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Sorgfalt walten lassen beim Signieren und Versenden von Schriftsätzen

Viele Fragestellungen im Zusammenhang mit dem elektronischen Rechtsverkehr haben fachbereichsübergreifende Bedeutung, so auch die Frage, wie bestimmte elektronische Dokumente bei den Gerichten eingereicht werden. In unseren vergangenen Newslettern hatten wir uns bereits mehrfach zu der sehr strengen, aber zum Teil divergierenden Entscheidung des BFH zum besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach (beSt) geäußert (Wulf/Vitale, Newsletter vom 30.6.2023 und Ruske, Newsletter vom 7.9.2023 und vom 17.5.2024). Nunmehr liegt ein weiterer Beschluss des BFH vom 28.6.2024 (I B 41/23, nv.) zum beSt vor, der auf eine Thematik eingeht, zu der andere Bundesgerichte in Bezug auf das besonderen elektronische Anwaltspostfach (beA) bereits Stellung bezogen hatten. Diese hatten zum Anwaltspostfach in der Vergangenheit bereits entschieden, dass ein elektronisches Dokument durch einfache Signatur nur dann wirksam eingereicht wird, wenn die als Absender ausgewiesene Person mit derjenigen Person identisch ist, die das elektronische Dokument unterzeichnet hat.


I. Ausgangslage

Die Rechtswirkungen einer qualifizierten elektronischen Signatur bei der Übermittlung eines elektronischen Dokuments entsprechen dabei denen einer handschriftlichen Unterschrift eines Dokuments in Papierform. Durch die Einreichung eines Dokuments mit qualifizierter elektronischer Signatur wird nicht anders als bei handschriftlicher Unterzeichnung die Verantwortung für dessen Inhalt übernommen. Eine einfache Signatur soll dagegen sicherstellen, dass die durch den sicheren Übermittlungsweg als Absender ausgewiesene Person mit derjenigen Person identisch ist, die mit ihrer Unterschrift die Verantwortung für das elektronische Dokument übernommen hat; kann diese Identität nicht festgestellt werden, ist das Dokument nicht wirksam eingereicht (Bundesgerichtshof vom 28.02.2024  IX ZB 30/23, NJW 2024, 1660, zur vergleichbaren Regelung in § 130a Abs. 3 ZPO; Bundesarbeitsgericht vom 14.9.2020 5 AZB 23/20, BAGE 172, 186 zur vergleichbaren Regelung in § 46c ArbGG; Bundesozialgericht vom 16.2.2022 B 5 R 198/21 B, NJW 2022, 1334, zur vergleichbaren Regelung in § 65 SGG).


II. Sachverhalt

Im vorliegenden Fall stritten die Beteiligten über die gewerbesteuerliche Behandlung von Dividenden nach § 8 Nr. 5 und § 9 Nr. 2a GewStG. Während das Einspruchsverfahren noch offen war, reichte die Antragstellerin erfolglos beim Finanzamt einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO) ein. Gleiches widerfuhr der Antragstellerin hinsichtlich ihres beim Niedersächsischen Finanzgerichts gestellten Antrags auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 Satz 1 FGO). Die Antragstellerin wendete sich mit ihrer nach § 138 Abs. 3 Satz 1 FGO zugelassenen Beschwerde gegen den Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts.


III. Beschluss des BFH vom 28.6.2024 I B 41/23 (AdV)

Die zwar statthafte, aber unzulässige Beschwerde der Antragstellerin verwarf der BFH durch Beschluss. Die nach § 52a Abs. 1 FGO als elektronisches Dokument übermittelte Beschwerde wurde nicht wirksam eingereicht, da sie nicht den Anforderungen des § 52a Abs. 3 und 4 FGO genügte. Nach § 52a Abs. 3 Satz 1 FGO stehen zur rechtswirksamen Übermittlung elektronischer Dokumente zwei Wege zur Verfügung: Entweder das Dokument wird mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen oder es wird von der verantwortenden Person signiert und schließlich auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht.

