Der Zehnt Aktuell

Mit unserem wöchentlichen Newsletter informieren wir Sie im Bereich Steuerrecht über aktuelle Themen, Entscheidungen und Kanzlei-News.

Newsletter abonnieren >

 

Neues zu Grundstücksübertragungen an Minderjährige

I.  Ausgangslage: Vertretung von Minderjährigen

Minderjährige nehmen am Rechtsverkehr grundsätzlich durch ihre gesetzlichen Vertreter teil (§§ 1626, 1629 BGB). Dies sind regelmäßig die Eltern. Die Vertretung durch die Eltern gilt jedoch nicht unbeschränkt. Zur Vermeidung von Interessenkollisionen sieht das Gesetz Ausnahmen vor (vgl. § 1824 BGB). Möchte beispielsweise die Mutter ein in ihrem Eigentum stehendes Grundstück auf ihr Kind übertragen, ist sie grundsätzlich von der Vertretung ausgeschlossen. Sie kann nicht gleichzeitig als Veräußerer und Erwerber auftreten (sog. Insichgeschäft, § 1824 Abs. 2 iVm. § 181 BGB). In dieser Konstellation ist auch der Vater grundsätzlich von der Vertretung ausgeschlossen (§§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Es bedarf der Bestellung eines Ergänzungspflegers, der den Minderjährigen vertritt (§ 1809 BGB). 

 

II.  Ausnahme: Kein Vertretungsausschluss bei lediglich vorteilhaften Geschäften

Der vorgenannte Vertretungsausschluss nach § 1824 BGB greift nicht ein, wenn das Geschäft für den Minderjährigen lediglich vorteilhaft iSv. § 107 BGB ist. § 107 BGB formuliert dies negativ: Eine Willenserklärung, durch die der Minderjährige „nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt“. Die Vorschrift trägt dem Gedanken Rechnung, wonach für ein Vertretungsverbot kein Bedürfnis besteht, wenn eine Gefährdung der Vermögensinteressen des Minderjährigen nach der Natur des Rechtsgeschäfts abstrakt-generell ausgeschlossen ist (BGH vom 30.9.2010 V ZB 206/10, BGHZ 187, 119; siehe auch BT-Drucks. 19/24445, S. 259).

 

III. Rechtlicher Vorteil bei Grundstücksschenkungen

Relevanz erlangt dies oftmals, wenn ein Elternteil Grundstückseigentum an die gemeinsamen Kinder schenken möchte. Ob eine solche Übertragung iSv. § 107 BGB „nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist“, kann nur im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls, nicht allgemein beantwortet werden. Allein aus der Verpflichtung zur Tragung gewöhnlicher öffentlicher Lasten folgt nach allgemeiner Ansicht kein rechtlicher Nachteil (vgl. BGH vom 25.11.2004 V ZB 13/04, BGHZ 161, 170).

1. Rechtsprechung der Oberlandesgerichte

Nach zwei jüngeren Urteilen der Oberlandesgerichte soll jedenfalls der Erwerb von Bruchteilseigentum (wesensgleich mit dem Miteigentum) durch Minderjährige rechtlich nachteilig sein (KG vom 1.8.2023 1 W 93/23, ZEV 2024, 185; OLG München vom 18.12.2023 34 Wx 311/23 e, ZEV 2024, 187). Dies ist bspw. der Fall, wenn ein Minderjähriger neben einem anderen (Voll- oder Minderjährigen) das Eigentum an einem Grundstück erwirbt. Die Gerichte stützen sich maßgeblich auf die Ausgestaltung der Bruchteilsgemeinschaft. Der Minderjährige hafte insbesondere für die Lasten sowie die Kosten der Erhaltung und der Verwaltung der gesamten Immobilie nicht nur mit der erworbenen (anteiligen) Sache, sondern persönlich mit seinem sonstigen Vermögen (vgl. § 748 BGB) (siehe hierzu unseren Blogbeitrag vom 2.4.2024, Zivilrechtliche Fallstricke bei der Übertragung auf Minderjährige | Streck Mack Schwedhelm (steueranwalt.de)).


2. Entscheidung des BGH vom 18.4.2024

Dem folgt der BGH in seiner jüngst veröffentlichten Entscheidung vom 18.4.2024 (V ZB 51/23) nicht. Nach Auffassung des BGH ist der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem nicht vermieteten oder verpachteten Grundstück lediglich rechtlich vorteilhaft iSv. § 107 BGB. Im Ergebnis gelte das Gleiche wie für den Erwerb des Alleineigentums.

a. Ein rechtlicher Nachteil iSv. § 107 BGB ergebe sich – entgegen der Auffassung der Oberlandesgerichte (siehe oben unter III. 1.) – nicht aus den Regelungen über die Bruchteilsgemeinschaft. Bei der Prüfung, ob der Eigentumserwerb für den Minderjährigen (auch) rechtlich nachteilig ist, sei grundsätzlich auf den Eigentumserwerb als solchen abzustellen (vgl. BGH vom 25.11.2004 V ZB 13/04, BGHZ 161, 170 (177 f.)). Mittelbare Folgen müssten demgegenüber bei der Beurteilung außer Betracht bleiben. Eine Verpflichtung des Minderjährigen als Bruchteilseigentümer, Lasten und Kosten des (gesamten) Grundstücks zu tragen (§ 748 BGB), trete nicht bereits mit dem Erwerb des Miteigentumsanteils ein. Vielmehr müssen weitere Voraussetzungen hinzutreten, zB die Sanierungsbedürftigkeit des Objekts. Der Schutz des Minderjährigen erfordere es vor diesem Hintergrund nicht, bereits den Erwerb des Miteigentumsanteils als solchen als rechtlich nachteilig iSv. § 107 BGB zu qualifizieren.

b. Anders verhalte es sich bei vermieteten oder verpachteten Grundstücken. Der Erwerb eines solchen Grundstücks sei für den Minderjährigen nicht lediglich vorteilhaft. Vielmehr führe er zum Eintritt des Minderjährigen in den Mietvertrag (§ 566 BGB) bzw. Pachtvertrag (§§ 581 Abs. 2, 593b BGB) auf Vermieter- bzw. Verpächterseite (vgl. BGH vom 3.2.2005 V ZB 44/04, BGHZ 162, 137). Die aus dem Eintritt in ein Miet- oder Pachtverhältnis resultierenden Pflichten seien ihrem Umfang nach nicht begrenzt.

 

IV. Würdigung der Entscheidung

Die Entscheidung des BGH (vom 18.4.2024 V ZB 51/23) ist zu begrüßen. Sie führt bei der Übertragung von unvermieteten bzw. unverpachteten Grundstücken zu weiterer Sicherheit. Ferner vermeidet sie in diesen Fällen die oftmals zeitaufwändige Einschaltung eines Ergänzungspflegers. 

Soll der Minderjährige hingegen vermietetes oder verpachtetes Eigentum erhalten, bedarf es regelmäßig der Bestellung eines Ergänzungspflegers (§ 1809 BGB). Dieser hat im Einzelfall zu prüfen, ob die mit dem Grundstückserwerb verbundenen Vorteile die hiervon ausgehenden Gefahren für das Vermögen des Minderjährigen überwiegen. Dies ist zB bei Schenkungen der Eltern im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge meist der Fall. 

Dr. Heinz-Willi Kamps
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Partner
LinkedIn
Dr. Torben Gravenhorst
Rechtsanwalt
Associate
LinkedIn