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Gefährdung der Gemeinnützigkeit bei zu hoher Geschäftsführervergütung

Gemeinnützige Organisationen sehen sich verstärkt mit Prüfungsfeststellungen zu unangemessen hohen Gehältern und dem drohenden Verlust der Gemeinnützigkeit konfrontiert. Der Bundesfinanzhof hat hierzu in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung (V R 5/17) wesentliche Grundsätze aufgestellt, die für die Beratungspraxis von erheblicher Bedeutung sind.

Gemeinnützige Körperschaften unterliegen dem Gebot der Selbstlosigkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 AO): „Die Körperschaft darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck der Körperschaft fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigen.“ Dieses (Dritt-)Begünstigungsverbot gilt auch für die Arbeitnehmer einer gemeinnützigen Körperschaft. Die unangemessen hohe Vergütung eines Geschäftsführers oder sonstigen Mitarbeiters kann damit einen Gemeinnützigkeitsverstoß begründen, der zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen kann.

Für die Bestimmung der Angemessenheit ziehen Rechtsprechung und Literatur in der Regel die Kriterien für verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) heran. Der BFH bekräftigt in seinem aktuellen Urteil, dass die Begriffe „unverhältnismäßig hohe Vergütung“ iSd. § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO und „Angemessenheit“ iSd. Rechtsprechung zu verdeckten Gewinnausschüttungen einander entsprechen. Hierbei kann sowohl ein „betriebsinterner Fremdvergleich“ der Gesamtvergütung eines Geschäftsführers mit den Vergütungen anderer Geschäftsführer und Angestellten des gleichen Unternehmens als auch ein „betriebsexterner Fremdvergleich“ anhand der Gehälter, die Fremdgeschäftsführer in anderen Unternehmen verdienen, als Angemessenheitsmaßstab herangezogen werden. 

Beide Vergleiche beziehen sich auf die „Gesamtausstattung“ des Geschäftsführers. Gesamtausstattung ist die Summe des jährlichen Entgelts und der sonstigen Leistungen, wie private Pkw- und Telefonnutzung, Versicherungen, Pensionszusage etc. Erfreulicherweise stellt der BFH im Hinblick auf Pensionszusagen und andere Versorgungszusagen, die über eine Unterstützungskasse erfüllt werden, klar, dass diese nicht mit den jährlichen Zuführungen an die Unterstützungskasse, sondern nur in Höhe der (niedrigeren) fiktiven Jahresnettoprämie in die zu beurteilende Gesamtausstattung einfließen.

Regelmäßig – so auch in dem Fall, über den der BFH zu entscheiden hatte – hat allein der externe Fremdvergleich Relevanz. Zu klären ist hier, was vergleichbare Unternehmen ihren Geschäftsführern für eine vergleichbare Tätigkeit zahlen. Ausgangspunkt dieser Vergleichsbetrachtung können statistische Gehaltsstrukturuntersuchungen („Vergütungsstudien“) sein, die den individuellen Gegebenheiten anzupassen sind. Der BFH räumt in diesem Zusammenhang mit einem weit verbreiteten Vorurteil der Finanzbehörden auf: Gemeinnützige Organisationen müssen von den Werten der Vergütungsstudien, die zu gewerblichen Unternehmen erstellt wurden, keine Abschläge vornehmen. Für die Beurteilung der Angemessenheit einer Geschäftsführervergütung einer gemeinnützigen GmbH kann somit auch auf Vergütungsstudien hinsichtlich der Geschäftsführung in gewerblichen GmbHs zurückgegriffen werden. Der BFH erkennt ausdrücklich die beiden verbreitetsten Gehaltsstrukturuntersuchungen, die BBE-Studie und die Kienbaum-Studie, als tauglichen Vergleichsmaßstab auch für gemeinnützige Organisationen an.

Im Hinblick auf die Anpassung der Werte dieser Gehaltsstudien an die individuellen Gegebenheiten weist der BFH auf die – für NPO typische Konstellation – der Mehrfach-Geschäftsführung hin und hält bei Aufnahme einer Tätigkeit für eine weitere Gesellschaft einen Abschlag auf die ermittelte Vergleichsvergütung für gerechtfertigt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Körperschaft nachweist, dass es zu keiner Einschränkung der Tätigkeit gekommen ist, oder die anderweitige Tätigkeit Vorteile für die Gesellschaft mit sich bringt. 

Ergibt sich nach diesen Maßstäben eine über den Vergleichswerten liegende, d.h. überhöhte Vergütung, hält der BFH den Entzug der Gemeinnützigkeit für grundsätzlich gerechtfertigt -  es sei denn, die tatsächliche Vergütung liegt nur „geringfügig“ über dem angemessenen Gehalt. Der BFH setzt allerdings die Schwelle zur Unverhältnismäßigkeit sehr niedrig an: Bereits eine Überschreitung des angemessenen Gehalts von mehr als € 10.000,-- wurde bei einem Umsatz von über € 7 Mio. als nicht mehr geringfügig erachtet.

Praxishinweis: Die Grundsätze des BFH-Urteils sind nicht nur für gemeinnützige GmbHs, sondern für alle gemeinnützigen Körperschaften, also insbesondere auch für Vereins- und Stiftungsvorstände sowie deren angestellte Mitarbeiter und Geschäftsführer relevant. Im Hinblick auf die gravierenden Folgen einer überhöhten Vergütung sollten gemeinnützige Organisationen und ihre Berater frühzeitig die Vergütungshöhe ihrer Mitarbeiter einem Fremdvergleich und einer externer Prüfung unterziehen.

Dr. Jörg Alvermann
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Sportrecht
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