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Die gemeinnützige Aktiengesellschaft

Das Gemeinnützigkeitsrecht wird dominiert von der Organisationsform des Vereins. Es gibt ca. 600.000 eingetragene Vereine und unzählige nicht eingetragene Vereine. Dagegen sind gemeinnützige Aktiengesellschaften in der Praxis nur selten zu finden. Dennoch kann es sich lohnen die Aktiengesellschaft als Rechtsform für die angestrebten gemeinnützigen Zwecke in Betracht zu ziehen.

Bis zur Deregulierung des Aktienrechts im Jahre 1994 war die Aktiengesellschaft im gemeinnützigen Bereich kaum bis gar nicht vertreten. Die Aktiengesellschaft eignete sich aufgrund ihrer starren und dichten aktiengesetzlichen Regelungen lediglich für Großunternehmen und nicht für mittlere bis kleine Unternehmen. Mit der Erleichterung der gesetzlichen Regelungen wurde die Aktiengesellschaft in den letzten drei Jahrzehnten auch im Gemeinnützigkeitssektor als Organisationsform attraktiver.

Die gemeinnützige AG stellt eine Mischung zwischen gemeinnützigem und dem gewinnorientiertem Sektor dar. Beide Bereiche sind mehr oder weniger stark gesetzlich ausgestaltet. Eine Balance zwischen diesen Bereichen scheint auf den ersten Blick nur schwerlich möglich. Auf den zweiten Blick wird man entdecken, dass sich einige Voraussetzungen gut ergänzen.

Einer der größten Nachteile der Aktiengesellschaft dürfte die Höhe des Grundkapitals von mindestens € 50.000,-- sein (§ 7 AktG). Dennoch, die gemeinnützige Aktiengesellschaft eignet sich hervorragend als Fundraising-Instrument. Durch die Ausgabe von Aktien im Rahmen der Gründung und der Kapitalerhöhung erreicht die gemeinnützige Aktiengesellschaft die nötigen finanziellen Mittel. Der Nennwert einer Aktie kann € 1,-- betragen, dh die Hürde sich als Aktionär zu beteiligen, ist gering: Diese können auch mit einem höheren Betrag als den Nennwert ausgegeben werden (§ 9 Abs. 2 AktG). Es ist möglich den Einlagenrückgewährsanspruch auszuschließen. In dem Fall kann der Aktionär seine Einlage gem. § 10b Abs. 1 EStG bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 KStG als Sonderausgabe steuerlich absetzen.

Die Förderung von erhöhter Spenden- und Beteiligungsbereitschaft kann durch die Besetzung des Aufsichtsrats mit gesellschaftlich angesehenen oder bekannten Personen erreicht werden. Zusätzlich wird das Ansehen der gemeinnützigen Aktiengesellschaft in der Öffentlichkeit und vor allem bei der Allgemeinheit gesteigert.
Auch darüber hinaus ist Marketing ein wichtiges Tool der gAG. Das Image der Aktiengesellschaft gilt als positiv. Als Marketing kann die Tatsache genutzt werden, dass der Aktionär und Förderer durch die verbriefte Aktie in Papier einen symbolischen Gegenwert erhält. 

Ein weiterer Vorteil der gAG ist die Partizipationsmöglichkeit. Durch den Erwerb der Aktien erhält der Erwerber ein Mitspracherecht. Dies kann er in der Hauptversammlung ausüben Im Gegensatz zum Verein, wo jede Stimme gleich zählt, kann der Aktionär durch die Anzahl der Aktien bestimmen, wie viel seine Stimme wiegt.

Der Aufsichtsrats agiert als Kontrollorgan gegenüber dem Vorstand. Dieses System hat im Rahmen der Gemeinnützigkeit erhebliche Vorteile. Viel zu oft fehlt ein solches System in gemeinnützigen Organisationen. Dies führt uU dazu, dass erst durch eine Betriebsprüfung evtl. Missmanagement aufgedeckt wird und die Aberkennung der Gemeinnützigkeit droht.

Allerdings ist zu bedenken, dass ein solcher Apparat zu nicht unerheblichen Verwaltungskosten beitragen kann. Zu hohe Verwaltungskosten können die Gemeinnützigkeit gefährden (AEAO Nrn. 17 ff zu § 55 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 AO).

Die gemeinnützig Aktiengesellschaft führt ein unberechtigtes Schattendasein. Die gemeinnützige Aktiengesellschaft weist einige Vorteile gegenüber sonstigen Organisationsformen im Bereich der Gemeinnützigkeit auf. Sie kann in besonderer Weise als Fundraising-, Partizipations- und Steuerungsinstrument genutzt werden.
 

Prof. Dr. Burkhard Binnewies
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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