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Der Zehnt Aktuell
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Wirksame Bekanntgabe trotz Vollmachtswiderruf – Teil 2
„Die wirksame Bekanntgabe eines an einen Bevollmächtigten adressierten schriftlichen Verwaltungsakts, der im Inland durch die Post übermittelt wird und diesem tatsächlich zugeht, ist nicht davon abhängig, dass die Außenvollmacht des Bevollmächtigten im Bekanntgabezeitpunkt noch besteht.“
Mit Urteil vom 11.6.2024 (IX R 30/23), dem dieser Leitsatz entnommen ist, hat sich der IX. Senat des BFH der Entscheidung des VI. Senats vom 8.2.2024 (VI R 25/21, BFH/NV 2024, 873) angeschlossen. Über diese hatten wir bereits in unserem Newsletter vom 20.6.2024 berichtet.
Sachverhalt
Während der VI. Senat im Februar über eine Einspruchsentscheidung urteilte, lag der jüngst ergangenen Entscheidung des IX. Senats ein Streit über die wirksame Bekanntgabe von (geänderten) Einkommensteuerbescheiden zugrunde.
Das Finanzamt erließ die in Rede stehenden Bescheide am 21.12.2021 und übersendete sie an eine Steuerberaterkanzlei, die der Kläger ua. zur Entgegennahme von Steuerbescheiden bevollmächtigt hatte. Dort gingen die Bescheide am 22.12.202 ein. Weil der Kläger das Mandat zwischenzeitlich beendet hatte, löschte die Kanzlei noch am selben Tag (22.12.2022) die Vollmacht in der elektronischen Vollmachtsdatenbank bei der örtlichen Steuerberaterkammer und leitete den Widerruf an das Finanzamt weiter. Dort ging dieser am 23.12.2021 ein.
Entscheidung des BFH
Wird ein Steuerbescheid durch die Post übermittelt, gilt er grundsätzlich am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO. Dieser Bekanntgabevermutung steht nach Auffassung des BFH nicht entgegen, dass das Finanzamt nach der Aufgabe des Verwaltungsakts zur Post von dem Widerruf der Vollmacht Kenntnis erlangt hat. Denn ein Widerruf der Vollmacht werde gemäß § 80 Abs. 1 Satz 3 AO gegenüber der Finanzbehörde erst wirksam, wenn er dieser zugeht. Bis zu diesem Zeitpunkt könne das Finanzamt noch Verfahrenshandlungen im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 2 AO gegenüber dem Bevollmächtigten vornehmen. Die wirksame Bekanntgabe eines an den Bevollmächtigten adressierten Verwaltungsakts hänge nicht davon ab, ob die Vollmacht auch bei Ablauf der Frist des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO noch besteht.
Die Begründung für diese Auffassung gleicht derjenigen aus der Entscheidung des VI. Senats vom 8.2.2024: Von einer wirksamen Bekanntgabe trotz Vollmachtswiderrufs innerhalb der Drei-Tages-Frist sei bereits aufgrund des Wortlauts von § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO auszugehen, der die Bekanntgabe ohne weitere Voraussetzungen vermute. Zudem verfolge § 80 Abs. 1 Satz 3 AO den Zweck, dass sich die Behörde solange auf eine erteilte Vollmacht verlassen können soll, bis ihr der Widerruf der Vollmacht zugeht. Bei der gerichtlichen Überprüfung einer Ermessensentscheidung – hier die Entscheidung, ob er Verwaltungsakt dem Beteiligten oder seinem Bevollmächtigten gegenüber bekanntgegeben wird (§ 122 Abs. 1 Satz 3 AO) – komme es schließlich stets auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungshandlung an. Später eintretende Umstände seien für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit hingegen grundsätzlich nicht erheblich.
Für den jüngst entschiedenen Fall folgt daraus im Ergebnis, dass die Einkommenssteuerbescheide der Kanzlei am 24.12.2021 bekanntgegeben wurden. Pünktlich zu Beginn der dunklen Jahreszeit schließt die Entscheidungsbegründung insoweit mit einer finanzgerichtlichen Feststellung zum Weihnachtsfest: Die Regelung des § 108 Abs. 3 AO komme nicht zur Anwendung; der Heiligabend sei ein Werktag.
Beraterhinweis
Wird eine Vollmacht im zeitlichen Zusammenhang mit der Übermittlung eines Verwaltungsakts widerrufen, sollte der Berater bei der Berechnung von Einspruchs- und Klagefristen besonders aufmerksam sein. Für die Frage einer wirksamen Bekanntgabe ist grundsätzlich die Situation im Zeitpunkt der Aufgabe des Verwaltungsakts zur Post maßgeblich.
Übermittelt das Finanzamt nach Kenntnisnahme des Vollmachtswiderufs den Verwaltungsakt aufgrund bestehender Zweifel erneut, wird dadurch keine neue Einspruchs- bzw. Klagefrist in Gang gesetzt. Diesem vermeintlich naheliegenden Einwand hatte der BFH bereits in seiner Entscheidung vom 8.2.2024 eine Absage erteilt.