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Jahressteuergesetz 2018 verabschiedet: Mehr Rechtssicherheit in Sanierungsfällen

Das Sanierungssteuerrecht war lange Zeit selbst ein Sanierungsfall. Im Gegensatz zum Zivil-, Gesellschafts- und Verfahrensrecht wurde das Steuerrecht in den letzten 20 Jahren zunehmend sanierungsfeindlich. Der Gesetzgeber hat sanierungsfreundliche Normen (zB § 3 Nr. 66 EStG aF steuerfreier Sanierungsgewinn) gestrichen. Betriebswirtschaftlich notwendige Sanierungsmaßnahmen wurden mit steuerlichen Nachteilen verbunden (zB § 8 c KStG Verlust des Verlustvortrags bei Aufnahme eines neuen Gesellschafters). Erschwerend kam hinzu, dass wichtige Normen verfassungsrechtlichen und EU-rechtlichen Bedenken unterlagen. Die gerade in der Sanierungsberatung erforderliche Rechtssicherheit war damit nicht mehr gegeben.

Der Gesetzgeber hat jetzt endlich in Sanierungsfällen wieder mehr Rechtssicherheit geschaffen. Am 23.11.2018 hat der Bundesrat dem „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (auch Jahressteuergesetz 2018 genannt) zugestimmt, so dass es nunmehr als erstes großes Steueränderungsgesetz der neuen Bundesregierung in Kraft treten kann. Kurz zuvor hatte der Finanzausschuss wichtige Änderungen gerade im Sanierungssteuerrecht veranlasst:

  • Der steuerfreie Sanierungsgewinn nach § 3 a und § 3 c Abs. 4 EStG sowie § 7 b GewStG kann nun auch ohne Notifizierungsverfahren durch die EU rückwirkend zum 8.2.2017 in Kraft treten.
  • In letzter Minute wurde ergänzt, dass auf Antrag diese Normen auch auf Sanierungsfälle vor dem 8.2.2017 angewendet werden können.
  • Die vom EuGH mit Entscheidung vom 2.6.2018 (C-219/16 P) als EU-rechtskonform gewertete Sanierungsklausel des § 8 c Abs. 1a KStG kann nun endlich rückwirkend ab dem VZ 2008 auf alle Anteilsübertragungen nach dem 31.12.2007 angewendet werden.
  • Die Entscheidung des BVerfG vom 29.3.2017 (BvL 6/11) zu § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG (Anteilsübertragungen von mehr als 25 % bis 50 %) wird umgesetzt. Die Vorschrift wird rückwirkend und ersatzlos aufgehoben. Insbesondere Letztes überrascht positiv, da das BVerfG die Unvereinbarkeit nur bis zum 1.1.2016 festgestellt hatte.

Diese Änderungen sind zu begrüßen. Sie werfen aber auch eine Vielzahl von neuen Fragen auf. ZB:

  • Da die Voraussetzungen für einen steuerfreien Sanierungsgewinn nach dem Sanierungserlass vom 27.3.2003 (BStBl. I 2003, 240) andere sind als bei § 3 a EStG, wird man bei Sanierungen vor dem 8.2.2017 prüfen müssen, ob überhaupt ein Antrag auf rückwirkende Anwendung des § 3 a EStG gestellt werden soll.
  • Da nunmehr die Sanierungsklausel nach § 8 c Abs. 1 a KStG wieder anwendbar ist, muss geprüft werden, welchen Anwendungsbereich § 8 d KStG (fortführungsgebundener Verlustvortrag) noch hat, und ob es vorteilhafter sein kann, den Verlustvortrag über § 8 d KStG zu retten.

Zudem bleiben trotz dieser wichtigen Klarstellungen des Gesetzgebers EU- und verfassungsrechtliche Bedenken bestehen:

  • So läuft zB beim BVerfG unter dem Aktenzeichen 2 BvL 19/17 derzeit ein Verfahren zum § 8 Abs. 1 Satz 2 KStG (in Zukunft Abs. 1 Satz 1 = Übertragung von mehr als 50 % der Anteile).
  • Unter dem Aktenzeichen 2 BvR 242/17 wird das BVerfG prüfen müssen, ob die Verlustverrechnungsbeschränkungen des § 10 d Abs. 2 EStG verfassungsgemäß sind.
  • Zudem ist nicht abschließend geklärt, ob der steuerfreie Sanierungsgewinn nach §  3 a EStG wirklich EU-rechtskonform ist. Der vorliegende Comfort Letter der Kommission gewährt keinen Rechtsschutz in späteren Verfahren. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der EuGH anders entscheidet.

Es bleibt also weiterhin dabei, dass in der Sanierungsberatung stets die steuerrechtlichen Auswirkungen zu überprüfen sind. Betriebswirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen können weiterhin steuerschädlich sein.

Dr. Klaus Olbing
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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