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Umsatzsteuer auf Bestechungslohn?

BFH zur Umsatzbesteuerung bei strafrechtlicher Abschöpfung des erlangten Vorteils

Auch illegale Geschäfte unterliegen der Umsatzsteuer. Dies ist keine Neuigkeit, sondern folgt aus allgemeinen Grundsätzen des deutschen Steuerrechts (§ 40 AO). Der EuGH vertritt allerdings in Teilbereichen eine abweichende Ansicht, so dass die deutsche Rechtsprechung in dieser Frage zuletzt etwas ins Wanken geraten ist und Ausnahmen anerkannt hat (zu Einzelheiten vgl. Wulf, Stbg 2022, 349). Unklar ist, wie sich dies auf die umsatzsteuerliche Einordnung von Bestechungszahlungen auswirkt. Zudem stellt sich mit der zunehmenden Bedeutung von strafrechtlichen Einziehungsmaßnahmen die Frage, wie eingezogene Gelder umsatzsteuerlich zu behandeln sind. Zu beiden Aspekten hat der BFH jetzt eine Grundsatzentscheidung getroffen (BFH vom 25.9.2024 XI R 6/23). 

Danach können Bestechungsgelder im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) der Umsatzsteuer unterliegen. Eine Doppelbelastung durch (Umsatz-)Besteuerung und spätere Einziehung der Beträge sei jedoch unverhältnismäßig, so dass strafrechtliche Abschöpfungsbeträge nach § 17 UStG steuermindernd zu berücksichtigen seien. 

Im Entscheidungsfall hatte ein Projektleiter bei der Vergabe von Ingenieuraufträgen Zuwendungen in Form von kostenlosen Leistungen für seinen privaten Hausbau erhalten. Die Finanzbehörde unterwarf diese Vorteile der Umsatzsteuer. Eben jene Vorteile unterlagen später im Strafverfahren als Bestechungsgelder der Einziehung. Der Steuerpflichtige wehrte sich gegen die Besteuerung und war erst recht nicht bereit, Umsatzsteuer auf den abgeführten Einziehungsbetrag zu zahlen. Der BFH gab ihm im zweiten Punkt Recht. 

Umsatzsteuer sei im konkreten Fall allerdings entstanden. Denn die „Auswahlleistung“, für die der Projektleiter sich habe bezahlen lassen, sei in einem legalen Wirtschaftssektor erfolgt und unterliege keinem generellen Verkehrsverbot, weshalb es sachgerecht sei, sie als steuerbar anzusehen. Hinsichtlich der Doppelbelastung durch Besteuerung und strafrechtliche Einziehung will der BFH jedoch die vom BVerfG für die Ertragsteuern entwickelte „steuerliche Lösung“ auf das UStG übertragen: Eine wirtschaftliche Abschöpfung des Entgelts durch die Einziehung führe in Kombination mit der (Umsatz-)Besteuerung des gleichen Betrags zu einem staatlichen Eingriff, der mit dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht mehr vereinbar sei. Das Steuerrecht müsse insoweit zurücktreten (deshalb auch bezeichnet als „steuerliche Lösung“).

Konkret löst der BFH das Problem durch eine erweiternde Auslegung von § 17 Abs. 1 UStG. Die Einziehung bewirkt im Fall der Korruptionszahlung zwar keine Rückerstattung an den Leistungsempfänger, sie sei aber steuerlich damit vergleichbar. Die strafrechtliche Einziehung wird deshalb durch den BFH einer nachträglichen Minderung der Bemessungsgrundlage gleichgestellt. Die Einziehung wird zum Vehikel einer Rückabwicklung des (illegalen) Umsatzes mit der Folge: Ohne Umsatz keine Besteuerung. 

 

Praxishinweis

Relevant bleibt die Frage des Zeitpunkts der Korrektur nach § 17 UStG. Der BFH tendiert dazu, die Minderung der Bemessungsgrundlage erst mit der Einziehungsentscheidung des Strafgerichts eintreten lassen zu wollen. Dem sollte man als Berater und Beraterin in der Praxis entgegentreten, denn richtigerweise muss bereits die Herausgabe oder Sicherstellung des Erlangten im Rahmen von Arrestmaßnahmen den steuerlichen Reflex auslösen. Auch in der vorgelagerten Frage der Steuerbarkeit bleibt uE Raum für Diskussionen. Denn wenn man genau hinschaut, dann dürfte es in vielen Fällen zweifelhaft sein, ob die durch Bestechung erreichte „Bevorzugungsleistung“ wirklich in einem theoretischen Wettbewerb mit legal handelnden Anbietern steht. Scheidet eine solche Wettbewerbssituation jedoch aus, dann soll es sich nach den vom BFH zitierten Vorgaben des EuGH schon nicht um eine steuerbare Dienstleistung handeln.

Dr. Martin Wulf
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Carsten Odinius
Rechtsanwalt
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