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Steuerblog
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Der BFH folgt dem BVerfG: Wiedereinsetzung bei „beSt-Fehler“
„Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende." Dieser Aphorismus, der gerne Oscar Wilde zugeschrieben wird, gilt nicht in jedem Rechtsbehelfsverfahren. Er dürfte aber für die meisten Fälle gelten, in denen Steuerberater:innen in der Zeit ab dem 1.1.2023 Klagen zum Finanzgericht per Telefax oder per einfachem Brief eingelegt haben, obwohl das Gesetz in § 52d FGO (möglicherweise) nur noch die Einreichung von Schriftsätzen über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) für zulässig erklärte.
Die Rechtsprechung der Finanzgerichte und des BFH war zunächst überraschend rigide. Entsprechende Klagen wurden für unzulässig erklärt, da die Steuerberaterinnen und Steuerberater auch vor Erhalt des sogenannten „Registrierungsbriefs“ (der überhaupt erst die technische Möglichkeit zur Nutzung eröffnete) verpflichtet gewesen seien, sich den elektronischen Zugang über das sogenannte „Fast-Track“ Verfahren bei der BStBK zu beschaffen.
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit mit Beschluss vom 23.6.2025 überzeugend gerügt und auf eine Verfassungsbeschwerde hin festgestellt, dass jedenfalls ernsthaft über die Gewährung der Wiedereinsetzung nach § 56 FGO nachgedacht werden müsse, da die Berater:innen auf die Veröffentlichungen der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) hätten vertrauen dürfen, aus denen sich ergab, dass bis zu dem individuellen Zugang des Registrierungsbriefs auch noch die „analoge“ Einlegung von Klagen wirksam sei (BVerfG vom 23.6.2025 - 1 BvR 1718/24, DStR 2025, 1698 – vgl. hierzu bereits unseren Blogbeitrag vom 18.7.2025).
Der X. Senat des BFH ist den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts jetzt gefolgt und hat in einem aktuellen Urteil dem betroffenen Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO gewährt (BFH vom 6.8.2025 – XR 13/23). Dass der betroffene Berater nicht auf das „Fast-Track“-Verfahren ausgewichen sei, stelle jedenfalls kein Verschulden im Sinne der Wiedereinsetzungsvorschriften dar. Die 2-Wochen-Frist aus § 56 FGO, innerhalb der die zunächst unterbliebene Verfahrenshandlung wirksam nachgeholt werden müsse, beginne in der vorliegenden Konstellation auch erst mit dem tatsächlichen Zugang des Registrierungsbriefs. Im konkreten Fall hatte der Berater seinen Klageschriftsatz acht Tage nach Zugang der Registrierung (erneut) an das Finanzgericht übersandt. Damit waren die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nach Auffassung des BFH erfüllt.
Offen gelassen hat der X. Senat in seinem aktuellen Urteil die Frage, ob man das Gesetz überhaupt so lesen kann, dass auch vor Zugang des Registrierungsbriefs bereits ein „sicherer Übermittlungsweg“ im Sinne von § 52d FGO eröffnet war. In dieser (dogmatisch durchaus interessanten) Grundsatzfrage positioniert sich der X. Senat in dem zitierten Urteil nicht. In einem vorangegangenen Beschluss (vom 17.4.2024 – X B 68, 69/23, BFHE 2024, 237) hatte der X. Senat zudem die spannende Frage aufgeworfen, ob die Steuerberaterplattform- und Postfachverordnung nicht möglicherweise unwirksam sei, da die parlamentarische Ermächtigungsgrundlage erst später in Kraft getreten war. Auch diese Überlegung wird in dem aktuellen Urteil des X. Senats vom 6.8.2025 nicht weiterverfolgt.
Als Verfahrensrechtler mag man bedauern, dass damit zwei (spannenden) Rechtsfragen zunächst ungeklärt bleiben. Für die Praxis dürfte aber festzuhalten sein, dass über den Weg von § 56 FGO in den meisten Fällen den Klägern und ihren Berater:innen geholfen werden kann. Wenn allerdings die Voraussetzungen des § 56 FGO im Einzelfall nicht vorliegen (weil zB. die 2 Wochen Frist überschritten wurde), dann könnte es doch noch auf die beiden grundlegenden Rechtsfragen ankommen, um dem Eingangszitat zur Geltung zu verhelfen.

