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Steuerblog
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Kommt Zeit, kommt Entschädigung
BFH zur Grenze der noch angemessenen Dauer finanzgerichtlicher Verfahren
Der Bundesfinanzhof entschied mit Urteil vom 6.11.2024 (Az. X K 7/22), dass ein finanzgerichtliches Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren ein einheitliches Gerichtsverfahren i.S.d. § 198 Abs. 1 GVG darstellt. Es ist daher bzgl. der Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer isoliert vom Hauptsacheverfahren zu beurteilen.
Angemessene Verfahrensdauer:
- Unter Verweis auf die bisherige Rechtsprechung hat der Senat zunächst zur Dauer typischer Klageverfahren (BFH vom 7.11.2013 - X K 13/12 , BStBl. II 214, 179) ausgeführt. In diesen seien zunächst zwei Phasen zu bewerten, welche zusammen nicht länger als zwei Jahre dauern sollten. In diesen werden zunächst die vorbereitenden Schriftsätze ausgetauscht und sodann auf die Förderung des Verfahrens durch den Senat oder den Einzelrichter gewartet. In der sich anschließenden dritten Phase führt das Gericht dem Verfahren einer Entscheidung zu und ergreift hierzu Maßnahmen. Solange diese dritte Phase nicht durch nennenswerte Zeiträume unterbrochen wird, in denen das Gericht die Akte unbearbeitet lässt, soll die Verfahrensdauer noch angemessen sein.
- Für die Kostenfestsetzung (durch den Urkundsbeamten) gilt eine Vermutung angemessener Dauer, wenn innerhalb von etwa 6 Monaten nach der Antragstellung mit der Bearbeitung (analog der dritten Phase) des Verfahrens begonnen wird.
- Für das Erinnerungsverfahren (durch den Richter) gilt diese Vermutung, wenn die Erinnerung innerhalb von etwa 12 Monaten nach der Einlegung aktiv bearbeitet wird und keine nennenswerten Inaktivitätsphasen folgen.
Entscheidung im konkreten Fall:
Das Finanzgericht Sachsen-Anhalt hatte das Erinnerungsverfahren über 45 Monate unangemessen verzögert. Nach einem Teilanerkenntnis des Beklagten (3.500 € für 35 Monate) sprach der BFH der Klägerin zusätzlich 1.000 € Entschädigung für weitere 10 Monate Verzögerung zu.
Rechtliche Einordnung:
Diese gesetzlichen Maßstäbe beruhen auf der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Bundesverfassungsgerichts. Für Kostenverfahren gelten dabei strengere Maßstäbe als für Hauptsacheverfahren, wobei die Bedeutung des Verfahrens und ein etwaiger Vorteilsausgleich (z.B. Verzinsung des Kostenerstattungsanspruchs) in die Abwägung einfließen. Zudem verdichtet sich mit zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung, Beschleunigung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen (BFH vom 27.6.2018 - X K 3-6/17, BFH/NV 2019, 27).
Beraterhinweis
Verzögert sich eine Entscheidung erheblich, sollten stets mögliche Entschädigungsansprüche nach § 198 Abs. 1 GVG in den Blick genommen werden.

