Steuerblog


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BVerfG gewährt Wiedereinsetzung bei "beSt-Fehler"

Das BVerfG hat mit Beschluss vom 23.6.2025 der Verfassungsbeschwerde einer Steuerberaterin stattgegeben, die wegen der Nichtbenutzung des beSt mit einer Klage vor dem Finanzgericht gescheitert war. Ihre im Januar 2023 erhobene Klage hatte das Finanzgericht Nürnberg wegen der Nichteinhaltung der elektronischen Form (Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs - beSt) als unzulässig beurteilt. Der BFH hatte diese Entscheidung bestätigt und dabei - nach Auffassung des BVerfG - kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt.

In seinem Beschluss zum beSt hat das BVerfG jetzt zunächst die "kleine Lösung" gewählt und entschieden, dass der Beraterin im konkreten Fall die Wiedereinsetzung in die Klagefrist hätte gewährt werden müssen. Die Argumente, mit denen das Finanzgericht und der BFH die Wiedereinsetzung abgelehnt hätten, seien verfassungsrechtlich nicht haltbar. Zum Jahreswechsel 2022/2023 sei eine "komplexe Übergangssituation" eingetreten und die Steuerberaterin hätte insoweit auf die Kommunikation der BStBK vertrauen dürfen; diese Punkte habe das Finanzgericht bei seiner Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt - so dass es jetzt neu über das Verfahren entscheiden muss.

Der Beschluss des BVerfG schlägt eine erste Bresche in die Phalanx aus Entscheidungen der Finanzgerichte und des BFH, die bislang eine sehr restriktive Haltung zur Benutzungspflicht des beSt im Übergangszeitraum des Jahres 2023 vertreten. Der Beschluss verleiht zunächst all denjenigen neuen Mut, die sich auf das Vorliegen der Voraussetzungen von § 56 FGO für eine Wiedereinsetzung in die (vermeintliche) verpasste gerichtliche Frist berufen. Die "große Lösung" wird vom BVerfG in seinem aktuellen Beschluss noch zurückgestellt. Insoweit geht es um die Frage, ob  die von den Finanzgerichten vertretene Auslegung von § 52d Satz 2 FGO zur Nutzungspflicht des beSt im ersten Halbjahr 2023 (trotz fehlender flächendeckender Einrichtung) überhaupt mit Art. 19 Abs. 4 GG zu vereinbaren ist. In Rz. 21 der aktuellen Entscheidung hat das BVerfG diese Frage ausdrücklich "offen" gelassen - aber immerhin erneut aufgeworfen  (vgl. bereits BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. August 2024 - 1 BvR 1409/24 -, Rn. 3). Der aktuelle Beschluss nährt insoweit die Hoffnung, dass sich das höchste Gericht bei einem geeigneten Fall auch mit dieser Frage beschäftigen wird und dann vielleicht auch in der großen Frage dem Gebot zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes zur Geltung verhilft.

Dr. Martin Wulf
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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