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Zwischenurteil über die verlängerte Festsetzungsfrist bei Steuerhinterziehung?

Der BFH befasste sich in einem aktuellen Urteil vom 9.4.2025 II R 39/21 mit den Anforderungen an die Sachdienlichkeit eines Zwischenurteils nach § 99 Abs. 2 AO. Das Finanzgericht Nürnberg hatte in einem erbschaftsteuerlichen Streitfall durch ein Zwischenurteil über den Ablauf der verlängerten Festsetzungsfrist wegen Steuerhinterziehung gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AO entschieden (FG Nürnberg vom 17.6.2021 4 K 1444/18, EFG 2022, 1108). Diese Entscheidung hat der BFH aufgehoben, da die Voraussetzungen für den Erlass eines Zwischenurteils nach § 99 Abs. 2 FGO nicht vorlagen. Nach Auffassung des BFH kann ein Zwischenurteil über die verlängerte Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 FGO wegen Steuerhinterziehung nach § 370 AO nicht ergehen, wenn Feststellungen über Grund und Höhe des jeweiligen Steueranspruchs und damit zum objektiven und subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung fehlen.

 

I. Rechtliche Einordnung

  1. Gemäß § 99 Abs. 2 FGO kann das Gericht durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist und die Beteiligten nicht widersprechen.
  2. Eine Entscheidung durch Zwischenurteil ist insbesondere dann sachdienlich, wenn zu erwarten ist, dass die Beteiligten nach der verbindlichen Klärung der Rechtsfrage den Rechtsstreit rasch beilegen werden. Dahingegen ist nach der Rechtsprechung des BFH eine Entscheidung über eine Rechtsfrage nicht sachdienlich, wenn noch nicht alle für ihre abschließende Beantwortung im Urteilsfall erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen sind. Ein Zwischenurteil kommt daher nur zu solchen Vorfragen in Betracht, über die mit Sicherheit auch in einem Endurteil zu entscheiden wäre.
  3. Das Gericht kann nach eigenem Ermessen beurteilen, ob es durch Zwischenurteil gemäß § 99 Abs. 2 FGO entscheiden will. Liegt eine Entscheidung durch Zwischenurteil vor, überprüft der BFH im Rahmen der Revision, ob die Sachurteilsvoraussetzungen für den Erlass eines Zwischenurteils vorgelegen haben. Gemäß § 118 Abs. 3 Satz 2 FGO ist der BFH insoweit nicht an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden.
 

II. Entscheidung des BFH

  1. Nach Auffassung des BFH waren im Streitfall die Anforderungen an die Sachdienlichkeit eines Zwischenurteils nicht erfüllt. Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, über die Frage des Ablaufs der Festsetzungsfrist durch Zwischenurteil gemäß § 99 Abs. 2 AO zu entscheiden. Ein Zwischenurteil, in dem das Finanzgericht über die verlängerte Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO wegen Steuerhinterziehung nach § 370 AO entscheidet, setzt jedoch voraus, dass Feststellungen über Grund und Höhe des jeweiligen hinterzogenen Steueranspruchs und damit zum objektiven und subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO getroffen werden.
  2. Das Finanzgericht Nürnberg hat im Streitfall nicht alle tatsächlichen Feststellungen getroffen, um die Vorfrage über den Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AO entscheiden zu können. Nach Auffassung des BFH fehlten tatsächliche Feststellungen dazu, ob und in welcher Höhe unter Berücksichtigung des Kompensationsverbots nach § 370 Abs. 4 Satz 3 AO der jeweilige Steueranspruch besteht. Diese Feststellungen sind jedoch erforderlich, um prüfen zu können, ob und in welcher Höhe eine Steuerhinterziehung vorliegt.
  3. Der BFH hat das Zwischenurteil aufgehoben, da das Finanzgericht Nürnberg rechtsfehlerhaft die Sachdienlichkeit des Zwischenurteils angenommen hat. Die Sachdienlichkeit war vorliegend nicht gegeben, da das Finanzgericht ohne Feststellungen zu Grund und Höhe der jeweiligen Steueransprüche zu treffen, die verlängerte Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AO bejaht hat.
 

Beraterhinweis

Mit der Aufhebung des angefochtenen Zwischenurteils befindet sich das Klageverfahren wieder in dem Stadium, das vor Erlass des Zwischenurteils bestanden hat. Eine förmliche Zurückverweisung an das Finanzgericht Nürnberg war daher nicht erforderlich. Das Finanzgericht wird im weiteren Rechtsgang die fehlenden Feststellungen hinsichtlich einer etwaigen Steuerhinterziehung nachzuholen haben.

Dr. Herbert Olgemöller
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Partner
Sinikka Sproll
Rechtsanwältin
Associate
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