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BFH: Gesellschafterbezogene Nachversteuerung nach § 15 Abs. 3 EStG

§ 15a EStG führt in der Praxis zu zahlreichen Auslegungsfragen. Dies betrifft nicht nur die laufende Besteuerung. Das aktuelle Urteil des BFH vom 20.6.2024 (IV R 17/21) zeigt einmal mehr, dass sich diese auch bei der unentgeltlichen Übertragung von Mitunternehmeranteilen ergeben können. Streitig war, wem bei einer unterjährigen Übertragung des Mitunternehmeranteils ein fiktiver Gewinn nach § 15a Abs. 3 EStG zuzurechnen ist – dem ausscheidenden Kommanditisten oder dem Erwerber?

 

I. Rechtlicher Hintergrund – Nachversteuerung gem. § 15a Abs. 3 EStG

Gem. § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG ist dem Kommanditisten ein Gewinn zuzurechnen, soweit bei ihm durch Entnahmen ein negatives Kapitalkonto entsteht (sog. Einlageminderung). Gem. § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG ist dem Kommanditisten ein Gewinn zuzurechnen, wenn die im Handelsregister eingetragene Einlage des Kommanditisten gemindert wird (sog. Haftungsminderung).

Beide Vorschriften möchten eine Umgehung des § 15a Abs. 1 EStG verhindern. Der Grundtatbestand beschränkt den Verlustausgleich, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Das Verlustausgleichsvolumen erhöht sich in zwei Fällen:

  • Grds. durch eine Einlage des Kommanditisten in die Gesellschaft (vgl. § 15a Abs. 1 EStG)
  • Im Falle einer sog. „überschießenden Außenhaftung“, bei der die im Handelsregister eingetragene Einlage des Kommanditisten seine geleistete Einlage übersteigt (§ 15a Abs. 1 Satz 2 EStG)

Wird nun die Einlage oder die Außenhaftung im Folgezeitraum wieder gemindert, soll daraus kein steuerlicher Vorteil resultieren. Rechtstechnisch verwirklicht § 15a Abs. 3 EStG dies – statt durch die Änderung des zurückliegenden Steuerzeitraums – durch eine Nachversteuerung.

 

II. Sachverhalt des BFH-Falls

Klägerin war eine GmbH & Co. KG, an der Herr A als Kommanditist zu 100 % beteiligt war. Die im Handelsregister eingetragene Hafteinlage des Herrn A betrug bei Gründung € 25.000,--. In der Folgezeit leistete Herr A eine Pflichteinlage an die GmbH & Co. KG. Dies wirkte sich nicht auf die Höhe der im Handelsregister eingetragenen Hafteinlage aus.

Die Klägerin erwirtschaftete in den Jahren nach ihrer Gründung zunächst Verluste, die bei Herrn A nicht der Beschränkung des § 15a Abs. 1 EStG unterlagen.

Im Oktober 2003 wurde eine Erhöhung der Hafteinlage des Herrn A beschlossen und in das Handelsregister eingetragen. Im November 2003 wurde die bisherige Pflichteinlage des Herrn A gemindert. Die GmbH & Co. KG zahlte den Betrag an Herrn A aus. Sein Kapitalkonto wurde dadurch negativ

Herr A übertrug im Dezember 2003 seinen Anteil an der Klägerin unentgeltlich auf die Z-Stiftung. Der Eintrag des Gesellschafterwechsels mitsamt der Kommanditeinlage der Z-Stiftung erfolgte im Februar 2004.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass bei der Z-Stiftung nach § 15a Abs. 3 EStG ein Gewinn hinzuzurechnen sei, da ihre Hafteinlage zum Bilanzstichtag am 31.12.2003 nicht im Handelsregister eingetragen gewesen sei.

 

III. Entscheidung des BFH

Der BFH entschied, dass der Z-Stiftung als Erwerberin kein Gewinn nach § 15 Abs. 3 EStG zuzurechnen ist.

