die Entscheidung hat nur begrenzte Auswirkungen auf zukünftige Haftungsverfahren, da sich die Inanspruchnahme mit Blick auf die zwischenzeitlich neu eingeführte Regelung des § 15b Abs. 8 InsO grundsätzlich geändert hat. Die Nichtabführung der Steuern ist – soweit die Insolvenzantragspflicht ordnungsgemäß beachtet wird – zwischenzeitlich im Zeitraum ab Insolvenzantragspflicht bis Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag nicht mehr haftungsbewehrt (BFH vom 20.2.20224 VII R 16/21, Rz. 47 f.).
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