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Tageweise Vermietung von eigengenutzten Immobilien kann Steuerfreiheit gefährden

Bereits seit einiger Zeit gehen immer mehr Steuerpflichtige dazu über, ihre eigengenutzte Wohnung (zB zu bestimmten Ereignissen wie dem Oktoberfest oder im Kölner Karneval) für kurze Zeit zu vermieten. Gefördert wird diese Entwicklung durch Internetportale wie Airbnb, die die Vermarktung und Vermietung vereinfachen. Von vielen Steuerpflichtigen wird jedoch häufig übersehen, dass sie dadurch eine mögliche Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns ihrer selbst genutzten Immobilie bei einer späteren Veräußerung gefährden.

Grundsätzlich unterliegen Gewinne bei privaten Immobilien-Veräußerungsgeschäften der zehnjährigen Spekulationsfrist der normalen Einkommensbesteuerung (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Im Gegenzug für die Verlängerung der Spekulationsfrist auf zehn Jahre durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl. I 1999, 402) wurden zwei wichtige Ausnahmen für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Immobilien in das EStG aufgenommen. Trotz Veräußerung vor Ablauf der zehnjährigen Spekulationsfrist unterliegt der Gewinn aus der Veräußerung einer Immobilie nicht der Besteuerung, wenn sie im Zeitraum zwischen der Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Alt. 1 EStG). Des Weiteren besteht Steuerfreiheit, wenn die Immobilie im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Alt. 2 EStG).

Während bei Alternative 1 eine nur kurzfristige Vermietung der grundsätzlich eigengenutzten Immobilie wegen des eindeutigen Wortlauts der Regelung („ausschließlich“) die Steuerbefreiung ausschließt, ist dies bei Alternative 2 umstritten. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass auch eine nur kurzfristige Fremdvermietung während des relevanten Zeitraums die Steuerbefreiung gemäß Alternative 2 ausschließt (BMF-Schreiben vom 5.10.2000, IV C 3-S 2256-263/00).

Es gibt durchaus gute Argumente, die Zweifel an dieser engen Sichtweise rechtfertigen. Gegen die restriktive Interpretation spricht bereits der Wortlaut der Regelung. Dieser legt nahe, dass in Alternative 2 eine gelegentliche Nutzung zu eigenen Wohnzwecken „im“ Jahr der Veräußerung und „in den“ beiden vorangegangenen Jahren genügt. Damit ist kein Zeitraum, sondern es sind Zeitpunkte gemeint (FG Köln vom 20.3.2014 3 K 3397/10, EFG 2014, 2143, rkr.). Der Begriff der Ausschließlichkeit wird zudem lediglich in der Alternative 1 als Tatbestandsvoraussetzung für die Steuerbefreiung herangezogen, in Alternative 2 hingegen nicht.

Im Sinne der restriktiven Auffassung der Finanzverwaltung hat jedoch vor Kurzem das FG München (vom 4.10.2019 13 K 115/18) gegen die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns in einem Fall geurteilt, in dem die Steuerpflichtigen vor Ablauf der Spekulationsfrist im Jahr der Veräußerung und im Vorjahr ihre eigengenutzte und voll ausgestattete Wohnung während der Zeit vermieteten, als sie selbst in Urlaub waren. Das FG München nahm hierbei Bezug auf eine Entscheidung des BFH vom 27.6.2017 (IX R 37/16, DStR 2017, 2268), in der der BFH geurteilt hatte, dass eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken „im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren“ (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Alt. 2 EStG) dann vorliege, wenn das Gebäude in einem zusammenhängenden Zeitraum genutzt wird, der sich über drei Kalenderjahre erstreckt, ohne sie – mit Ausnahme des mittleren Kalenderjahrs – voll auszufüllen. Auf das dem Wortlaut der Alternative 2 zu entnehmende Kriterium der „ausschließlichen“ Nutzung zu eigenen Wohnzwecken komme es hingegen laut FG München nicht an. Ähnlich sah dies das FG Baden-Württemberg, das allerdings zugunsten des Klägers der Klage stattgab. In dem dortigen Verfahren hatte der Kläger die Immobilie im Veräußerungsjahr nicht während des gesamten Kalenderjahrs zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Das Finanzgericht hatte gegen das Urteil keine Revision zugelassen. Nachdem das Finanzamt Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hatte, war das Verfahren (aufgrund BFH-Beschlusses vom 23.4.2019 IX B 28/19) beim BFH anhängig. Mit Urteil vom 3.9.2019 IX R 10/19 hat der BFH entschieden, dass es unschädlich sei, wenn eine Wohnimmobilie im Veräußerungsjahr kurzzeitig vermietet wird.

Beraterhinweis: Der BFH hat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt. Vor Ablauf der zehnjährigen Spekulationsfrist sollten sich Steuerpflichtige einer eigengenutzten Immobilie, die in Erwägung ziehen, diese zu veräußern, darüber bewusst sein, dass sie mit einer auch nur tageweisen Vermietung im relevanten Zeitraum die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns riskieren. Wegen uU überschaubarer (steuerpflichtiger) Vermietungseinkünfte wird dadurch in Zeiten stark steigender Immobilienpreise möglicherweise die Steuerfreiheit eines hohen Veräußerungsgewinns aufs Spiel gesetzt.

 

Dr. Dr. Norbert Mückl
Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht
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Giuseppe Vitale
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