Steuerblog


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Rückabwicklung von Share Deals

Konzept der grunderwerbsteuerlichen Rückabwicklung

Grunderwerbsteuer wird ausgelöst, wenn ein Grundstück auf einen neuen Rechtsträger übergeht. Wird der Rechtsträgerwechsel insbesondere aufgrund von Leistungsstörungen aber tatsächlich nicht vollzogen oder rückabgewickelt, ermöglicht § 16 GrEStG, dass die für den ursprünglichen Erwerbvorgang anfallende Grunderwerbsteuer auf Antrag nicht festgesetzt oder eine bereits ergangene Festsetzung wieder aufgehoben wird.

Beispielsfall: A und B schließen einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über ein Einfamilienhaus für € 500.000,--. Das Rechtsgeschäft begründet einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks und löst gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG Grunderwerbsteuer aus. Die Eigentumsübertragung wird jedoch nicht vollzogen, da B den Kaufpreis nicht aufbringt und A daher vom Kaufvertrag zurücktritt. Rechtsfolge: Die Grunderwerbsteuer kann nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG wieder entfallen.

Anwendbarkeit auch bei Ergänzungstatbeständen

Werden hingegen mehr als 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft übertragen, findet bezogen auf das Grundstück kein originärer Rechtsträgerwechsel statt. Die Ergänzungstatbestände des § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG fingieren allerdings einen steuerbaren Rechtsträgerwechsel. Nach ganz hM sind die Regelungen des § 16 GrEStG sinngemäß auch auf die Ergänzungstatbestände anzuwenden (vgl. nur BFH vom 02.3.2011 II R 64/08, BFH/NV 2011, 1009; PAHLKE in Pahlke, GrEStG, 7. Aufl., 2023, § 16 Rz. 105). Dabei ist es sogar gar nicht erforderlich, dass die Rückabwicklung vollständig erfolgt. Es reicht bereits aus, dass infolge der Rückabwicklung ein Übergang von mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen im Ergebnis nicht mehr gegeben ist (vgl. BFH vom 18.4.2012 II R 51/11, BStBl. II 2013, 830; GLE vom 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Tz. 10). 

Beispielsfall: Am Vermögen der grundbesitzenden OHG sind A zu 85 % und B zu 15 % beteiligt. Im Jahr 01 überträgt A seine Beteiligung auf X. Im Jahr 04 überträgt B 5 % der Anteile am Vermögen der OHG auf Y. Das Finanzamt setzt Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG fest. In der darauffolgenden Woche wird die Übertragung der Beteiligung von A auf X in Höhe von 0,1 % rückgängig gemacht. Rechtsfolge:  Auf Grund der Rückgängigmachung eines Teils der Anteilsübertragung aus dem Jahr 01 wird die 90 %-Grenze unterschritten (89,9 %). Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ist dadurch nicht mehr erfüllt und der Grunderwerbsteuerbescheid kann gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG aufgehoben werden.

Im Gegensatz zu den echten Rechtsträgerwechseln können Share Deals somit flexibel und gezielt rückabwickelt werden, um eine bereits ausgelöste Grunderwerbsteuer wieder zu beseitigen. Ein bestimmter Rechtsgrund oder außersteuerliches Motiv ist für die (anteilige) Rückabwicklung nicht erforderlich. Allerdings steht der Wegfall der Grunderwerbsteuer gemäß § 16 Abs. 5 Satz 1 GrEStG unter dem Vorbehalt, dass der rückgängig gemachte Erwerbsvorgang fristgerecht und vollständig beim Finanzamt angezeigt wurde. Die strengen Vorgaben für die grunderwerbsteuerliche Anzeigepflichten gemäß §§ 18-20 GrEStG (vgl. WOLLWEBER, DB 2025, 2000) schlagen somit umfassend auf die Rückabwicklung von Share Deals durch.

Beratungshinweis

Rechtsprechung und Finanzverwaltung gewähren bei Share Deals grundsätzlich einen großzügigen und flexiblen Rahmen für die Rückabwicklung. Oftmals scheitert ein erfolgreicher Wegfall der Grunderwerbsteuer in der Praxis aber daran, dass der Share Deal nicht fristgerecht und vollständig bei der zuständigen Grunderwerbsteuerstelle angezeigt wurde. Bei Share Deals ist daher neben der doppelten Anzeigepflicht aufgrund der Signing/Closing Problematik (vgl. WOLLWEBER, DB 2025, 1313) auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer Rückabwicklung ein besonderes Augenmerk auf die Erfüllung der grunderwerbsteuerlichen Anzeigepflichten zu legen.

Neueste Entwicklungen und konkrete Handlungsempfehlungen erfahren Sie auf den Kölner Tagen Grunderwerbsteuer am 13.11.2025 - 14.11.2025.

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Marc Nürnberger
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater
Counsel
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