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Trennungsbedingter Auszug und Veräußerung des Familienheims durch einen Ehepartner

1. Die Anzahl der Scheidungen nimmt zu. Oftmals sind die Eheleute Eigentümer eines vor weniger als zehn Jahren angeschafften Familienheims. Hierbei kann es sich auch um eine Eigentumswohnung handeln. Überträgt sodann ein Ehegatte seinen Miteigentumsanteil auf den anderen Ehegatten, besteht die Gefahr eines steuerpflichtigen Veräußerungstatbestands im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. EStG (sogenanntes privates Veräußerungsgeschäft). Dies gilt auch dann, wenn die Übertragung im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung erfolgt. Dies gilt nach dem Urteil des BFH vom 14.2.2023 IX R 11/21 auch dann, wenn die Veräußerung vor dem Hintergrund der drohenden Zwangsvollstreckung vorgenommen wird. 

2. Zwar sieht § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG eine Ausnahme vor:

Nicht steuerbar ist die Veräußerung von Wirtschaftsgütern, und damit auch Immobilien, die im Zeitraum zwischen der Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Grundsätzlich nimmt der BFH eine großzügige Objektbeschreibung vor. Das Gebäude wird danach zu eigenen Wohnzwecken auch dann genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt weder die Nutzung als Hauptwohnung voraus, noch muss sich dort der Schwerpunkt der persönlichen und familiären Lebensverhältnisse befinden. Ein Steuerpflichtiger kann deshalb mehrere Gebäude gleichzeitig zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Erfasst sind daher auch Zweitwohnungen, nicht nur zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden. Unschädlich ist auch, wenn die Wohnung an ein einkommensteuerpflichtig zu berücksichtigendes Kind unentgeltlich zur Nutzung überlassen wird. In diesem Fall ist die Nutzung durch das Kind dem Eigentümer als eigenen zuzurechnen (vergleiche bereits BFH vom 18.1.2011 X R 13/10, BFH/NV 2011, 974). 

3. Insofern besteht ein wesentlicher Unterschied zur erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigung des Familienheims im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4a, b und c ErbStG. Nach dieser Vorschrift nicht als Familienheim begünstigt sind Ferien- und Zweitwohnungen. Voraussetzung ist die Nutzung der Wohnung als Familienmittelpunkt. 

4. Überlässt der Steuerpflichtige die Wohnung nicht ausschließlich einem einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigenden Kind unentgeltlich zur Nutzung, sondern zugleich einem Dritten (zum Beispiel der Kindesmutter bzw. dem Kindesvater), liegt keine begünstigte Nutzung des Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG vor. Dies hat der BFH nun nochmals in seiner Entscheidung vom 14.2.2023 klargestellt. Dies gilt selbst während des Trennungsjahrs der noch nicht geschiedenen Ehepartner (vergleiche LEVEDAG in Schmidt, EStG, 41. Aufl., 2022, § 23 Rz. 19 mwN aus der finanzgerichtlichen Rechtsprechung). Auch dies bestätigt letztendlich der BFH, ohne ausdrücklich auf das Trennungsjahr einzugehen. Im zu entscheidenden Fall waren die Eheleute bereits geschieden. Er betont insofern nochmals, dass die Nutzung des Einfamilienhauses durch die geschiedene Ehefrau des Klägers diesem nicht als Eigennutzung zugerechnet werden kann. 

5. Das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht sieht dies nach zutreffender Auffassung weniger streng. Begünstigt ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG eine ursprünglich gemeinsam genutzte Wohnung auch dann noch als Familienheim zu qualifizieren, wenn die Eheleute im Zeitpunkt der Schenkung bzw. im Zeitpunkt des Erwerbs von Todes wegen bereits getrennt sind (so FG Berlin vom 28.1.2003 5 K 5267/01 rkr., DStRE 201, 2017, SCHIENKE-OHLETZ in von Oertzen/Loose, ErbStG, 2. Aufl., 2020, Rz. 33). Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass auch im Fall des Getrenntlebens von Ehegatten die Übertragung eines von Familienmitgliedern bewohnten Hauses dem Ausgleich des während der Ehezeit gemeinsam Erarbeiteten dient. Es handelt sich dann immer noch um ein Familienheim, auch wenn die Eheleute dort nicht mehr gemeinsam leben. Eine Zäsur begründet allerdings beim Familienheim auch die Scheidung. In diesem Fall soll die Steuerbefreiung des Familienheims unter Ehegatten nicht mehr anwendbar sein, so dass eine Zuwendung vor Rechtskraft des Scheidungsurteils ratsam ist (vergleiche MEIN-CKE/HANNES/HOLTZ, 18. Aufl., 2021, § 13 Rz. 27). 

6. Die Problematik der Besteuerung des Familienheims als privates Veräußerungsgeschäft wird häufig auch bei der sogenannten Güterstandsschaukel übersehen. Wird in diesem Fall von dem Ehegatten, der den Zugewinnausgleich schuldet, sein Miteigentumsanteil am gemeinsamen Wohnhaus auf den anderen Ehegatten übertragen, liegt eine Veräußerung vor. Es handelt sich um eine Leistung an Erfüllungs statt. Dies kann gegebenenfalls durch eine vorher vorzunehmende modifizierte Zugewinngemeinschaft verhindert werden. 

Dr. Heinz-Willi Kamps
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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