1. Keine Einlageminderung, § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG

Der Z-Stiftung könne die Entnahme des Herrn A nicht zugerechnet werden. § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG sei gesellschafterbezogen und nicht beteiligungsbezogen auszulegen. Das Zurechnungssubjekt des fiktiven Gewinns sei derjenige Kommanditist, der die Minderung der Einlage vorgenommen habe. Dies entspreche dem Grundsatz der Individualbesteuerung. Da es sich bei der Einlageminderung um einen gesellschafterbezogenen Vorgang handele, sei ausnahmsweise nicht auf die Verhältnisse am Bilanzstichtag abzustellen. Es mache somit keinen Unterschied, dass die Übertragung des Mitunternehmeranteils unterjährig erfolgte.

2. Keine Haftungsminderung, § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG

Die Z-Stiftung habe als Erwerberin auch keine Haftungsminderung verwirklicht. Es mangele schon deshalb an der notwendigen Minderung der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme, da die Z-Stiftung im Streitjahr 2003 noch nicht als Kommanditistin mit einer bestimmten Haftsumme im Handelsregister eingetragen gewesen sei.

 

IV. Einordnung

1. Unentgeltliche Übertragung bei Übernahme negativer Kapitalkonten?

Nach der Rechtsprechung des BFH kann ein Mitunternehmeranteil unentgeltlich übertragen werden, obwohl ein negatives Kapitalkonto übernommen wird. Dies ist jedenfalls dann möglich, wenn die übertragenen stillen Reserven höher sind als das übernommene negative Kapitalkonto (BFH vom 1.3.2018 IV R 16/15, BStBl. II 2018, 817 mwN).

2. Anteilsbezogene vs. gesellschafterbezogene Betrachtung

Auf den ersten Blick scheint das vorliegende Urteil (IV R 17/21) dem letzten Urteil des BFH zur unentgeltlichen Übertragung von Mitunternehmeranteilen zu widersprechen (BFH vom 1.3.2018 IV R 16/15, BStBl. II 2018, 817). Dort entschied der BFH, dass der verrechenbare Verlust iSv. § 15a Abs. 2 EStG auf den unentgeltlichen Erwerber übergeht und stellte eine anteilsbezogene Betrachtung an (BFH IV R 16/15, aaO). Nun urteilt der BFH, dass eine Einlage- oder Haftungsminderung gerade nicht dem Erwerber zugerechnet wird und stellt eine gesellschafterbezogene Betrachtung an (IV R 17/21, Rz. 26 ff.).

Die unterschiedliche Behandlung lässt sich jeweils mit dem Grundsatz der Individualbesteuerung erklären:

  • In der Konstellation des § 15a Abs. 3 EStG wird der fiktive Gewinn vom ausscheidenden Gesellschafter „erwirtschaftet“, indem er die Einlageminderung verwirklicht (IV R 17/21).
  • Im Falle des Übergangs der verrechenbaren Verluste ist es erst der Erwerber, der wirtschaftlich belastet ist. Er kann die selbst erwirtschafteten Gewinne aufgrund des übernommenen negativen Kapitalkontos zunächst nicht an sich auszahlen lassen. Daher ist es gerechtfertigt, dass er die verrechenbaren Verluste übernimmt (IV R 16/15).

Beide Urteile zeigen, dass sich die Rechtsfolgen negativer Kapitalkonten bei der unentgeltlichen Übertragung von Mitunternehmeranteilen komplex gestalten können. Dem ist bei der Ausarbeitung der vertraglichen Vereinbarungen unbedingt Beachtung zu schenken.

3. Systematische Kritik

Systematisch ist und bleibt § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG kritikwürdig. Die Regelung führt zu einem Ungleichgewicht: Die positive Wirkung von Einlagen auf die Ausgleichsfähigkeit von Verlusten wird durch § 15a Abs. 1a EStG ganz erheblich eingeschränkt. Demnach können sich Einlagen nur auf den Verlust auswirken, der im Jahr der Einlageleistung entstanden ist. Eine entsprechende Einschränkung enthält § 15a Abs. 3 EStG nicht. Damit kann § 15a Abs. 3 EStG zur Anwendung gelangen, obwohl dem kein steuermindernder Effekt vorangegangen ist (SEUFER in BeckOK EStG, § 15a Rz. 478 ff. (Juli 2024)).

Prof. Dr. Burkhard Binnewies
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Dr. Markus Surmann
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