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Schlussbesprechung in Zeiten der Pandemie?

Nach einer Entscheidung des FG Düsseldorf vom 11.5.2020 (FG Düsseldorf vom 11.5.2020 3 V 1087/20 AE AO, EFG 2021, 517, mit Anm. RODE) begründet § 201 Abs. 1 Satz 1 AO bei einer Betriebsprüfung keinen Anspruch auf die Durchführung einer Schlussbesprechung unter persönlicher Anwesenheit der Beteiligten. In Zeiten von Corona soll stattdessen eine telefonische Schlussbesprechung möglich und ausreichend sein.

In dem vom FG Düsseldorf entschiedenen Fall schlug das Finanzamt nach mehreren erfolglosen Terminanfragen in der ersten sog. Corona-Welle eine telefonische Schlussbesprechung vor. Die Antragstellerin bat um eine Schlussbesprechung unter persönlicher Anwesenheit der Beteiligten. Das Finanzamt wertete dies als Verzicht auf Durchführung einer Schlussbesprechung und erstellte seinen Prüfungsbericht. Mit ihrem Antrag auf eine einstweilige Anordnung wollte die Antragstellerin eine Auswertung des Prüfungsberichts bis zur Durchführung einer Schlussbesprechung unter persönlicher Anwesenheit der Beteiligten verhindern. Das Finanzgericht sah darin sinngemäß ein Zeitspiel und lehnte den Antrag ab.

Die Entscheidung überzeugt nicht. Über das Ergebnis einer Betriebsprüfung ist nach § 201 Abs. 1 AO eine Schlussbesprechung abzuhalten. Anderes gilt nur, wenn sich nach dem Ergebnis der Außenprüfung keine Änderung der Besteuerungsgrundlagen ergibt oder der Steuerpflichtige auf eine Schlussbesprechung verzichtet. Eine Schlussbesprechung iSv. § 201 Abs. 1 Satz 1 AO setzt die persönliche Teilnahme der Besprechungsteilnehmer am Besprechungsort (Betrieb, Steuerberater, Amtsstelle) voraus. Hiervon geht auch der Anwendungserlass zur AO aus. Kommt keine Terminabsprache zustande, hat danach das Finanzamt schriftlich zur Schlussbesprechung „an Amtsstelle“ zu laden und darauf hinzuweisen, dass die Nichtwahrnehmung des Termins ggf. als Verzicht auf einer Schlussbesprechung gewertet wird (vgl. AEAO Nr. 3 Satz 3 zu §  201 AO).

Corona-bedingt wollen verschiedene Finanzämter Schlussbesprechungen „in anderer Form“, zB als Telefon- bzw. Videokonferenz oder nur im Rahmen eines Schriftwechsels, durchführen. Dass der Schriftwechsel eine Schlussbesprechung nicht ersetzt, liegt auf der Hand. Ein Schriftwechsel ist keine „Besprechung“. Aber auch eine Unterredung via Telefon oder Video reicht nicht aus, um den Voraussetzungen des § 201 Abs. 1 AO zu genügen. Eine Besprechung setzt nach allgemeinem Verständnis eine Zusammenkunft der Teilnehmer am Besprechungsort voraus. Dies unterscheidet sie von einer Telefon- bzw. Videokonferenz. Dass der Gesetzgeber bei Erlass des § 201 AO eine Zusammenkunft in einer Onlinekonferenz als gleichberechtigt angesehen haben könnte, ist fernliegend. Damals gab es so etwas noch nicht. Ort einer Schlussbesprechung iSv. § 201 Abs. 1 Satz 1 AO ist in Anlehnung an den in § 200 Abs. 2 AO umschriebenen Prüfungsort stattdessen ein physisch und nicht nur virtuell begehbarer Ort. 

Die Berater sollten sich daher durch den Beschluss des FG Düsseldorf nicht entmutigen lassen und auf eine persönliche Schlussbesprechung bestehen, wenn sie diese als sinnvoll erachten. Aufgrund ihrer Befriedungsfunktion bringt eine Schlussbesprechung iSv. § 201 AO die Beteiligten nicht selten auch in der Sache zusammen. Ein Einver-nehmen lässt sich in einer persönlichen Unterredung viel leichter erreichen als via Telefon oder Internet. 

Eine persönliche Schlussbesprechung ist daher auch für die Finanzbehörden regelmäßig vorteilhaft. Mit entsprechenden Vorkehrungen und Maßnahmen (AHA-Regeln, Lüftung, Schnelltest, Impfung etc.) ist eine Schlussbesprechung mit persönlicher Anwesenheit während der Corona-Pandemie durchführbar. Notfalls muss diese warten. Ein Nachteil entsteht den Finanzbehörden dadurch in aller Regel nicht.

Im Übrigen: Der Vorwurf, der Steuerpflichtige bestehe nur auf eine persönliche Schlussbesprechung um das Verfahren zu verzögern, überzeugt regelmäßig nicht. Sowohl für die Abfassung des Prüfungsberichts, die Auswertung des Berichts, die Bearbeitung des Einspruchs und die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung nehmen sich Behörden und Gericht selbst in ausgeschriebenen Verfahren häufig Monate, ja sogar Jahre Zeit. Der pandemiebedingte Aufschub eines Schlussbesprechungstermins fällt da nicht ins Gewicht.

Dr. Jens Stenert
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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