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Erste Rechtsprechung zum Umgang mit dem elektronischen Steuerberaterpostfach - beSt Practice

Die Pflicht zur Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) ist zum 1.1.2023 in Kraft getreten. Für Steuerberater:innen stellt sich nun die Frage, wie ist mit dieser Nutzungspflicht umzugehen und wie die beSt Practice aussehen sollte.

Die Vorbereitungen zur Nutzung des beSt sollen nach Auskunft der BStK mittlerweile abgeschlossen sein. Nach Veröffentlichungen der Kammer sollen in Kalenderwoche 11 die letzten Registrierungsbriefe versandt worden sein. Somit müssten jetzt alle Steuerberater:innen die Möglichkeit zur Registrierung und Aktivierung des beSt erhalten haben.

Für Steuerberater:innen gilt sowohl eine passive als auch eine aktive Nutzungspflicht des beSt. Aus der passiven Nutzungspflicht folgt, dass sie Posteingänge im beSt zur Kenntnis nehmen müssen (§ 86d Abs. 6 StBerG) und verpflichtet sind, die elektronischen Posteingänge regelmäßig abzurufen. Die aktive Nutzungspflicht des beSt bezieht sich auf die Kommunikation mit den Finanzgerichten. Hier sieht § 52d Satz 2 FGO iVm. § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO vor, dass vertretungsberechtigte Personen und Bevollmächtigte, mithin auch Steuerberater:innen, die im Auftrag ihrer Mandanten handeln, Schriftsätze als elektronische Dokumente an die Finanzgerichte übermitteln müssen, wenn für sie ein sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung steht. Das beSt ist ein solcher sicherer Übermittlungsweg. 

Das Finanzgericht Niedersachsen hat in einem Teilurteil vom 20.3.2023 7 K 183/22 entschieden, dass die aktive Nutzungspflicht seit dem 1.1.2023 zwingend zu beachten sei, selbst wenn ein betroffener Berufsträger in der Folgezeit noch keinen Registrierungsbrief von der Steuerberaterkammer erhalten hatte und sich folglich noch nicht registrieren konnte. 

Einem Steuerberater war eine Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagebegehrens gesetzt worden. Der Steuerberater übersandte innerhalb der Ausschlussfrist eine Klagebegründung per Fax. Zu diesem Zeitpunkt (Mitte Januar) hatte den Steuerberater noch kein Registrierungsschreiben der Steuerberaterkammer erreicht, dieses war für Mitte Februar angekündigt. Der Berater wies in seinem Schreiben darauf hin, er habe sich für eine schnelle Registrierung („Fast Lane“) angemeldet, dieses Verfahren dauere jedoch noch einige Tage. Nach einem Hinweis des Gerichts übersandte der Steuerberater den Schriftsatz nach Verstreichen der Ausschlussfrist über das beA (besonderes Anwaltspostfach) eines Anwaltskollegen und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Das Finanzgericht Niedersachsen hat die Klage als unzulässig abgewiesen und keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Der Schriftsatz sei nicht innerhalb der Ausschlussfrist in der gesetzlich vorgeschriebenen Form ergangen. Ein Verstoß gegen die Formvorschrift des § 52d FGO führe dazu, dass die in dem Dokument enthaltene Prozesshandlung unwirksam sei. Dies gelte für alle bestimmenden Schriftsätze, durch die eine für das Verfahren wesentliche Prozesshandlung bereits vollzogen wird. Hierzu gehören ua. Klageerhebung, Klagerücknahme oder der Verzicht auf die mündliche Verhandlung und eben auch die erstmalige Bezeichnung des Klagebegehrens nach Setzung einer Ausschlussfrist. 

§ 52d Satz 2 FGO verlange nur, dass ein sicherer Übermittlungsweg „zur Verfügung“ stünde. Diese Voraussetzung sei durch die Steuerberaterplattform und das beSt erfüllt. Der Gesetzgeber habe sich für den Anwendungszeitpunkt für ein konkretes Datum (1.1.2023) und gegen ein unbestimmtes Ereignis wie zB die Erstanmeldung der Postfachinhaberin oder den Erhalt des Registrierungsbriefs entschieden. Den Steuerberater:innen sei eine ausreichende Schonfrist seit Inkrafttreten am 1.8.2022 bis zum Anwendungszeitpunkt gewährt worden. Insoweit widerspricht das Finanzgericht Niedersachsen ausdrücklich Vertretern der Bundessteuerberaterkammer, die von einer aktiven Nutzungspflicht ab Erhalt des Registrierungsbriefs ausgingen (Nachweise unter Tz. 37 des Urteils).

Es liege auch keine vorübergehende technische Störung vor, die nach § 52d Satz 3 und 4 FGO eine Übermittlung nach allgemeinen Vorschriften zulässt. Hier handele es sich um einen strukturellen Mangel, der einen Rückgriff auf die Papierform jedoch nicht rechtfertige. Eine absolute Unmöglichkeit liege auch nicht vor, da es die Möglichkeit gegeben habe, sich bei der Bundessteuerberaterkammer für die „Fast Lane“ anzumelden und so einen schnellen Registrierungsprozess zu durchlaufen. Diese Möglichkeit führe auch dazu, dass der Steuerberater an der Einhaltung der Ausschlussfrist nicht unverschuldet verhindert war und somit kein Wiedereinsetzungsgrund gegeben sei.

Das Finanzgericht Niedersachsen hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, so dass der BFH Gelegenheit haben wird, sich zur den maßgeblichen Rechtsfragen zu äußern.

Besteht in diesem Fall und in gleichgelagerten Fällen Hoffnung die Zulässigkeitshürde doch noch zu nehmen? 

Wir meinen ja, denn es scheint zweifelhaft, ob bei Vorliegen eines strukturellen Mangels von der Existenz eines sicheren Übermittlungswegs ausgegangen werden kann und Verzögerungen im Verantwortungsbereich des einzelnen Beraters verortet werden können. Schließlich ist zu bedenken, dass der strukturelle Mangel durch die Bundessteuerberaterkammer als Hoheitsträger verursacht wurde.

Sollten Sie in einer solchen oder ähnlichen Verfahrenssituation sein, stehen wir Ihnen und den Mandanten gerne im Prozess zur Seite.

Florian Hischer
Rechtsanwalt
Associate
Dr. Martin Wulf
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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