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Zehnt – der Steuerblog
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Besser Sterben als Verzichten zur Erlangung erbschaftsteuerlicher Freibeträge?
I. Erbschaftsteuerliche Freibeträge
Das Erbschaftsteuerrecht gewährt persönliche Freibeträge. Diese richten sich nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser. Je näher das verwandtschaftliche Verhältnis, umso höher ist der Freibetrag. Der höchste Freibetrag greift für Ehegatten und Lebenspartnern (€ 500.000,--; § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Für Zuwendungen an Kinder beträgt er € 400.000,-- (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt. ErbStG).
Bei Erwerben der Enkel von den Großeltern ist zu unterscheiden. Zu Lebzeiten der Eltern steht den Enkeln gegenüber den Großeltern ein Freibetrag iHv. € 200.000,-- zu (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Sind die Eltern hingegen bereits verstorben, steht bei Zuwendungen der Großeltern (auch) den Enkeln der höhere Freibetrag iHv. € 400.000,-- zu (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. ErbStG). Damit trägt der Gesetzgeber dem Gedanken Rechnung, dass in den Fällen, in denen die Eltern bereits verstorben sind, die Verantwortung für das Auskommen der Enkel den Großeltern zukommt.
II. Entscheidung des BFH vom 31.7.2024
In seiner jüngst veröffentlichten Entscheidung vom 31.7.2024 (II R 13/22) hatte der BFH darüber zu entscheiden, wie sich ein Erbverzicht der Eltern auf den Freibetrag der Enkelkinder auswirkt.
1. Ausgangslage
Im Entscheidungsfall wurde der Enkel von seinem im Jahr 2019 verstorbenen Großvater (Erblasser) testamentarisch als Erbe zu einem Viertel eingesetzt. Zuvor hatte sein Vater (der Sohn des Erblassers) im Jahr 2013 gegenüber dem Erblasser auf sein gesetzliches Erbrecht einschließlich seines Pflichtteilsrechts verzichtet. Bei einem solchen Erbverzicht wird für die Erbfolge ein Vorversterben des Verzichtenden (des Vaters) fingiert (§ 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Erstreckung des Erbverzichts auf weitere Abkömmlinge wurde ausgeschlossen (§ 2349 BGB).
In seiner Erbschaftsteuererklärung beantragte der Enkel die Gewährung eines Freibetrags iHv. € 400.000,--. Das Finanzamt und das Finanzgericht (Niedersächsisches FG vom 28.2.2022 3 K 176/21, EFG 2022, 1118) folgten dem nicht.
2. Rechtliche Würdigung des BFH
Nach Auffassung des BFH steht dem Enkelkind in diesem Fall (lediglich) ein Freibetrag iHv. € 200.000,-- zu:
- Der zivilrechtliche Verzicht des Vaters gegenüber dem Großvater auf den gesetzlichen Erbteil bewirke nicht, dass seinem Kind – dem Enkel des Erblassers – der Freibetrag zu gewähren ist, der im Falle des Versterbens des Vaters gilt. Das Erbschaftsteuerrecht folgt insoweit nicht der Fiktion des Zivilrechts.
- Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG („Kinder“ sowie „Kinder verstorbener Kinder“) sei dahingehend zu verstehen, dass die Kinder des Erblassers – die Eltern – tatsächlich verstorben sein müssen. Die (zivilrechtliche) Vorversterbensfiktion des § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB bewirke nicht, dass das erbverzichtende Kind als "verstorbenes Kind" im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. ErbStG gilt und dessen Abkömmlinge den Freibetrag in Höhe von € 400.000,-- erhalten.
- Dies werde ferner durch die Systematik und den Sinn und Zweck der Norm gestützt. Ein solches Verständnis der Norm sei ferner verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
III. Praxishinweis
Rein steuerlich ist es nach der Entscheidung des BFH vom 31.7.2024 (II R 13/22) ungünstig, den Tod durch den Erbverzicht zu ersetzten. Um im realen Leben bei Übertragungen auf die Enkelkinder die Freibeträge optimal auszunutzen, kommt als Alternative des Erbverzichts folgende Gestaltung in Betracht: Zunächst könnte das Vermögen vom Großvater auf den Vater (Freibetrag € 400.000,--) und sodann an dessen Sohn (den Enkel) (Freibetrag wiederum € 400.000,--) übertragen werden (sog. Kettenschenkung). Damit ein steuerpflichtiger Erwerb der Zwischenperson – des Vaters – vorliegt, muss dieser allerdings frei entscheiden können, ob er das geerbte Vermögen behält oder weiterveräußert (vgl. dazu BFH vom 22.12.2004 II B 166/03, BFH/NV 2005, 705). Andernfalls erwirbt der Enkel direkt vom Großvater – mit einem entsprechend geringeren Freibetrag (€ 200.000,--).