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BFH zur Änderung von Steuerbescheiden nach § 175b AO

Der BFH hat den Anwendungsbereich für die Änderung von Steuerbescheiden nach § 175b Abs. 1 AO mit Urteil vom 27.11.2024 (X R 25/22) in zeitlicher Hinsicht konkretisiert.


I. Überblick zu § 175b AO

Nach § 175b Abs. 1 AO ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten iSd. § 93c AO bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.
§ 175b AO ist anzuwenden, wenn steuerliche Daten eines Steuerpflichtigen für Besteuerungszeiträume nach 2016 oder Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2016 aufgrund gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten als mitteilungspflichtiger Stelle elektronisch an Finanzbehörden zu übermitteln sind (Art. 97 § 27 Abs. 2 EGAO).


II. Entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Im entschiedenen Fall erklärten die zusammenveranlagten Eheleute und Kläger ua. Renteneinkünfte in ihrer Einkommensteuererklärung in zutreffender Höhe. Das Finanzamt berücksichtigte diese bei der Veranlagung gleichwohl nicht, weil insoweit noch keine Datenübermittlung iSd. § 93c AO durch den Rentenversicherungsträger stattgefunden hatte. Der Einkommensteuerbescheid erging ohne Vorbehalt der Nachprüfung. Nach Erlass des Einkommensteuerbescheids übermittelte der Rentenversicherungsträger eine Rentenbezugsmitteilung iSd. § 22a Abs. 1 Satz 1 EStG iVm. § 93c AO. Das Finanzamt setzte die Rentenbezüge in einem Änderungsbescheid nach § 175b Abs. 1 AO an.


III. Zeitliche Konkretisierung des BFH

Nunmehr urteilte der BFH, dass eine Änderung nach § 175b Abs. 1 AO auch dann zulässig sei, wenn die Daten iSd. § 93c AO bei Erlass des zu ändernden Ausgangsbescheids noch nicht vorgelegen haben, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt – erstmalig – an die Finanzbehörde übermittelt worden seien. Der BFH beruft sich zur Begründung neben Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Telos des § 175b AO auf systematische Erwägungen. So bringe der Gesetzgeber im Rahmen der Änderungsvorschriften regelmäßig zum Ausdruck, wenn er die Anwendbarkeit einer Änderungsnorm von einer bestimmten zeitlichen Abfolge der Ereignisse abhängig machen will. Beispielsweise können nach § 129 Satz 1 AO nur solche Fehler berichtigt werden, die „beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen“ seien. 
Der BFH stellt hiernach klar, dass der Zeitpunkt der Übermittlung der Daten iSd. § 93c AO durch die mitteilungspflichtigen Stellen für die Anwendung des § 175b Abs. 1 AO unerheblich ist. Die Änderungsnorm knüpfe allein an die Tatsache der Nichtberücksichtigung beziehungsweise der nicht zutreffenden Berücksichtigung der Daten an.


Beratungshinweis

Die Änderungsnorm des § 175b Abs. 1 AO greift nicht nur – wie in der og. BFH-Entscheidung – zu Lasten des Steuerpflichtigen, sondern auch zu seinen Gunsten. Werden Besteuerungsgrundlagen iSd. § 93c AO, wie Rentenbezüge oder Arbeitslohn, vom Steuerpflichtigen überhöht erklärt und anschließend erklärungsgemäß veranlagt, bietet die Vorschrift nach erfolgter Datenübermittlung durch Dritte eine Anpassungsmöglichkeit an die tatsächlich niedrigeren Besteuerungsgrundlagen. 

Dr. Herbert Olgemöller
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Partner
Dr. Hanna Kracht
Rechtsanwältin
Associate
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