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Steuerblog
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Vertrauen ist gut, Gelangensbestätigung ist besser?
Der BFH hat die Revision zur Klärung der Rechtsfrage zugelassen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG zu versagen ist, wenn der Abnehmer einer innergemeinschaftlichen Lieferung dem Lieferanten im Abholfall keine Gelangensbestätigung übermittelt (BFH vom 29.8.2025 V B 34/25 juris; Vorinstanz FG Niedersachsen vom 13.5.2025 5 K 9/25, n.v.).
Innergemeinschaftliche Lieferungen werden zur Umsetzung des Bestimmungslandprinzips im Mitgliedstaat des Lieferers steuerfrei gestellt und unterfallen parallel im Mitgliedstaat des Abnehmers der Erwerbsbesteuerung. Für die Gewährung der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung muss der Lieferer auf die Angaben des Abnehmers vertrauen. Oftmals hat er aber keinerlei Einblicke in die internen Vorgänge seiner Geschäftspartner. Der deutsche Gesetzgeber sieht in diesem Zusammenhang eine Vertrauensschutzregelung in § 6a Abs. 4 UStG vor.
Nach ständiger BFH-Rechtsprechung soll der Lieferer sich allerdings nur auf den Vertrauensschutz berufen können, wenn er die formellen Anforderungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG iVm. §§ 17a-17c UStDV eingehalten hat (s. zB BFH vom 10.8.2016 V R 45/15, MwStR 2016, 956 Rz. 21). Der Lieferant müsse alles in seiner Macht Stehende getan haben, um der Einhaltung der formellen Nachweise zu genügen. Kleinere formale Mängel führen an dieser Stelle nach bisheriger Rechtsprechung dazu, dass der Steuerpflichtige den Schutz des § 6a Abs. 4 UStG verliert.
Bei den § 6a Abs. 3 UStG iVm. §§ 17a-17c UStDV handelt es sich allerdings nicht um materielle Tatbestandsvoraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung. Der Lieferer darf nach der EuGH-Rechtsprechung auch andere Nachweise vorlegen, die belegen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unzweifelhaft vorliegen (EuGH vom 20.10.2026 C-24/15 – Josef Plöckl, MwStR 2016, 950). Der Europäische Gesetzgeber hat diese EuGH-Rechtsprechung allerdings dadurch eingeschränkt, dass er die Aufzeichnung der zutreffenden USt-IdNr. des Abnehmers und Abgabe einer zutreffenden Zusammenfassende Meldung mit Wirkung zum 1.1.2020 zu materiellen Tatbestandsvoraussetzungen erhoben hat, so dass die für die Steuerpflichtigen günstige EuGH-Rechtsprechung an dieser Stelle heute ins Leere läuft.
Im nunmehr vom BFH zu entscheidenden Fall geht es um eine nicht vorliegende Gelangensbestätigung im Abholfall. Eine Gelangensbestätigung gemäß § 17b Abs. 2 Nr. 2 UStDV ist eine formelle Bestätigung des Abnehmers, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet „gelangt“ ist. Befördert der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet spricht man vom sogenannten „Abholfall“. Der Lieferer vertraut in dieser Konstellation darauf, dass der Abnehmer die Ware tatsächlich in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert und ihm eine Gelangensbestätigung ausstellen wird. Er ist insoweit besonders schutzbedürftig. Der BFH hat zu entscheiden, ob dem Lieferer auch dann Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG zukommen kann, wenn ihn nachträglich keine Gelangensbestätigung des Abnehmers erreicht.
In der Praxis ist dem Lieferer, insbesondere bei hochpreisiger Ware, zu empfehlen, zivilrechtliche Regelungen (wie zB Sicherheitsleistungen) in den Liefervertrag aufzunehmen, um die nachträgliche Übermittlung der Gelangensbestätigung abzusichern. Hat der Lieferer diese Vorkehrungen getroffen und wird dennoch von seinem Abnehmer enttäuscht, so ist es unseres Erachtens nicht verhältnismäßig, dem Lieferanten den Vertrauensschutz zu versagen. Selbst wenn das Finanzamt dies jedoch anders sieht, kann sich der Lieferant an der einbehaltenen Sicherheit schadlos halten.


