Der Zehnt Aktuell

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Reform des Gemeinnützigkeitsrechts durch das Jahressteuergesetz 2020

Das JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl. I 2020, S. 3096) beinhaltet eine Vielzahl von größtenteils erfreulichen Änderungen und Neufassungen im Gemeinnützigkeitsrecht, die überwiegend bereits ab dem 29.12.2020 gelten (siehe dazu Art. 50 Abs. 1, Abs. 4 JStG 2020, BGBl. I 2020, S. 3096, 3134) und von denen ab sofort gemeinnützige Organisationen, Ehrenamtsträger und Spender profitieren:

1.    Der Katalog des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO wurde um die folgenden gemeinnützigen Zwecke ergänzt:

•    Förderung des Klimaschutzes (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AO nF); 
•    Förderung der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 AO nF);
•    Förderung der Ortsverschönerung (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 22 AO nF); 
•    Förderung des Freifunks (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 AO nF);
•    Förderung der Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen und die Förderung der Unterhaltung von Gedenkstätten für nichtbestattungspflichtige Kinder und Föten (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 26 AO nF).

2.    Für Körperschaften mit jährlichen Einnahmen von nicht mehr als € 45.000,-- gilt gem. § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 AO nF das Gebot zeitnaher Mittelverwendung nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 AO nicht mehr. 

3.    Praktisch die wohl weitreichendste Bedeutung beinhalten § 57 Abs. 3 und Abs. 4 AO nF, mit denen Kooperationen und Holdingstrukturen erheblich erleichtert werden:

•    Gem. § 57 Abs. 3 Satz 1 AO nF verfolgt eine Körperschaft ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann unmittelbar im Sinne des Abs. 1 Satz 1, wenn sie satzungsgemäß durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer weiteren Körperschaft, die im Übrigen die Voraussetzungen der §§ 51 bis 68 AO erfüllt, einen steuerbegünstigten Zweck verwirklicht. Für die Beurteilung als Zweckbetrieb sind hierbei die Tätigkeiten der kooperierenden Körperschaften gemeinsam zu berücksichtigen. Dies wird es insbesondere ermöglichen, die Dienstleistungstätigkeiten (z.B. Wäscherei, Personalgestellung) zwischen gemeinnützigen Organisationen, die bislang i.d.R. nicht steuerbegünstigt waren, zukünftig im Rahmen eines gemeinnützigen Zweckbetriebs zu führen. Auf diese Weise werden im Bedarfsfall auch sog. Servicegesellschaften von der gewerblichen GmbH in eine gGmbH „umgewandelt“ werden können.

•    Gem. § 57 Abs. 4 AO nF verfolgt eine Körperschaft ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann unmittelbar im Sinne des Abs. 1 Satz 1, wenn sie ausschließlich Anteile an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften hält und verwaltet. Hierdurch wird die gemeinnützige Holding – insbesondere bei Ausgliederungen von Zweckbetrieben aus Vereinen und Stiftungen in Tochter-gGmbHs – erleichtert.

4.    Die Mittelweitergabe an andere gemeinnützige Organisationen und juristische Personen des öffentlichen Rechts wird einheitlich in § 58 Nr. 1 AO nF zusammengefasst: Danach darf eine Körperschaft einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts Mittel für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke zuwenden. Beabsichtigt die Körperschaft, als einzige Art der Zweckverwirklichung Mittel anderen Körperschaften oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts zuzuwenden, ist die Mittelweitergabe jedoch als Art der Zweckverwirklichung in der Satzung zu benennen. Dabei darf gem. § 58a Abs. 1 AO nF die steuerbegünstigte Körperschaft, die Mittel einer anderen Körperschaft zuwendet, unter gewissen Voraussetzungen (Abs. 2) darauf vertrauen, dass die empfangende Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG im Zeitpunkt der Zuwendung steuerbegünstigt ist und die Zuwendung für steuerbegünstigte Zwecke verwendet.

5.    Gem. § 60a Abs. 6 AO nF kann die Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach Abs. 1 Satz 1 gegenwärtig schon dann abgelehnt oder aufgehoben werden, sofern bis zum Zeitpunkt des Erlasses des erstmaligen Körperschaftsteuerbescheids oder Freistellungsbescheids bereits Erkenntnisse vorliegen, dass die tatsächliche Geschäftsführung gegen die satzungsmäßigen Voraussetzungen verstößt.

6.    Die Besteuerungsgrenze hinsichtlich der Einnahmen aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben in § 64 Abs. 3 AO wird auf € 45.000,-- angehoben. 

7.    Auch der Katalog der gesetzlich anerkannten Zweckbetriebe in § 68 AO wird erweitert:

•    Einrichtungen zur Versorgung, Verpflegung und Betreuung von Flüchtlingen (§ 68 Nr. 1 lit. c) AO nF);
•    Einrichtungen zur Durchführung der Fürsorge für psychische und seelische Erkrankungen beziehungsweise Behinderungen (§ 68 Nr. 4 AO nF).

8.    Für den Spendenabzug nach § 10b EStG ist – statt einer Zuwendungsbestätigung – der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstituts gem. § 50 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStDV nF bis zu einem Betrag von € 300,-- ausreichend.

9.    Die Übungsleiterpauschale nach § 3 Nr. 26 EStG nF beträgt ab dem Veranlagungszeitraum 2021 € 3.000,-- und die Ehrenamtspauschale gem. § 3 Nr. 26a EStG nF € 840,--.

10.   Schließlich wird mit Wirkung zum 1.1.2024 (siehe dazu Art. 50 Abs. 10 JStG 2020, BGBl. I 2020, S. 3096, 3135) gem. § 60b Abs. 1 AO nF ein „Zuwendungsempfängerregister“ durch das Bundeszentralamt für Steuern eingeführt, in dem Körperschaften aufgeführt werden, die die Voraussetzungen der §§ 51 bis 68 AO oder des § 34g EStG erfüllen. Das Bundeszentralamt für Steuern ist gem. § 60b Abs. 4 AO nF – unter Einschränkung des Steuergeheimnisses nach § 30 AO – befugt, die gespeicherten Daten nach Abs. 2 Dritten zu offenbaren.

Beraterhinweis: Die gesetzlichen Neuerungen enthalten wichtige Vergünstigungen, von denen insbesondere die neuen Mittelverwendungsvorschriften in §§ 57, 58 AO sicherlich noch durch Verwaltungsrichtlinien konkretisiert werden. Zu hoffen steht hierbei, dass im AEAO insbesondere die vom Gesetzgeber intendierte großzügige Behandlung gemeinnütziger Kooperationen bestätigt wird. Für die Berater von gemeinnützigen Organisationen bestehen nun direkt zu Jahresbeginn neue steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten: Vor allem sollten Satzungen und Kooperationsvereinbarungen an die neuen Vorschriften angepasst sowie die Möglichkeiten für Umstrukturierungen und Ausgliederungen geprüft werden.