Steuerblog


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AdV abgelehnt: Kein Erlass von Säumniszuschlägen ohne Einspruchsbegründung

Ein späterer Erfolg in der Hauptsache führt nicht automatisch zum Erlass von Säumniszuschlägen. Insbesondere in dem Urteil des BFH vom 18.9.2018 (XI R 36/16) sind zentrale Leitlinien zu der Frage enthalten, unter welchen Bedingungen Säumniszuschläge wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen sind.
 

1. Kein Erlass bei fehlender Begründung des Einspruchs

Bis zu dieser Entscheidung des BFH war lediglich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige sich um AdV bemüht haben muss. Wie das im Einzelnen auszusehen hatte, war allerdings unklar. Erstmals in der og. Entscheidung nahm der BFH eine Konkretisierung seiner Formel, dass „der Steuerpflichtige alles getan hat, um die AdV eines Steuerbescheids zu erreichen…“, vor. Dazu gehört nach Auffassung des Senats insbesondere eine substanzielle und nachvollziehbare Begründung des Einspruchs hinsichtlich der AdV-Ablehnung. Weder genüge eine etwaige spätere Begründung im Hauptsacheverfahren, ohne hierauf im AdV-Verfahren zu verweisen, noch die Bezugnahme auf eine zukünftige Begründung in einem anderen Verfahren. 
 

2. Fazit und Beraterhinweis

Diese Rechtsprechung des BFH erscheint zu streng, zumal wenn man bedenkt, dass zumeist – so auch im Streitfall – für beide Rechtsbehelfsverfahren (Hauptsache und AdV) derselbe Sachbearbeiter des Finanzamts zuständig ist. Dieser kennt sämtliche Schriftsätze des Steuerpflichtigen, ua. auch die Klagebegründung in der Hauptsache. Es stellt uE bloße Förmelei dar, in einer solchen Konstellation vom Steuerpflichtigen eine Einspruchsbegründung hinsichtlich der AdV-Ablehnung zu verlangen. Hinzu kommt, dass bei fehlender Einspruchsbegründung die Finanzbehörde nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO die Sache in vollem Umfang überprüfen muss. Die Aufklärungspflicht der Finanzbehörde beinhaltet eine Überprüfung der Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht anhand der vorliegenden Steuerakten.

Ungeachtet dessen ist die Beachtung des Urteils in der Beratungspraxis zu empfehlen. Ein kurzes Schreiben an das Finanzamt, in dem für die Einspruchsbegründung gegen die AdV-Ablehnung auf den als Anlage beigefügten Klagebegründungsschriftsatz verwiesen wird, dürfte uE genügen. Andernfalls droht ein unwiderruflicher Verlust von Erlassmöglichkeiten für angefallene Säumniszuschläge – auch dann, wenn der Steuerpflichtige später im Hauptsacheverfahren obsiegt. Hinsichtlich der bislang, soweit ersichtlich, höchstrichterlich nicht geklärten Frage, ob der Steuerpflichtige außerdem finanzgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen muss, ist zudem die weitere Rechtsprechungsentwicklung zu beobachten. Vorliegend war sie nicht entscheidungserheblich, weil der Steuerpflichtige nach Auffassung des Senats schon auf Finanzamtsebene nicht alles getan hatte, um einstweiligen Rechtsschutz zu erlangen.

 

Dr. Carina Freitag
Rechtsanwältin, Steuerberaterin
Counsel
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