Im vorliegenden Fall war zwar die Beschwerde mit einer einfachen Signatur versehen und es wurde als sicherer Übermittlungsweg das beSt gewählt (§ 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO iVm. § 86d und § 86e des StBerG). Die Unterschrift auf dem Schriftsatz stammt allerdings von einem Steuerberater der prozessbevollmächtigten Kanzlei, während das zur Übermittlung an das Gericht genutzte beSt (ausweislich der Safe-ID) für eine andere Steuerberaterin der gleichen Kanzlei eingerichtet worden war. Ungeachtet dessen, dass beide Steuerberater zwar jeweils Partner der Prozessbevollmächtigten waren, war der durch den sicheren Übermittlungsweg ausgewiesene Absender nicht mit derjenigen Person identisch, die durch ihre Unterschrift die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat. Diese „fehlende Eigenhändigkeit“ führt dazu, dass die Beschwerde nicht wirksam eingereicht worden ist. 

Der BFH thematisiert allerdings – anders als die anderen Bundesgerichte – nicht, ob eine Fürsorgepflicht des erkennenden Gerichts besteht. Aus dem allgemeinen Prozessgrundrecht (Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art. 20 Abs. 3 GG) für ein faires Verfahren folgt die Verpflichtung des Richters zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten prozessualen Situation. Es ist ihm hiernach untersagt, aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen Verfahrensnachteile für die betroffenen Prozessparteien abzuleiten (BVerfG vom 14.11.2018 1 BvR 433/16, NVwZ-RR 2019, 297). Dieser Anspruch kann eine gerichtliche Hinweispflicht auslösen, wenn ein Rechtsmittel nicht in der vorgesehenen Form übermittelt worden ist. Eine Partei kann erwarten, dass dieser Vorgang in angemessener Zeit bemerkt wird und innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumnis zu vermeiden. Aus der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht der staatlichen Gerichte und dem Anspruch auf ein faires Verfahren folgt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs aber keine generelle Verpflichtung der Gerichte dazu, die Formalien eines als elektronisches Dokument eingereichten Schriftsatzes unmittelbar zu prüfen, um ggf. durch entsprechende Hinweise auf die Behebung formeller Mängel hinzuwirken (BGH vom 21.3.2017 X ZB 7/15, NJW-RR 2017, 689). Dies nähme den Verfahrensbeteiligten und ihren Bevollmächtigten ihre eigene Verantwortung dafür, die Formalien einzuhalten und überspanne die Anforderungen an die Grundsätze des fairen Verfahrens (BVerfG vom 17.1.2006 1 BvR 2558/05, NJW 2006, 1579).


III. Fazit für die Praxis

Die Übersendung eines elektronischen Dokuments nach § 52a Abs. 1 FGO genügt nicht den Anforderungen des § 52a Abs. 3 und Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FGO und ist nicht wirksam eingereicht, wenn es mit der einfachen Signatur des Gesellschafters einer Berufsausübungsgesellschaft versehen ist und über das beSt eines anderen Gesellschafters übermittelt wird. Denn hierdurch sei der durch den sicheren Übermittlungsweg ausgewiesene Absender nicht mit derjenigen Person identisch, die durch ihre Unterschrift die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat.

Für forensisch tätige Steuerberater gilt daher der dringende Rat, dass die Signatur auf dem elektronischen Dokument mit dem Inhaber des beSt übereinstimmen muss. Wird also bspw. der Schriftsatz nicht vom eigentlichen Sachbearbeiter über beSt versandt, sondern durch einen anderen Gesellschafter der Berufsausübungsgesellschaft, muss der andere Gesellschafter den Schriftsatz signieren und über sein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach versenden.

Auf eine mögliche Fürsorgepflicht des erkennenden Gerichts sollte sich der Berufsträger hingegen nicht verlassen. Insbesondere wenn (Not-)Fristen „ausgereizt“ werden, kann nicht damit gerechnet werden, dass man auf etwaige Mängel bei den Formerfordernissen eines elektronischen Dokuments noch vor Fristablauf vom Gericht hingewiesen wird.

Dr. Alexander Ruske
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Giuseppe Vitale
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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