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Unionsrechtliche Zweifel am Aufteilungsgebot im Hotelgewerbe iSv. § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG (BFH vom 7.3.2022 XI B 2/21)

Der BFH hält es für ernstlich zweifelhaft, ob das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG im nationalen Recht angeordnete Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, mit Unionsrecht vereinbar ist (BFH vom 7.3.2022 XI B 2/21, Anschluss an BFH vom 26.5.2021 V  R 22/20, BFH/NV 2021, 1316).

Für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen gilt gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7%. Vom ermäßigten Steuersatz ausdrücklich ausgenommen sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG die nicht unmittelbar der Vermietung dienenden Leistungen (wie Frühstück, Spa etc.). Für diese gilt der Regelsteuersatz von 19%, auch wenn sie mit dem Entgelt für die Vermietungsleistung abgegolten sind. Hieraus folgt ein entsprechendes Aufteilungsgebot, an dem der BFH nun unionsrechtliche Zweifel hegt. 

Sachverhalt
Streitig ist, ob Leistungen der Antragstellerin an ihre Hotelgäste als einheitliche Leistungen dem ermäßigten Steuersatz i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 des UStG unterliegen.
Die Antragstellerin betreibt ein Hotel und Restaurant. Die Hotelgäste erhielten auch ein Frühstück sowie Zugang zur hoteleigenen Badelandschaft (Spa). Übernachtungen ohne Frühstück oder Zugang allein zum Spa bot die Antragstellerin nicht an.

Das Finanzamt behandelte Übernachtung, Frühstück und Spa jeweils als eigenständige Leistungen. Für die Übernachtung wandte es den ermäßigten Steuersatz von 7% und gemäß dem Aufteilungsgebot iSv. § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG für Frühstück sowie Spa den allgemeinen Steuersatz von 19 % an. Im AdV-Verfahren beim Finanzgericht Nürnberg begründete die Antragstellerin ihren AdV-Antrag unter Verweis auf das EuGH-Urteil vom 18.1.2018, C-463/16 „Stadion Amsterdam“ mit unionsrechtlichen Zweifeln am Aufteilungsgebot des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG.

Der AdV-Antrag hatte keinen Erfolg (FG Nürnberg vom 18.12.2020 2 V 1159/20, EFG 2021, 422). Das Finanzgericht Nürnberg ließ für das Streitjahr 2017 die Beschwerde zu.

Entscheidung des BFH
Der BFH gab der für das Streitjahr 2017 zugelassenen Beschwerde statt. Wegen unionsrechtlicher Zweifel am von § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG für Hotelleistungen vorgesehenen Aufteilungsgebot setzte der BFH die Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids 2017 insoweit aus.

Das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG normierte Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, wurde vom erkennenden Senat bisher als unionsrechtskonform angesehen (vgl. BFH vom 24.4.2013 XI R 3/11, BStBl. II 2014, 86, Rz. 51, mwN.; offen lassend BFH vom 13.6.2018 XI R 2/16, BStBl. II 2018, 678, Rz. 24).

Ob an dieser Rechtsprechung des Senats noch festzuhalten ist, hält der BFH nach Ergehen der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Stadion Amsterdam (EuGH vom 18.1.2018 C-463/16 „Stadion Amsterdam“) nun für fraglich. Denn hieraus könnte für das gesetzliche Aufteilungsgebot in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG folgen, dass bei unselbstständigen Nebenleistungen die gesamte einheitliche Leistung dem ermäßigten Steuersatz der Hauptleistung "Übernachtung" zu unterwerfen ist. Die sich aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung ergebende Rechtsfolge, dass die unselbstständige Nebenleistung stets das Schicksal der Hauptleistung zu teilen hat, könnte insoweit das Aufteilungsgebot aus § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG verdrängen.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids sieht der erkennende Senat des BFH zudem im Anschluss an den Vorlagebeschluss des V. Senat des BFH vom 26.5.2021 (BFH vom 26.5.2021 V R 22/20, BFH/NV 2021, 1316) zur Frage der Unionsrechtskonformität des Aufteilungsgebots iSv. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG. Danach hat der EuGH (Az. C-516/21) zu klären, ob bei einer einheitlichen Leistung die Hauptleistung einerseits steuerfrei und die Nebenleistung andererseits steuerpflichtig sein kann. Dies könnte ausstrahlen auf die den Streitfall betreffende Frage, ob bei einer einheitlichen Leistung unterschiedliche Steuersätze nach dem im nationalen Recht angeordneten Aufteilungsgebot iSv. § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG möglich sind.

Einordung der BFH-Entscheidung und Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung des XI. Senats des BFH ist von hoher Praxisrelevanz, inhaltlich überzeugend und aus Sicht der Hotelbranche nur zu begrüßen. Es handelt sich indes nur um eine Entscheidung im AdV-Verfahren, dh. um eine Entscheidung vorläufiger Natur. In einem etwaigen Hauptsacheverfahren dürfte der BFH an seinen Zweifeln an der Unionsrechtskonformität des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG mit hoher Wahrscheinlichkeit festhalten. Dies zumindest bis zum Ergehen der aufgrund des Vorabentscheidungsersuchen des V. BFH-Senats (BFH vom 26.5.2021 V R 22/20, BFH/NV 2021, 1316) zu erwartenden Entscheidung des EuGH (Az. C-516/21) zur Frage der Unionsrechtskonformität des Aufteilungsgebots iSv. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG.

Allen vom Aufteilungsgebot des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG betroffenen Unternehmen mit entsprechenden Beherbergungsumsätzen sollten ihre Umsatzsteuerfestsetzung offen halten und mit Verweis auf das EuGH-Verfahren (Az. C-516/21) aus Zweckmäßigkeitsgründen das Ruhen des Verfahrens iSv. § 363 Abs. 2 Satz 1 AO beantragen.